Korruptionsexpertin Sylvia Schenk zum Fall Peter Feldmann

Der kommende Sonntag rückt näher und damit die mögliche Abwahl des Frankfurter Oberbürgermeisters Peter Feldmann. Stimmen mindestens dreißig Prozent der Frankfurter gegen ihr Stadtoberhaupt, muss Feldmann schon nächste Woche sein Büro im Römer räumen. Markus Appelmann spricht darüber mit der Frankfurter Korruptionsexpertin Sylvia Schenk. Vorher fassen wir noch einmal zusammen, wie Peter Feldmann Schritt für Schritt ins politische Abseits geraten ist.

Es geht um Peinlichkeiten, Profit, Personalien  und um einen Pokal.
2019 ist  da zunächst die Affäre um die Arbeiterwohlfahrt, kurz AWO. Hier und da sollen fragwürdig hohe Gehälter gezahlt, teure Dienstwagen vergeben und städtische Zuschüsse geflossen sein.
Und plötzlich taucht da der Name Feldmann auf. Der Frankfurter Oberbürgermeister soll Einfluss auf die Anstellung seiner Frau genommen haben. Die soll als Leiterin einer AWO-Kita übertariflich – also ungewöhnlich viel – verdient haben.
Die Folge: Gegen den OB wird ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Er selbst hatte es beantragt, um seine Unschuld zu beweisen.
Im März 2021 wird bekannt, dass die Staatsanwaltschaft in der Sache Feldmann ermittelt. Der Oberbürgermeister hat eine Klage am Hals – wegen Vorteilsannahme. Es geht nicht nur um seine Frau, die AWO soll auch Spenden für Feldmanns Wahlkampf gesammelt haben.
Rücktrittsforderungen werden laut. Zunächst von CDU und FDP, später wird auch seine eigene Partei, die SPD, seine Amtsniederlegung fordern.
Peter Feldmann, SPD, Oberbürgermeister Frankfurt
„Ich bin nicht schuldig. Ich bin auch nicht korrupt:“
Wenige Tage nach diesem Statement verkündet Feldmann, dass er bei der Oberbürgermeisterwahl 2024 nicht mehr antreten werde. Von Rücktritt aber kein Wort.
Dann das Ding mit dem Europa-Pokal. Der OB nimmt Eintracht-Kapitän Sebastian Rode noch vor der Siegesfeier die Trophäe aus der Hand. Es hagelt Schlagzeilen.
Und prompt auf seine Entschuldigung für dieses Dilemma, taucht ein Video auf, wie Feldmann sich gegenüber Flugbegleiterinnen sexistisch äußert.
Yanki Pürsün, Vorsitzender FDP-Fraktion im Römer
„Tiefer kann es nicht mehr gehen. Aber die Rechnung haben wir ohne Peter Feldmann gemacht“
Ursula Busch, Geschäfstführerin SPD-Fraktion im Römer
„Bitte tritt zurück! Mach den Weg frei für die Repräsentanz die Frankfurt verdient.“
Im Juli wählen die Stadtverordneten Feldmann ab. Er nimmt das Votum aber nicht an und bleibt im Amt.
Inzwischen hat der Korruptionsprozess gegen ihn begonnen. Um glaubhaft zu machen, dass er nichts über die Bezahlung seiner Frau wusste, ließ Feldmann seine Verteidiger Details aus seinem Familienleben vortragen. Unter anderem, dass er seine Frau nur geheiratet habe, weil sie schwanger war. Das Kind habe er außerdem gar nicht gewollt. Eine weitere Geschmacklosigkeit, die wohl – man mag es kaum glauben – alles bisher Geschehene toppt.
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Markus Appelmann, Moderator: Und darüber sprechen wir jetzt mit einer Expertin für Korruptionsfälle, Sylvia Schenk. Wir müssen sie ein bisschen genauer vorstellen. Von 1989 bis 2001 waren Sie hauptamtlich im Magistrat der Stadt Frankfurt tätig als Rechtsdezernentin. Sie sind SPD-Mitglied und bei Transparency International Deutschland. Herzlich willkommen! Guten Abend.
Sylvia Schenk, Korruptionsexpertin Transparency International: Guten Abend.
Appelmann: Frau Schenk, was ich nicht gesagt habe: Sie sind auch Frankfurterin. Wie geht es Ihnen mit dem Oberbürgermeister Peter Feldmann?
Schenk: Mir geht es schlecht, weil das eine ist, dass die Stadt seit Monaten nicht mehr von ihm geführt wird, wie es ein Oberbürgermeister eigentlich machen sollte. Einmal, weil er ganz mit anderen Sachen beschäftigt ist und weil er auch nicht mehr die Kraft hat. Und zum anderen, weil er sich aus meiner Sicht korrupt verhalten hat. Er hat sein Amt missbraucht.
Ob das strafrechtlich relevant ist, ist zwar eine andere Frage, aber daran gibt es keinen Zweifel. Schon nachdem, was er selber gesagt hat.
Appelmann: Das wollen wir genauer erklären. Die strafrechtliche Dimension, da ist das Gericht jetzt dran, das ist nicht unsere Aufgabe. Aber hat sich Peter Feldmann, nachdem was er selbst sagt, so falsch verhalten, dass er nicht mehr Oberbürgermeister sein kann Ihrer Meinung nach?
Schenk: Er sagt ja, das war zumindest zu Beginn seine Verteidigungsstrategie, er habe sich eben gar nicht darum gekümmert, was seine Frau verdient und weil sie ja eine emanzipierte Frau sei. Aber wenn seine Frau angestellt wird bei einem großen Zuwendungsempfänger der Stadt Frankfurt, dann muss er sich als Oberbürgermeister darum kümmern, ob auch sichergestellt ist, dass sie nicht übertariflich Sondervorteile bekommt, sondern dass sie genau nach Tarif so eingruppiert und bezahlt wird, wie es vorgesehen ist.
Appelmann: Er hätte aktiv nachfragen müssen.
Schenk: Er hätte aktiv nachfragen müssen. Das ist völlig normales Verhalten. Das wird von Korruptionsrichtlinien unter anderem auch verlangt, dass man sicherstellt, dass man keine Vorteile bekommt. Ob da ein Deal dahintersteckte, das ist Frage des Landgerichts, das müssen die entscheiden, ob es strafrechtlich relevant war. Aber er hat den Anschein erweckt, dass er Vorteile hat annehmen lassen durch seine damalige erst Lebensgefährtin und dann seine Ehefrau, dass er sich nicht darum gekümmert hat. Und einen solchen Anscheinen darf ein Oberbürgermeister gar nicht erwecken.
Appelmann: Jetzt hat er persönliche Interna weitergegeben in der letzten Verhandlung. Warum, glauben Sie, wurde er so konkret?
Schenk: Ich habe den Eindruck, dass er inzwischen gemerkt hat, dass diese Ausrede, die er am Anfang gebracht hat: “Ich habe mich nicht gekümmert”, ein Fehler war. Und dass er jetzt versucht, eine größtmögliche Distanz zwischen seiner Ehefrau, Noch-Ehefrau – die leben ja inzwischen in Scheidung – und sich zu bringen, und zwar so zu tun, als ob von Anfang an es eigentlich nur eine Liebelei war, er eigentlich gar nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte und deshalb sich nicht gekümmert hat. Also er hat offensichtlich selber gemerkt, die erste Verteidigungslinie hält überhaupt nicht, weil er damit ja zugegeben hat: “Ich habe mich nicht gekümmert, wo ich mich dringend hätte kümmern müssen, dass ich keinen Vorteil bekomme”.
Appelmann: Jetzt müssen wir aber eines noch dazusagen: Es gilt auch die Unschuldsvermutung für Peter Feldmann. Das sagen vor allem seine Befürworter.
Schenk: Das ist richtig. Ich sage ja auch, strafrechtlich halte ich mich da völlig raus. Das kann ich nicht beurteilen, was da letztlich das Gericht entscheidet. Die Staatsanwaltschaft hat aber offensichtlich doch einiges mehr, als was bisher bekannt war, denn Peter Feldmann hatte ja anfangs gesagt: “Die Vorwürfe sind maßlos”. Wenn man jetzt sieht, wie er versucht, sich jetzt rauszuziehen, und wenn man auch gehört hat, was da offensichtlich für SMS seitens der AWO an Peter Feldmann geschickt wurden, so mit einer klaren Erwartungshaltung, dann sind die Vorwürfe zumindestens nicht maßlos.
Ich rede nicht über strafrechtliche Schuld, ich rede nur darum, was Korruptionsprävention heißt und was Korruptionsrichtlinien vorsehen, auch im Vorfeld, wie man sich zu verhalten hat.
Appelmann: Also egal was vor Gericht rauskommt, machen wir mal einen Punkt unter diesem Kommentar. Sie sagen, er ist als Oberbürgermeister nicht mehr tragbar.
Schenk: Er ist nicht mehr tragbar. Seine Frau hat Vorteile bekommen von einem großen Zuwendungsempfänger, er hat sich nicht darum gekümmert und so darf sich ein Oberbürgermeister nicht verhalten.
Appelmann: Jetzt sind die Bürger Frankfurts am Sonntag aufgerufen, über die Abwahl von Peter Feldmann zu entscheiden. 30 % müssen zusammenkommen, 150.000 wahlberechtigte Frankfurter. Das ist eine hohe Hürde. Was glauben Sie, welches Ergebnis wird da herauskommen?
Schenk: Es wird auf jeden Fall ein knappes Ergebnis, was die Frage, ob dieses Quorum erreicht wird, betrifft, also ob wirklich so viele zur Wahl gehen. Von denen, die zur Wahl gehen, da bin ich ganz überzeugt, wird eine deutliche Mehrheit gegen den Oberbürgermeister, also für die Abwahl von Peter Feldmann, stimmen. Ob das jetzt knapp reicht, damit er dann wirklich abgewählt ist oder nicht, das müssen wir sehen.
Ich hoffe aber, dass eine deutliche demokratische Antwort auf dieses Verhalten gegeben wird.
Appelmann: … sagt Sylvia Schenk, Korruptionsexpertin heute bei uns im Studio. Danke Ihnen.
Schenk: Danke schön.