Zu Gast im Studio: Jana Ringwald, Staatsanwältin für Internetkriminalität

Auch, wenn es manche offenbar immer noch nicht kapiert haben: Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Und doch entwickelt sich das Netz immer mehr zu einem Tummelbecken für Kriminelle aller Art. Betrüger, Hacker, Kinderschänder – sie alle nutzen das Internet für ihre illegalen Tätigkeiten. Allzu sicher sollten sich die Kriminellen dabei aber trotzdem nicht fühlen: Denn sie stehen unter Beobachtung. Etwa bei der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität in Frankfurt.

 

„Sexuelle Misshandlung von Kindern: Behörden zerschlagen drei Darknet-Plattformen“ (Spiegel, 16.12.2022)
„Fußball-EM: ZIT identifiziert mehr als 1000 Hasskommentare gegen DFB-Team“ (Hessenschau, 12.7.2024)
„Kriminalität: Ermittler schalten digitale Plattformen zum Geldumtausch ab“ (Deutschlandfunk, 20.9.2024)
Nur drei Meldungen aus der jüngsten Vergangenheit, die zeigen: Wer gegen Kriminalität im Internet kämpft, steht nicht auf verlorenem Posten.
Um dem illegalen Treiben im Internet Einhalt zu gebieten, hat das Land Hessen vor 15 Jahren die „Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität“ eingerichtet. 11 Staatsanwälte und 3 Oberstaatsanwälte kümmern sich hier in enger Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt vor allem um größere Fälle, bei denen umfangreiche, teils internationale Ermittlungen nötig sind: Etwa um Kinderporno-Plattformen im Darknet, bei denen nicht selten mehrere Hunderttausend Nutzer registriert sind. Dabei müssen die Ermittler der ZIT oft Tausende Fotos und Videos sichten und auswerten, die schwerste sexuelle Gewalt gegen Kinder zeigen – eine überaus belastende Aufgabe. Die ZIT ist aber auch für Hackerangriffe und Hasskriminalität zuständig: Wer andere im Cyberraum beleidigt oder bedroht, muss also ebenfalls mit Ermittlungen rechnen.
Die Arbeit von Oberstaatsanwältin Jana Ringwald bei der ZIT wird also auch in Zukunft vielfältig und gleichzeitig anstrengend sein.
Eva Dieterle:
Ja, und jetzt begrüße ich Sie hier bei mirim Studio Jana Ringwald.
Jana Ringwald, Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität:
Guten Abend. Vielen Dank für die Einladung.
Eva Dieterle:
Sie haben einen sehr wichtigen, einen sehr spannenden Job. Darüber reden wir gleich. Sie haben aber über Ihre Arbeit auch ein Buch geschrieben. Und wirhaben das Buch auch hier. Digital, kriminell, menschlich. Das ist der Titel. Wie kam es zu diesem Titel? Wie kam es auch zu diesem Buch?
Jana Ringwald, Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität:
Mein Job ist digital, es dreht sich nur ums Kriminelle. Diese beiden Begriffe sind, glaube ich, schnell erklärt. Und die Frage, die sich stellt, ist Warum habe ich da auch menschlich in den Titel aufgenommen? Ich glaube je digitaler unsere Welt wird, menschlich müssen unsere Lösungen werden. Und das gilt nicht nur für die Bürgerinnen und Bürger, sondern auch für uns Ermittler. Alle unsere Ermittlungserfolge waren
vor allen Dingen der Erfolg von Menschen, die zusammengearbeitet haben und nicht der Erfolg allein von Maschinen und Daten.
Eva Dieterle:
Wir haben gerade schon einen Einblick in die ZIT bekommen. Dort arbeiten Sie in Frankfurt. Was ist denn Ihr ganz spezielles Jagdgebiet?
Jana Ringwald, Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität:
Mein Jagdgebiet lautet Cybercrime im engeren Sinne. Wir unterscheiden zwischen Cybercrime im engeren und weiteren Sinne. Und im Ein spieler haben wir ja gesehen, was in weiteren Sinne ist. Also alles das, was es schon ewig gibt, zum Beispiel Kinderpornografie, aber auch Waffenhandel, Drogenhandel, eigentlich konventionelle Kriminalitätsbereiche die sich einfach digitalisiert haben. Diese Waren kann man nun im Darknet kaufen. Und mein Team und ich, wir kümmern uns um wirkliche Cyberangriffe. Das bedeutet, wenn beispielsweise ein
Unternehmen mit Schadsoftware infiziert wird, die Systeme verschlüsselt werden, so etwa eine Ransomware Attacke. Wenn also wirklich Computer gegen Computer arbeiten alles das, was es vor dem Internet nicht gegeben hat, aber auch Banking, Trojaner, so was kennt man vielleicht auch als Bürger, das wirklich mit Schadsoftware infiziert wird. Das ist das, worum wir uns kümmern.
Eva Dieterle:
Sie haben im Buch Strategien aufgezeigt, wie Strafverfolgung auch bei diesen Taten gelingen kann.Können Sie uns das in Kürze mal skizzieren?
Jana Ringwald, Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität:
Sehr gerne. Grundsätzlich ist unser Job derselbe geblieben mit der Unterscheidung, dass wir natürlich nur auf Basis von Daten arbeiten. Und dieses alte Spiel von Räuber und Gendarm, dass es das einzige Ziel sein muss, das am Ende der Täter am Landgericht sitzt und dann in Haft kommt. Von diesem Bild mussten wir uns sehr stark verabschieden. Täter, gegen die wir vorgehen, sind sehr häufig in Ländern tätig, die nicht ausliefern. Und wir haben unsere Strategie auch verändert. Wenn Unternehmen angegriffen werden, viele Unternehmen angegriffen werden, werden sie das auf Grundlage von IT Infrastruktur, die gegen diese Unternehmen vorgeht. Und diese Täter – und das ist etwas sehr Altes,
das sich nur modernisiert hat –  handeln pekuniär motiviert und sehr häufig mit Kryptowährungen, das heißt Transaktionen im Bereich der virtuellen Währungen nachzuvollziehen und da auch viel Geld abzuschöpfen, aber auch nachzuvollziehen, von wo sie handeln, von welchen Servern. Das sind zwei Hauptaugenmerke unserer Arbeit.
Eva Dieterle:
Man muss sagen, die Entwicklung im Internet ist rasant. Oder wie Sie es auch im Buch beschrieben haben Cybercrime betritt ständig Neuland, haben Sie gesagt. Wie schwer ist das denn, diesen Tätern oder diesen Plattformen auf die Spur zu kommen?
Jana Ringwald, Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität:
Es ist anspruchsvoll und, glaube ich, ein besonderes Gebiet auch für Ermittler und Ermittler, da wir eben kein sogenanntes Leitplankensystem des Bundesgerichtshofs haben. Wir können nicht auf Pfaden wandeln, die es schon gibt, sondern wir müssen einerseits eine Polizei haben,
die einen Überblick darüber hat, was Neues geschieht, um auch am Zahn der Zeit zu bleiben. Und dann eben, ich möchte sagen
in elastischer Art und Weise sehr flexibel schauen, ob unsere Rechtsgrundlagen dafür genügen und wie wir sie zur Anwendung bringen können. Das ist natürlich sehr anspruchsvoll, aber es ist vor allen Dingen auch sehr, sehr spannend.
Eva Dieterle:
Wie kann man sich davor schützen? Wir starten mal mit den Unternehmen. Was können die Unternehmen denn auch selbst tun?
Jana Ringwald, Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität:
Also in erster Linie ist es mit das Allerwichtigste in der heutigen Zeit für ein Unternehmen, aber auch alle öffentlichen Institutionen einen vernünftigen Cyber Schutz zur Chefsache zu machen. Wir erleben immer noch große Unterschiede darin, wie sehr Unternehmen sich darauf vorbereiten, dass sie wirklich angegriffen werden. Es gibt noch immer Einrichtungen, Unternehmen, die meinen, vielleicht ginge dieser Kelch an ihnen vorbei. Wir erleben einen großen Unterschied zwischen den Unternehmen, die fest damit rechnen und all ihre Prozesse darauf ausrichten und solche, die es nicht tun. Wir kommen ja eigentlich erst sehr spät, nämlich dann, wenn es schon zu spät ist. Und was wir unbedingt empfehlen, ist zum Beispiel mit den Landeskriminalämtern vor einem solchen Vorfall in Kontakt zu treten. Es gibt den Zacs, den zentralen Ansprechpartner Cybercrime für die Wirtschaft in jedem Landeskriminalamt, an die man sich auch telefonisch wenden kann,
bevor es passiert ist.
Eva Dieterle:
Wichtige Tipps für die Wirtschaft, für die Unternehmen. Aber natürlich wollen wir auch gerne für unsere Zuschauer fragen als Privatperson
Was kann ich tun? Was muss ich tun?
Jana Ringwald, Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität:
Das, was wir zwischenmenschlich so sehr brauchen, Den vertrauensvollen Umgang miteinander, kann ich grundsätzlich im Internet nicht empfehlen. Wir erleben immer noch, dass dieser Fernzugriff, dass man selber zu Hause sitzt und das alles so weit weg wirkt, dazu führt, dass die Menschen tatsächlich lax mit ihren Gütern umgehen. Also während wir vielleicht noch auf unser Portemonnaie sehr stark aufpassen, wenn wir in einer großen Menschenmenge sind, tun wir das häufig im Internet nicht. Also eine Unbedarftheit, auch eine Bequemlichkeit, vielleicht auch der Reiz, dass man ein besonderes Angebot schnell haben möchte, verleiten uns dazu, nachlässig zu sein. Das bedeutet, Wir erleben immer wieder, dass Menschen kommunizieren auf sozialen Medien und einer Gesunden ein gesundes Misstrauen nicht walten lassen. Und das andere Wichtige ist natürlich zum Beispiel die Passwort-Sicherheit. Wir erleben häufig, dass es keine Multi Faktor Authentifizierung gibt, obwohl sie von den Herstellern und Providern so empfohlen wird.
Eva Dieterle:
Viele wichtige Einblicke in ihre Arbei. Ein Thema, das auch in Zukunft immer wichtiger werden wird. Vielen Dank, dass Sie dazu heute
bei uns im Studio waren.
Jana Ringwald, Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität:
Vielen Dank, dass ich hier sein durfte.