Zu Gast im Studio: Extremschwimmerin Nathalie Pohl

Es ist eine der größten sportlichen Herausforderungen überhaupt: die Ocean’s Seven – die sieben gefährlichsten Meerengen der Welt – zu durchschwimmen. Nur wenige Extremschwimmer haben das bisher geschafft. Eine von ihnen ist Nathalie Pohl aus Marburg. Vor wenigen Wochen hat sie die siebte und damit letzte Etappe vollendet und ist die erste Deutsche, die dieses Kunststück gemeistert hat.

41 Kilometer durchs eiskalte Wasser – ohne Neoprenanzug, ohne Hilfe von außen. Der Nordkanal zwischen Nordirland und Schottland gilt als eine der schwierigsten Etappen der Ocean’s Seven. Und ist die letzte der sieben Meerengen, die Nathalie Pohl durchqueren muss, um sich ihren großen Traum zu erfüllen. Nach elf Stunden und fünf Minuten ist sie am Ziel, erschöpft und glücklich.
Nathalie Pohl, Extremschwimmerin
„Direkt nach dem Schwimmen ist man jetzt nicht so, glaube ich, wie sich das Leute vorstellen, und man denkt so: ‚Wow, geil, ich hab’s geschafft‘. Das dauert erst mal ein paar Tage, bis man das realisiert.“
Aber dafür bleibe der Moment umso intensiver im Kopf.
Schon als Kind ist Nathalie begeisterte Schwimmerin, damals vor allem im Becken. Noch heute trainiert sie überwiegend im Schwimmbad, ihre Rennen absolviert die 30-Jährige aber im Freiwasser. Vor acht Jahren durchschwimmt sie die Straße von Gibraltar in Weltrekordzeit – der Auftakt ihrer unglaublichen Ocean’s-Seven-Tournee. Ob zwischen zwei hawaiianischen Inseln, durch den Ärmelkanal oder von Neuseelands Nord- zur Südinsel – über die Jahre sammelt Nathalie Pohl Strecke für Strecke und viele unvergessliche Momente.
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Eva Dieterle, Moderatorin:
Und über diese unvergesslichen Momente sprechen wir jetzt. Ich begrüße ganz herzlich bei mir. Nathalie Pohl. Hallo. Schön, dass Sie hier sind.
Nathalie Pohl, Extremschwimmerin aus Marburg:
Hallo, freut mich.
Dieterle:
Frau Pohl, erst mal herzlichen Glückwunsch zu dieser wahnsinnigen sportlichen Leistung, die Sie vollbracht haben. Wann wussten Sie eigentlich, dass Ihnen das normale Sportschwimmen nicht reicht, dass es für Sie extremer sein muss?
Pohl:
Ja, das war ein langer Prozess. Ich bin meine ganze Kindheit und Jugend im Becken leistungsmäßig geschwommen, aber irgendwann kam dann einfach der Moment, wo ich nicht mehr jedes Wochenende in irgendeiner Schwimmhalle hängen wollte, die überhitzt war und dann habe ich stundenlang auf meinen Start gewartet. Und genau zu dem richtigen Zeitpunkt haben eigentlich meine Eltern mir dann ein Buch über eine Amerikanerin geschenkt, die sehr genau beschreibt, wie sie unter anderem den Ärmelkanal durchschwommen ist. Und ich habe einfach so viel Parallelen zu mir gesehen, dass ich – ja, habe ich mir einfach gesagt: Okay, das war einfach dann mein großes Ziel damals, den Ärmelkanal zu durchschwimmen. Und als ich das dann geschafft hatte, kam dann eins zum anderen und so, irgendwann war dann das große Ziel die Ocean Seven.
Dieterle:
Wie läuft das ab? Sie sind auf dem offenen Meer quasi ganz auf sich alleine gestellt. Ein Begleitboot haben Sie aber.
Pohl:
Genau. Also ich schwimmen alleine logischerweise. Ich darf das Boot auch nicht berühren, darf wirklich nur einen ganz normalen Badeanzug anziehen, Brille und Badekappe. Und ansonsten gibt mir das Begleitboot eben einfach den Kurs vor. Also die haben natürlich alles genau ausgerechnet und dann folge ich einfach dem Boot.
Dieterle:
Wir haben es gerade im Beitrag schon gehört, das sind ja doch sehr niedrige Wassertemperaturen ohne Neoprenanzug, die vielen Stunden. Wie schafft man so was?
Pohl:
Na ja, ich glaube, zum einen muss man es natürlich im Kopf wollen und zum anderen muss man auch bereit sein, glaube ich, viele andere Sachen zu opfern, sage ich mal. Es ist natürlich tägliches Training, super viele Stunden jetzt im Vorfeld, jetzt auch im Nordkanal waren es bis zu sechs Stunden tatsächlich am Stück und wir waren auch den ganzen Sommer in Irland direkt vor Ort, damit man sich einfach an die Wassertemperaturen gewöhnt. Zum anderen dann nur noch kalt duschen, Eisbäder, ein bisschen Gewicht zunehmen. Also man macht wirklich alles dafür, um das Ziel zu erreichen.
Dieterle:
Für die Abhärtung, Ganz alleine in der Naturgewalt Ozean, das ist auch gefährlich. Und das haben Sie auch am eigenen Leib schon erlebt.
Pohl:
Genau. Ich glaube – was heißt gefährlich? Ich glaube, man muss einfach sich und seinen Körper sehr, sehr gut kennen. Aber natürlich ist es und bleibt ein Extremsport und man kommt an seine Grenzen und deswegen ist es umso wichtiger, dass ich eben ein Team dabei habe, was mich dann eben wirklich genau einfach die ganze Zeit anguckt und mich betreut sozusagen und ich dann auch wirklich in den Extremsituationen genau weiß: Okay, bis hierhin und nicht weiter.
Dieterle:
Was war der gefährlichste Moment?
Pohl:
Ähm, natürlich … Gut, jetzt im Nordkanal. Wir hatten auch das erste Mal zwei Ärzte mit an Bord, die dann wirklich genau geschaut haben, weil meine Körperkerntemperatur, als ich in Schottland dann aus dem Wasser gekommen bin, war knapp unter 30 Grad und das muss man natürlich dann genau betrachten, sage ich jetzt mal, und wirklich gucken, dass da alles glatt läuft.
Dieterle:
Und trotzdem haben sie ja siebenmal gesagt: “Ich gehe dieses Risiko ein.”
Pohl:
Ja, also mein großes Ziel habe ich, glaube ich, nie aus den Augen verloren. Und ich glaube, es war dann auch immer, selbst wenn Rückschläge kam oder man gesehen hat okay, es klappt diesmal nicht, egal, wegen wahrscheinlich oft war es die Strömung und ich bin dann teilweise in Neuseeland nur 2 – 300 Meter die Stunde gekommen und da muss einfach der menschliche Verstand siegen und sagen: “Okay, das ist meer ist nächstes Jahr auch noch hier, ich muss noch mal wiederkommen.”
Dieterle:
Jetzt haben wir über die Gefahren gesprochen. Gab es auch – mit Sicherheit gab es ganz viele, aber gab es auch Highlights, wo Sie sagen: “Das werde ich nie mehr wieder vergessen”?
Pohl:
Ja, ich glaube, die schönen Momente überwiegen ja dann auch doch tatsächlich. Zum einen war ein Moment, den ich nicht vergessen werde, zum Beispiel, als ich die ganze Nacht im Pazifik geschwommen bin auf Hawaii. Dann habe ich mich kurz auf den Rücken gedreht zum Trinken und den Sternenhimmel gesehen. Das sind so Momente, die würde man nie sonst erleben.
Dieterle:
Und Delfine haben wir im Beitrag gesehen. Das war auch was Besonderes.
Pohl:
In Neuseeland haben mich zwei Stunden tatsächlich Delfine begleitet, die sogar kurz angehalten haben und gewartet haben, als ich getrunken habe, und dann wieder mit mir losgeschwommen sind. Und das sind natürlich Momente, die vergisst man nie.
Dieterle:
Jetzt könnte man sagen sportlich, haben Sie wahrscheinlich im freien Wasser alles erreicht. Gibt es Ziele? Was haben Sie noch vor?
Pohl:
Natürlich wird es irgendwo schwer, sage ich mal, ich habe das mein Lebensziel erreicht. Aber nichtsdestotrotz ist die Leidenschaft zum Schwimmen einfach immer noch enorm bei mir. Oder größer denn je würde ich fast sagen. Ich werde weiter schwimmen und als nächstes Ziel geplant ist tatsächlich im März in Tasmanien ein größeres Schwimmen und dann das Ziel ist die Australian Triple Crown als nächstes.
Dieterle:
Also da gibt es noch mehr. Sie haben über Ihre ganzen Erlebnisse auch ein Buch geschrieben. “Im Meer bin ich zu Hause”. Wir haben dieses Buch auch hier, aber das war’s noch nicht. Sie wollen weiterschreiben.
Pohl:
Genau. Ich habe einfach gemerkt, dass ich super viele Leute mit meiner Geschichte inspiriere und habe so super viele positive Rückmeldungen gekriegt, dass es mir jetzt am Herzen liegt, glaube ich, auch für die Kleineren unter uns was zu machen. Und ich hoffe, dass ich dann nächstes Jahr mein eigenes Kinderbuch rausbringen kann, wo ich dann einfach meine eigene Geschichte und dass die Kleinen nie aufhören, an ihre Träume zu glauben.
Dieterle:
Ein sehr schönes Schlusswort, Frau Pohl. Vielen Dank, dass Sie mit Ihren Abenteuern hier bei uns waren.
Pohl:
Danke.