Zu Gast im Studio: Dr. Marc Jan Eumann, Direktor der Medienanstalt Rheinland-Pfalz

Erinnerungen teilen oder sich mit Bekannten überall auf der Welt vernetzen: Über 5 Milliarden Menschen weltweit nutzen die sozialen Medien. Instagram, Facebook und X – um nur einige zu nennen – versprechen scheinbar unbegrenzten Zugang zu Informationen. Doch sind diese überhaupt verlässlich? Und tun die Betreiber genug dafür, um sicherzustellen, dass ihre Plattformen nicht für Hass und Hetze missbraucht werden? Diese Fragen treiben nun auch in Hessen und Rheinland-Pfalz immer mehr Institutionen um.

Die Johannes Gutenberg-Universität in Mainz, die Goethe-Universität in Frankfurt, die Unis und Hochschulen in Kassel, Wiesbaden, Gießen, Marburg und Trier – nur einige von vielen, die hier nicht mehr aktiv sind. Auf X, ehemals Twitter, dem Kurznachrichtendienst von Tech-Milliardär Elon Musk.
Der Hauptgrund: Der geänderte Umgang mit Hasskommentaren und Falschinformation. Elon Musk will X als „Bastion der freien Meinungsäußerung“ verstanden wissen. Die Nutzer sollen die Inhalte moderieren und falsche oder irreführende Aussagen als solche kennzeichnen. Die Zusammenarbeit mit Faktenchecks hat Musk beendet, Hassrede-Richtlinien aufgeweicht.
Diesem Beispiel folgt jetzt auch Marc Zuckerberg mit seinem Meta-Konzern, zu dem Facebook und Instagram gehören. Auf dem amerikanischen Markt ist die Nutzung der Meta-Dienste jetzt mit weniger Regulierungen verbunden, erklärt er per Videonachricht.
Mark Zuckerberg, Geschäftsführer Meta-Konzern, am 07.01.2025
„Regierungen und traditionelle Medien haben uns mehr und mehr dazu gedrängt, Inhalte zu zensieren. Was als Maßnahme für mehr Inklusion gedacht war, hat immer mehr dazu geführt, dass Menschen ausgeschlossen werden, die andere Meinungen und Ideen haben.  Es geht zu weit.“
Für klassische Medien – wie beispielsweise für uns bei 17.30 Sat.1 live – gelten feste Regeln wie die journalistische Sorgfaltspflicht, die von den Medienanstalten in Rheinland-Pfalz und Hessen überwacht werden.
Elon Musk und Marc Zuckerberg übernehmen hingegen immer weniger Verantwortung für die Inhalte, die über ihre Plattformen verbreitet werden, wehren sich gegen entsprechende Regulierungen.
Zumindest in den USA. In der Europäischen Union sind sie durch den sogenannten „Digital Services Act“ gesetzlich dazu verpflichtet, gegen Hass, Hetze und illegale Inhalte vorzugehen. Mark Zuckerberg bezeichnet das als „institutionalisierte Zensur“ und hofft, dass der neue US-Präsident Donald Trump diesbezüglich Druck auf die EU ausüben wird.
Aufgrund dieser Entwicklungen werde Medienkompetenz immer wichtiger, sagt der Direktor der Medienanstalt Rheinland-Pfalz, Dr. Marc Jan Eumann. Die Medienanstalt engagiert sich schon lange für das Thema Sicherheit im Netz, koordiniert beispielsweise deutschlandweit die EU-Initiative klicksafe, die Eltern, Lehrern und Jugendlichen kostenfreie Informationen und Lehrmaterialien zur Verfügung stellt.
Aber reicht es, in Medienkompetenz zu investieren? Oder hilft nur der Rückzug? Diese Frage muss letztlich jeder für sich selbst beantworten.
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Markus Appelmann, Moderator:
Fragen, die wir jetzt auch besprechen mit dem Direktor der Medienanstalt Rheinland-Pfalz, mit Dr. Marc Jan Eumann. Guten Abend.
Dr. Marc Jan Eumann, Direktor Medienanstalt Rheinland-Pfalz:
Schönen guten Abend.
Appelmann:
Wir haben es gerade eben gehört, Facebook ist auf den Spuren von X, ehemals Twitter, unterwegs, will sich diese Fake-News-Kontrolle jetzt sparen. Wie sehr alarmiert Sie das? Und was könnte das letztlich für das soziale Medium in Deutschland bedeuten?
Eumann:
Also tatsächlich sind das alarmierende Zeichen aus den Vereinigten Staaten, weil diese Anbieter von sogenannten sozialen Medien eine enorme Reichweite erzielen. Und mit dieser Reichweite, davon bin ich überzeugt, geht Verantwortung einher. Aber dieser Verantwortung haben sich jetzt Unternehmen wie X und auch Meta, zu dem Facebook und andere gehören, Mark Zuckerbergs Imperium, entzogen. Diese Entwicklung alarmiert. Und sie ist falsch.
Appelmann:
Wir haben ja gerade eben auch gehört, dass Elon Musk und Mark Zuckerberg sagen: “Für uns ist die freie Meinungsäußerung im Fokus und deswegen lassen wir diese Fake-News-Kontrolle sein”. Gilt für Sie dieses Argument nicht?
Eumann:
Also tatsächlich ist ja, dass leider Fake News im Netz weiter zunehmen. Das wissen wir aus den Untersuchungen, die wir, wenn wir mit Kindern und Jugendlichen reden, erfahren und genauso wie eine Redaktion natürlich einen Faktencheck macht – Kann ich der Quelle vertrauen, die eine Information verbreitet? – müssen auch diejenigen, die natürlich über ihre sozialen Medien Meinung machen, genau diesen Faktencheck tun. Dem verweigern sich jetzt Meta und X, und das hat für die öffentliche Kommunikation nur negative Folgen. Denn der große Unterschied zwischen sozialen Medien und dem, was Sie beispielsweise bei TV IIIa, als Regionalprogramm hier in Rheinland-Pfalz und Hessen machen, ist, hinter Ihrer Information steckt eine redaktionelle Leistung. Genauso wie die Kollegin das im Beitrag gesagt hat. Sie können nicht irgendwelche Fake News verbreiten, sondern dann kommt die Regulierung und das ist nicht dazu da, Sie zu zensieren, sondern es ist dazu da, die Integrität von Information zu erhalten. Fakten haben einen Wert für die Demokratie. Und wenn die Fakten nicht stimmen, dann geht es der Demokratie schlecht. Und deswegen ist Ihre Aufgabe eine so Privilegierte. Sie haben ein großes Privileg im Grundgesetz hier in Deutschland. Aber mit diesem Privileg geht eben auch Verantwortung einher. Und genau dieser Verantwortung wollen sich Zuckerberg und Musk entziehen.
Appelmann:
Herr Eumann, Sie haben ganz aktuelle Zahlen angesprochen. Sie sind ja auch Vorsitzender der Kommission für Jugendmedienschutz. Jährlich gibt es eine Studie, wie Jugendliche mit den Medien umgehen, die sogenannte JIM-Studie. Das Ergebnis der aktuellen Studie: 61 % der Jugendlichen geben an, mit Fake News konfrontiert zu werden. Diese Zahl steigt von Jahr zu Jahr. Welche Möglichkeiten haben Sie, das zu unterbinden?
Eumann:
Also tatsächlich haben wir – und auch da hat Ihr Beitrag, wie ich finde, sehr gut informiert – wir haben einerseits den Medienstaatsvertrag, das ist ein Gesetz, das alle 16 Länder verabredet haben. Dort haben wir die Möglichkeit, über journalistische Sorgfaltspflichten an Anbieter heranzutreten und – und das ist jetzt ein sehr neues, ein sehr wirkungsmächtiges Instrument – der Digital Services Act. Das ist Gesetz innerhalb der Europäischen Union. Und dort ist es so, dass, wer sich nicht daran hält – und das ist auch die Sorge von Elon Musk und Mark Zuckerberg -, dem drohen empfindliche Strafen, die bis zu 6 % des weltweiten Umsatzes geht. Also es sind schon bei Meter und X dann erhebliche Summen, wenn sie sich nicht an Spielregeln halten. Und das ist das Entscheidende. Spielregeln sind dafür da, dass es faire Regeln für alle Partner:innen in diesem Markt gibt. Unser Leben funktioniert nur mit Spielregeln. Wir wollen doch beispielsweise in der Apotheke ein sicheres Medikament kaufen. Es gibt also eine Pharmazieaufsicht. Wir wollen, dass unsere Geräte, die wir kaufen, sicher funktionieren. Also gibt es solche technischen Überwachungsvereine, gibt es Einrichtungen, die kontrollieren. Und das Interessante ist, dass diejenigen, die Produkte auf den Markt bringen, die nicht gut sind, die werden dafür belangt. Und aus dieser Verantwortung, ich will es noch mal sagen, wollen sich die Unternehmen, die soziale Medien mit einer enormen Reichweite produzieren, entziehen. Sie wollen nur Geld machen, aber sie wollen nicht die Verantwortung übernehmen. Denn das Recherchieren, das Aufspüren von Fake News, das kostet Geld, weil sie dafür Leute brauchen. Dafür brauchen sie Algorithmen, dafür brauchen sie Infrastruktur, und all …
Appelmann:
Das kostet Umsatz am Ende.
Eumann:
… wollen diese Unternehmen nicht machen. Das ist ein falscher Weg. Es ist übrigens auch falsch für das Internet selbst. Ich will ausdrücklich sagen, das Internet ist ja ein großartiger Raum. Es ist ein Kiosk. Er hat viele wirklich großartige Möglichkeiten für Ihre Arbeit, für meine Arbeit, für die Unterhaltung. Und dieser Raum wird jetzt nach und nach durch solche Akteur:innen einfach zerstört. Ich will einen Satz noch sagen: X ist in Deutschland eine Pornografie-Schleuder. X ist das einzige soziale Medium, das Pornografie ausdrücklich erlaubt, und damit verstößt konsequent X und permanent gegen deutsches Gesetz.
Appelmann:
Sie sprechen gerade das Internet an. Abschließende Frage dazu: Im Februar gibt es wieder den Safer Internet Day, klicksafe haben wir gerade eben gehört, also ein Tag, der zusammen mit der Europäischen Kommission auch gestaltet wird. Die Botschaft dieses Jahr heißt: “Keine Likes für Lügen”. Also das große Stichwort “Medienkompetenz” ist da im Fokus. Reicht denn Medienkompetenz überhaupt noch aus, um gegen Hass und Hetze im Netz vorzugehen, um letztlich Fake News zu begegnen?
Eumann:
Die Frage ist berechtigt. Meine Antwort ist klar: Wir brauchen ganz viele Maßnahmen. Wir brauchen gute Regulierung, Wir brauchen eine gute Aufsicht. Aber wir brauchen auch die Bereitschaft von Erziehenden und den Nutzer:innen insgesamt verantwortungsvoll umzugehen. Wir alle können Teil sein und mit Blick auf X kann ich nur ermutigen: Man kann dieses Medium auch verlassen …
Appelmann:
Wie wir gesehen haben.
Eumann:
… und das Leben wird dadurch nicht ärmer, sondern es wird reicher. Und es wird ein Leben mit weniger Fake News und mit weniger verstörenden Inhalten.
Appelmann:
… sagt der Direktor der Medienanstalt Rheinland-Pfalz, Dr. Marc Jan Eumann. Danke für den Besuch.
Eumann:
Ich bedanke mich, Herr Appelmann. Danke!