Zu Gast im Studio: der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer

Es war ein anderes Weihnachtsfest in diesem Jahr nach dem furchtbaren Anschlag. Vier Tage vor Heiligabend. Ein Mann aus Saudi Arabien rast in die Besucher eines Weihnachtsmarktes. Der Anschlag von Magdeburg mit vielen Toten und Verletzten wie dieser den Wahlkampf zur Bundestagswahl verändert, das ist ein Thema heute bei uns. Ich begrüße den rheinland pfälzischen Ministerpräsidenten Alexander Schweitzer

Markus Appelmann
Herzlich willkommen zu 17 30 Sat eins live. Es war ein anderes Weihnachtsfest in diesem Jahr nach dem furchtbaren Anschlag vier Tage vor Heiligabend. Ein Mann aus Saudi-Arabien rast in die Besucher eines Weihnachtsmarktes. Der Anschlag von Magdeburg mit vielen Toten und Verletzte. Wie dieser den Wahlkampf zur Bundestagswahl verändert, das ist ein Thema heute bei uns. Ich begrüße den rheinland pfälzischen Ministerpräsidenten Alexander Schweitzer, Guten Tag
Alexander Schweitzer
Guten Tag.
Markus Appelmann
Herr Schweitzer. Bevor wir sprechen, schauen wir zunächst auf die schrecklichen Bilder.
Vier Tage vor Heiligabend. Ein Auto rast in den Magdeburger Weihnachtsmarkt, fünf Menschen sterben, darunter ein 9-jähriger Junge. Über 200 Menschen werden verletzt. Viele erleiden schwere Knochenbrüche und innere Blutungen. Der mutmaßliche Täter Taleb A.sitzt mittlerweile in Untersuchungshaft. Der 50-jährige ist ein als Islamkritiker bekannter Arzt aus Bernburg, der 2006 als Flüchtling von Saudiarabien nach Deutschland kam. In den vergangenen Jahren erhob er immer wieder Vorwürfe gegen deutsche Behörden, warf ihnen vor, den Islamismus zu fördern. In den sozialen Medien verbreitete er Drohungen. Viele Fragen sind noch unbeantwortet. Die Behörden ermitteln auch wegen möglicher Fehler im Sicherheitskonzept. Die Betroffenheit ist groß in Magdeburg und in ganz Deutschland. Und die Diskussionen um die Konsequenzen aus dieser schrecklichen Tat – sie sind in vollem Gange.
Markus Appelmann
Ja, Herr Schweitzer Was waren Ihre ersten Gedanken, als Sie hörten, dass ein Mann aus Saudiarabien mit einem Auto in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg gerast ist?
Alexander Schweitzer
Ich war zunächst mal wie wir alle entsetzt. Ich habe sofort auch viel, ja auch das Gefühl gehabt, dass da wirklich was ganz Furchtbares passiert an einer Stelle, wo Menschen einfach zusammenkommen, um sich auf Weihnachten einzustimmen, mit ihren Familien eine gute Zeit zu haben. Ich war sehr, sehr schockiert und habe dann auch unmittelbar mit unserem Innenminister Michael Ebling Kontakt gehabt, um einfach zu schauen: Was bedeutet das denn für die Sicherheitslage in Rheinland Pfalz und in den nächsten Stunden darauf habe ich dann auch mit meinem Amtskollegen von Sachsen Anhalt, Herrn Reiner Haseloff, Kontakt aufgenommen genommen, um eben auch die Trauer der Rheinland Pfälzerinnen und Rheinland Pfälzer mitzuteilen, aber auch Angebote zu machen, was die Unterstützung angeht.
Markus Appelmann
Die Stimmung der Bevölkerung möchte ich mal in zwei Fragen zusammenfassen. Hört das denn nie auf? Und ist der deutsche Staat dann machtlos?
Alexander Schweitzer
Ich kann nachvollziehen, dass Menschen sich jetzt Fragen stellen, was bedeutet das denn? Was hat es denn auch mit der Sicherheitsarchitektur unseres Landes zu tun? Und darauf kann man nur antworten: Wir tun das, was wir tun können und müssen gemeinsam überlegen, auch innerhalb der demokratischen Mitte, ob es noch mehr Regeln braucht. Aber ich kann für Rheinland Pfalz sagen, dass wir auch mit Blick auf unsere Weihnachtsmärkte schon vor Monaten Sicherheitskonzepte aufgestellt haben, die bisher auch sehr gut aufgehen. Und wir haben die Polizei gestärkt, auch ihre Präsenz auf den Weihnachtsmärkten gestärkt, dass das, was wir tun können. Und deshalb kann ich die Fragen nachvollziehen. Die Antwort, die die Politik geben kann, ist wir müssen immer dranbleiben und versuchen, auf der Höhe der Zeit zu sein, um das tatsächliche Sicherheitsgefühl der Menschen zu stärken.
Markus Appelmann
Es heißt ja immer absolute Sicherheit gebe es nicht. Den meisten Menschen würde es aber reichen, das Sicherheitsniveau von vor zehn oder vor 15 Jahren zu erreichen. Ist das naiv, an so was zu glauben?
Alexander Schweitzer
Nein, Es ist tatsächlich so, dass wenn man sich auf der rationalen Ebene darüber austauscht wo stehen wir heute, Was das Thema Sicherheit angeht, wirzum Beispiel in Rheinland Pfalz sagen Wir hatten niemals eine höhere Aufklärung, was Kriminalität angeht als in diesen Zeiten werden niemals mehr Polizisten als in diesen Zeiten. Und insofern ist das subjektive Sicherheitsempfinden etwas, das ich sehr, sehr ernst nehme. Aber man kann dem auch etwas entgegenstellen, nämlich: Der Staat tut das, was er tun kann, Politik macht ihre Aufgabe. Zumindest für Rheinland Pfalz kann ich das sagen, um das Sicherheitsempfinden der Menschen auch zu stärken.
Markus Appelmann
Aber trotzdem haben immer mehr Menschen das Gefühl, da stimmt was nicht in Deutschland. Und das wird befeuert unter anderem durch so einen Anschlag in Magdeburg. Kann das nicht dazu führen, dass sich die Menschen zurückziehen, dass sie gar nicht mehr so frei leben, wie wir es kennen? Dass sie nicht mehr zu Großveranstaltungen gehen, zum Beispiel.
Alexander Schweitzer
Dass wir die wirklich der falscheste Weg, um darauf zu reagieren, was in Magdeburg passiert ist. Ich habe auch nicht das Empfinden, dass es so ist. Ich weiß auch in den vergangenen Tagen unterwegs, war auf Weihnachtsmärkten, bin auch sehr stark in der Öffentlichkeit unterwegs. Ich treffe da ganz viele Menschen, die auch unterwegs sind und die mir auch signalisieren, wir lassen uns uns doch unsere Freiheit nicht nehmen. Wir lassen uns auch nicht von Angst leiten. Wir genießen die Freiheit. Wir müssen sie auch nutzen, um sie auch zu bewahren. Und das ist genau der richtige Umgang mit solchen Sicherheitsthemen.
Markus Appelmann
Losgelöst von diesem Anschlag von Magdeburg mit einem Täter, der als Flüchtling zu uns kam, sind wir uns einig, dass die Themen Migration und eng verwoben innere Sicherheit die großen Themen dieses Bundestagswahlkampfes werden?
Alexander Schweitzer
Ich glaube, ganz unterschiedliche Themen in diesem Bundestagswahlkampf werden uns beschäftigen. Das Thema Wirtschaft und Arbeit ist nach wie vor ein wichtiges Thema, aber das Thema innere Sicherheit bleibt ein Thema. Aber man muss natürlich anschauen, auch mit Blick auf das, was wir über den Täter wissen, bisher wissen können, lässt sich auch nicht einfach jetzt mit kurzen Schlüssen und schnellen Vermutungen agieren, sondern ich glaube, man muss einfach sehen, die Sicherheitslage ist dann immer bedroht, wenn Sicherheitsbehörden nicht gut zusammenarbeiten. Und wenn wir uns nicht die Möglichkeiten auch durch politische Entscheidungen, durch gesetzgeberische Entscheidungen in die Hand geben, die wir brauchen, um Sicherheitsbehörden zu stärken.
Markus Appelmann
Sie sprechen die Themen an: Wirtschaft, zum Beispiel Asylpolitik. Das wollen wir heute auch in der Sendung tun. Zunächst mit der Asylpolitik. Was ist denn der grundlegende Unterschied zwischen der CDU und der SPD in der Asylpolitik?
Alexander Schweitzer
Man muss leider sagen, dass die CDU in den letzten Jahren vor allem gefordert und nicht geliefert hat. Es waren wirklich die CSU- und CDU-Innenminister, die immer appelliert haben, an wen auch immer, damit die Dinge endlich besser klappen. Es war aber so, dass Olaf Scholz es geschafft hat, einen wesentlichen Beitrag dazu zu leisten, dass es eine gemeinsame europäische Asylpolitik gibt mit inzwischen stark reduzierten Zugangszahlen nach Deutschland. Auch nach Rheinland-Pfalz. Und insofern ist der große Unterschied der, die einen rasseln mit dem Säbel aber liefern nicht. Das ist die Unionsseite.
Markus Appelmann
Sie sagen, alle rasseln mit dem Säbel, also die Zurückweisung aller Flüchtlinge an den Grenzen ist mit der SPD nicht machbar?
Alexander Schweitzer
Es ist ja aber auch mit jedem Juristen nicht machbar und das weiß natürlich die Union. Ich glaube sogar, dass sie das sehr gut weiß und auch ein bisschen vom Versagen der letzten Jahre abzulenken.
Markus Appelmann
Es gibt aber auch Juristen, die sagen, dass die Flüchtlinge, die über einen….
Alexander Schweitzer
Mir ist noch keiner begegnet.
Markus Appelmann
..weiteren EU Staat kommen, über einen sicheren Staat und somit auch zurückgewiesen weden können.
Alexander Schweitzer
Das ist aber eine Frage, die wir mit der gemeinsamen europäischen Asylpolitik, die Olaf Scholz auch initiiert hat und umsetzt, auch mit aufklären können, lösen können. Letztendlich ist es so, wir hatten niemals weniger Zugänge, was Flüchtlinge und Asyl angeht in den letzten Jahren als zurzeit. Und das hat auch was mit der Politik der SPD geführten Bundesregierung zu tun.Noch mal: Die Union ist sehr stark darin, Dinge zu fordern. Aber jeder weiß, sie hat in den Amtsjahren und Amtszeiten von Angela Merkel eben das Gegenteil dessen getan, was sie jetzt fordert. Das ist nicht glaubwürdig, das weiß die Union. Und sie versucht dann eben, verbal noch eins draufzusetzen.
Markus Appelmann
Sie haben sich jetzt klar abgegrenzt von ihrem möglichen Koalitionspartner auf Bundesebene. Wenn die etablierten Parteien der Mitte bei immer mehr Themen ganz unterschiedliche Haltung haben, dann gibt es doch am Ende nur einen kleinen gemeinsamen Nenner. Und damit werden wir doch die großen Probleme dieser Zeit nicht lösen können.
Alexander Schweitzer
Ich widerspreche Ihnen. Ich glaube nämlich, dass es sogar wichtig ist, dass gerade in der politischen Mitte und dazu zähle ich Union genauso wie ich die SPD zähle, Unterschiede kenntlich werden. Es dürfen ja keine unversöhnlichen Unterschiede sein. Man muss ja immer auch Möglichkeiten der Zusammenarbeit finden. Deshalb verstehe ich zum Beispiel auch nicht, warum Herr Söder jeden Tag neue Koalitionspartner ausschließt. Ich glaube, Demokraten müssen immer zusammenarbeiten können, aber sie müssen ihre Positionen deutlich machen. Sonst gehen die Menschen dahin, wo sie vermuten, dass da eine sogenannte Alternative auf sie wartet. Darum ist es wichtig, dass die Unterschiede kenntlich gemacht werden. So wie ich es gerade versuche.
Markus Appelmann
Stichwort Positionen deutlich machen. Dann schauen wir doch mal auf die Wirtschaftspolitik der Ampel. Die deutsche Wirtschaft schrumpft schon im zweiten Jahr in Folge. Gute Nachrichten bleiben da leider die Ausnahme.
Es war ein guter Tag für die damalige rheinland pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Bundeskanzler Olaf Scholz Anfang April in Alzey. Spatenstich für das neue Werk von Eli Lilly. Das US Pharmaunternehmen investiert hier 2,3 Milliarden €. Rund 1000 Arbeitsplätze sollen entstehen. Doch gute Nachrichten wie diese sie sind selten in Deutschland. Die wirtschaftspolitische Bilanz der SPD geführten Bundesregierung ist verheerend.
Die Wirtschaft schrumpft das zweite Jahr in Folge. Johannes Heger, der Präsident der Landesvereinigung Unternehmerverbände Rheinland Pfalz, sagt, Deutschland stecke in einer ernsthaften Rezession. Die Gründe Hohe Steuern, zu viel Bürokratie und zu wenig Fachkräfte. Doch das drängendste Problem sind für ihn die hohen Energiepreise.
Johannes Heger, Präsident der Landesvereinigung Unternehmerverbände Rheinland Pfalz: Es gibt so viele Komponenten, die den Energiepreise ausmachen. Da muss entschlackt werden, es muss runtergesetzt werden. Es muss für diejenigen, die ganz besonders viel Energie brauchen, Vergünstigungen her. Der Preis ist im europäischen Wettbewerb, zum Beispiel im Vergleich mit den anderen Ländern viel zu hoch. Und das können wir uns überhaupt nicht erlauben. DerPreis muss runter.
Markus Appelmann
Herr Heger spricht für 115.000 Unternehmen für 1 Million Beschäftigte in Rheinland Pfalz. Müssen wir so ehrlich sein und sagen, dass mit dieser Energiepolitik ein niedrigerer Strompreis einfach nicht machbar ist?
Alexander Schweitzer
Ich glaube wir müssen sehr ehrlich sein und sagen, das uns diese Bundesregierung unter Olaf Scholz durch eine der größten Energiekrisen der letzten Jahrzehnte geführt hat, die ausgelöst war durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Lassen Sie uns das bitte nicht vergessen. Das hatte keine Bundesregierung vor der Regierung von Olaf Scholz vor sich. Und das hat sie gut hinbekommen. Und sie hat jetzt Vorschläge gemacht, dass die Netzentgelte gedeckelt werden. Das heißt, dass die Strompreise für Industrie, für Mittelstand gesenkt werden. Und dann hat die Union nicht eingeschlagen. Herr Merz hat gesagt, er ist nicht einverstanden mit der Energiepolitik. Ganz grundsätzlich. Und deshalb macht er jetzt nichts, um die deutsche Industrie, auch die rheinland pfälzische Industrie, zu stützen. Ich bin ganz bei Herrn Heger. Ich bin mit ihm in großer Übereinstimmung. Und wie er auch verstehe ich nicht, warum die Union in dieser Situation historisch ihrer Verantwortung nicht gerecht wird und die Dinge einfach ein paar Monate liegen lassen will. Aber das versteht auch sonst keiner.
Markus Appelmann
Die Bundesregierung hätte es ja vorher machen können. Die Ampel hat ja davor auch agiert, muss man ganz ehrlich sagen.
Alexander Schweitzer
Die Ampel hat sehr stark agiert, hat auch wirklich dazu beigetragen, dass die Stromkosten in den letzten Jahren auch stabil nach unten gegangen sind. Allerdings nicht ausreichend viel. Sie hätte jetzt eine Unterstützung gebraucht, von der von Herrn Merz geleiteten Opposition. Und auch Opposition hat im Deutschen Bundestag Verantwortung. Sie ist nicht nur dazu da, sich zurückzulehnen, zu kritisieren, sondern auch zu agieren, auch mit Blick auf das Wohl des Landes. Und das hat sie an der Stelle nicht getan.
Markus Appelmann
Sie haben grade eben gesagt, Sie sind bei Herrn Heger. Der sagt aber auch der Wirtschaftsstandort Rheinland Pfalz hat momentan richtig zu kämpfen. Und er nennt da auch immer wieder Beispiele. Der größte Arbeitgeber in Rheinland Pfalz, die BASF, der Chemieriese: Jobs in Ludwigshafen werden abgebaut und im Ausland aufgebaut. Dem können Sie doch nicht tatenlos zusehen.
Alexander Schweitzer
Nein, das will ich auch tatsächlich nicht. Und ich bin da auch sehr froh, dass wir – sie haben ja lustigerweise auch ein Beispiel aus Rheinland Pfalz gezeigt – dass wir ganz viele Beispiele dafür haben, dass es in Rheinland Pfalz dann doch besser läuft als in vielen anderen Ländern. Wir hatten im letzten Jahr 2023 den Höchststand an industrieller Investition seit vielen Jahren. Wir haben Eli Lilly, wir haben Novo Norddisk, wir haben auch natürlich weitere Unternehmen.
Markus Appelmann
Aber das hilft der BASF, die 700 Arbeitsplätze in diesem Jahr abgebaut hat nicht.
Alexander Schweitzer
Aber die BASF hat sich klar zum Standort Ludwigshafen bekannt. Dieses klare Bekenntnis habe ich in den letzten Jahren nicht so oft gehört. Jetzt kommt es. Und natürlich wird der Standort auch verändert werden, umgebaut werden. Aber es bleibt ein Standort, der eine zentrale Bedeutung hat für den Konzern weltweit. Ich bin da sehr im engen Austausch, auch mit der Vorstandsebene der BASF, aber auch mit dem Betriebsrat. Und alle sagen, wir brauchen jetzt Unterstützung der Politik, auch was die Energiepreise angeht. Da sind wir wieder bei Herrn Merz, der an der Stelle nicht geliefert hat. Die BASF hätte eine Entscheidung im Deutschen Bundestag gebraucht für die Netzentgelte. Sie ist nicht gekommen.
Markus Appelmann
Die SPD will im Bundestagswahlkampf wir hören’s schon auf Wirtschaft setzen. Dabei ist die Bilanz der Ampelregierung im Bund doch schon sehr verheerend. Ist das nicht eher ein Grund, Olaf Scholz nicht zu wählen?
Alexander Schweitzer
Ich glaube, dass jeder weiß, dass Olaf Scholz jemand ist, der gute Nerven hat, der dieses Land auch durch starke Krisen, ich habe eine davon genannt, schon gut geführt hat, der Europa anführt, auch was das Thema Ukraine angeht, der hohen Sachverstand hat und das sehe ich nicht so viel andere. Ich glaube, dass man in diesen Zeiten, wo wir über Krisen sprechen, natürlich auch schauen muss, hat man jemand wie Olaf Scholz, der führen kann, oder hat man jemand wie Herrn Merz, der in seinem Leben noch keine wirklich politisch administrative Verantwortung übernommen hat? Das ist gerade für Entscheider in vielen Unternehmen ein ganz wichtiger Punkt. Sie würden ja auch niemand an die Spitze eines Unternehmens lassen, der gerade eben durch die Tür gekommen ist.
Markus Appelmann
Das, was Sie gerade eben sagen, das klingt so, als wäre die SPD im Moment in den Umfragen vorne. Es ist genau andersherum. Momentan, weit hinter der Union sind Sie momentan. Wie wollen Sie denn für diesen Wahlkampf mobilisieren, um am Ende Juniorpartner unter Herrn Merz zu werden in einer schwarz roten Bundesregierung?
Alexander Schweitzer
Ich glaube, das Ziel muss immer sein, wenn man den Kanzler stellt und so ist es ja, dass man am Ende auch auf Platz eins kommt. Und Umfragen, das kenne ich auch aus vieler Jahre Erfahrung. Das ist immer so eine Momentaufnahme. Zentral ist das Wahlergebnis, und es liegt noch nicht vor. Das kommt erst ein paar Wochen. Bis dahin kann sie noch viel tun. Wir erleben ja gerade in diesen Zeiten, wie sich innerhalb von Tagen auch die politische Diskussion verändern kann. Und da würde ich die SPD nicht unterschätzen. Wir kennen in Rheinland Pfalz auch die Kraft der Aufholjagd. Wir kennen das in Rheinland Pfalz sehr, sehr gut und deshalb, glaube ich, wird sich niemand bei der Union jetzt schon zurücklehnen können. Man fängt ja sogar schon an, sich über Kabinettsposten auszutauschen. Das finde ich ein bisschen wenig demütig vor dem Hintergrund der Tatsache, dass man noch kein Wahlergebnis hat. Man darf die SPD nicht unterschätzen. Wir sind so was wie die deutschen Meister der Aufholjagd.
Markus Appelmann
Und jetzt Herr Schweitzer kommen wir zu einer wahren Klagewelle, die auf das Land zurollt. Immer mehr Städte und Landkreise können den Haushalt nicht mehr ausgleichen. Schuld sei unter anderem das Land.
Dankerath in der Verbandsgemeinde Adenauer. Ein Minidorf mit rund 70 Einwohnern, ein Minidorf, das jetzt die Landesregierung verklagt. Zusammen mit 25 anderen Dörfern aus der Verbandsgemeinde wurde denn schon für die Pflichtaufgaben wie zum Beispiel Kanalsanierungen oder Straßenbeleuchtung fehlt das Geld. Und für freiwillige Leistungen ist erst recht kein Geld da.
Marco Collet (CDU), Ortsbürgermeister Dankerath
Es reicht einfach vorne und hinten nicht. Das ist einfach unser letzter Hilferuf zu sagen, bevor das System zusammenbricht, weil nach wie vor immer mehr Schulden aufgenommen werden müssen. Und so weiter und so fort. Dass Sie jetzt hier noch die letzte Möglichkeit haben, da gegenzusteuern.
Ob Dörfer, Städte oder Landkreise überall in Rheinland Pfalz ist es das gleiche Problem. Durch den neuen kommunalen Finanzausgleich gibt es zwar mehr Geld vom Land, aber dieses Geld reiche bei weitem nicht aus, um die ganzen Pflichtaufgaben, die der Bund und das Land vorgeben, zu bezahlen, sagt uns der Vorsitzende des Landkreistages.
Achim Schwickert (CDU), Vorsitzender des Landkreistages Rheinland-Pfalz: Das kreiden wir im Prinzip beiden höheren Ebenen an, denn die sind immer gerne dabei, neue Aufgaben für die Kommunen zu erfinden, streiten sich dann über die Finanzierung, setzen aber alles in Kraft, auch Rechtsansprüche gegen die Kommunen. Wir müssen sie dann erfüllen, egal, ob die Finanzkraft reicht oder nicht.
Eine Situation, die alle belastet, vom Landrat bis hin zum Ortsbürgermeister.
Marco Collet (CDU), Ortsbürgermeister Dankerath: Wir kriegen es ja auch ab von den Bürgerinnen und Bürger, die einfach klipp und klar sagen Wir bezahlen doch Steuern. Warum ist das hier nicht gemacht? Warum kann das hier nicht gemacht werden? Und dementsprechend kann ich viele Kolleginnen und Kollegen verstehen, die einfach mittlerweile resignieren und sagen Ich magister es nicht mehr, aber wir hier haben gesagt, im Verbund, wir kämpfen. Wir kämpfen für unsere Ortsgemeinden, damit die auch überleben können.
Markus Appelmann
Ja, er kämpft. Und hat gesagt, das zermürbe ihn. Das ist ein Bild, das wir in vielen Städten und Landkreisen bekommen. Jetzt haben sie den kommunalen Finanzausgleich neu geordnet und wir stehen wieder da. Das ist doch eine Mangelverwaltung, oder?
Alexander Schweitzer
Ich finde, Herr Schwickert, der Landrat hat ja völlig zu Recht gesagt, das Land ist jetzt in der Situation, Dinge auszugleichen, die das Land nicht selbst verursacht hat. Die Entscheidungen, die in Berlin getroffen wurden und das wird das Land nicht können. Das kann kein Bundesland.
Markus Appelmann
Es kann keine weitere höhere Ebene. Er spricht das Land auch an.
Alexander Schweitzer
Ja, und was die Ebene angeht, für die ich Verantwortung trage, das weiß Herr Schwickert auch. Sie wissen auch viele haben wir in den letzten Jahren den kommunalen Finanzausgleich. Das ist das Gesetz, in dem die unter anderem auch die Finanzzuwendungen des Landes an die Kommunen geht, innerhalb von wenigen Jahren verdoppelt, verdoppelt. Ich glaube, das zeigt eindrucksvoll, dass das Land seiner Aufgabe nachkommt. Wir haben in diesem Landeshaushalt, den ich jetzt verantworte, die Ausgaben für die Kommunen von Jahr zu Jahr von 8,5 auf 8,6 Milliarden € hochgebracht. Das sind Rekordsummen. Niemals gab es mehr Zuwendungen des Landes an die Kommunen. Und dass wir in einer wirtschaftlichen Situation sind, die wir gerade eben auch besprochen haben, das zeigt sich natürlich in den öffentlichen Haushalten. Es zeigt sich in den Haushalten des Bundes, der Länder, der Kommunen. Und es kann nicht nur die Aufgabe einer Ebene, nämlich die des Landes, sein, das alleine zu wuppen. Und darum bin ich sehr dafür, dass auch der Bund seiner Aufgabe nachkommt. Das hat er in den vergangenen Jahren nicht ausreichend getan. Übrigens egal welche Parteifarbe im Bund regiert hat, hat mannicht das getan, was die Länder gebraucht hätten. Wir haben in Rheinland Pfalz unsere Kommunen entschuldet. Mit 3,3 Milliarden € sind wir dabei unterwegs. Der Bund hat es bis heute noch nicht auf sich genommen. Das sind alles Beispiele, die ich deshalb nenne, weil es wichtig ist, dass die Kommunen stark ausgestattet sind. Ich habe ein neues Regionenprogramm auf den Weg gebracht: 200 Millionen € für Gemeinden, die besonders betroffen sind von Schwierigkeiten der wirtschaftlichen Entwicklung, der Demografie und der Kommunalfinanzen. Und das zusammengenommen zeigen deutlich Land Rheinland Pfalz macht das, was es tun kann.
Markus Appelmann
Weil sie gerade eben dieses Förderprogramm auch angesprochen haben. Lassen Sie uns mal in den Landkreis Südwestpfalz gehen und da hat uns Landrätin Susanne Ganz einmal gesagt, dass die Sozialkosten in den letzten Jahren nahezu explodiert sind. Vor allem die Kitakosten, aber auch die Flüchtlingsunterbringung. Und Mitte Dezember hat der Kreistag einstimmig den Weg zu einer Klage gegen die Landesregierung freigemacht. Die Landrätin spricht ganz klar unseren heutigen Studiogast an.
Susanne Ganster (CDU), Landrätin Kreis Südwestpfalz:
Sehr geehrter Herr Schweizer! Die finanzielle Lage in unserem Landkreis Südwestpfalz als einem der wirtschaftlich schwächsten in ganz Rheinland-Pfalz ist extrem angespannt. Unser Defizit beläuft sich im nächsten Jahr auf 21 Millionen €. Dieses Geld haben wir nicht, das haben auch unsere Ortsgemeinden nicht. Wir brauchen endlich eine finanziell ausreichende Ausstattung durch das Land für die Aufgaben, die wir übernommen haben für sie.
Markus Appelmann
Was antworten Sie Ihr?
Alexander Schweitzer
Ich sagte Frau Ganster einfach, Ich bin ihr sehr dankbar für den Hinweis was die Sozialausgaben angeht, und sie weiß es mindestens so gut wie ich auch, dass etwa das Thema Flüchtlinge, das Thema Eingliederungshilfe Dinge sind, die auf Bundesebene geregelt werden. Ich habe die Landräte und die Bürgermeister des Landes eingeladen, um zu sagen, lasst uns mal gemeinsam gucken, wie wir die Sozialkosten besser in den Griff bekommen. Das ist nämlich momentan nicht der Fall. Darum gehen die Haushalte auch nicht mehr zusammen. Und ich habe gleichzeitig auch deutlich gemacht Das, was wir tun können, tun wir mit einem Regionenprogramm, das insbesondere den Landkreis Südwestpfalz sehr stark auch positiv betreffen wird. Das weiß die Frau Ganster sehr gut und ich bin deshalb sehr froh, dass wir da auch demnächst auch in Gesprächen sein werden, was die Umsetzung angeht. Also das, was das Land tun kann, das tun wir mehr als jede Landesregierung davor. Und dann müssen andere Ebenen, die in Berlin und was die Kommunen selbst dazu beitragen können, um mit uns zusammen die Sozialkosten in den Griff zu bekommen. Das muss noch hinzukommen und daraus wird dann auch wirklich ein gemeinsames Paket. Es wird nicht funktionieren in diesen Zeiten – jeder Mensch weiß das auch aus seinem Privatleben – dass man immer nur auf andere zeigt, sondern man muss sich zusammensetzen. Ich habe dazu eingeladen und da muss man gemeinsam nach Lösungen suchen. Jeder kennt mein Angebot: Stärkste Steigerung der kommunalbezogenen Ausgaben in einem Landeshaushalt seit vielen, vielen Jahren. Und alles andere, was wir da noch zu besprechen haben, das besprechen wir an einem Tisch und da kommen wir sicherlich auch zu guten Lösungen.
Markus Appelmann
Herr Schweitzer, danke schön. Da machen wir einen Punkt unter das Politische und kommen zu einer schönen Tradition hier in 1730 Sat 1 live. Dass der Ministerpräsident noch mal ganz kurz direkt an unsere Zuschauer eine Botschaft richtet zum nahenden Wechsel zum Jahreswechsel. Kamera eins ist für sie.
Alexander Schweitzer
Ja, liebe Rheinland-Pfälzinnen, Rheinland-Pfälzer. Für mich war das ein ganz spannendes Jahr. Ich bin seit einigen wenigen Monaten Ministerpräsident des Landes Rheinland Pfalz und ich bin sehr stolz darauf, für Sie arbeiten zu dürfen, jeden Tag mit ihnen zusammen die Ärmel hochkrempeln zu können. Und ich will diese Arbeit gerne fortsetzen 2025, weil es liegt so viel vor uns, so viel, was mir Mut macht, was mich zuversichtlich werden lässt. Aber was natürlich auch mit großen Aufgaben vor uns steht. Und darum wünsche ich Ihnen einen guten Übergang in das Jahr 2025. Ich freue mich auf viele gute Begegnungen und ich freue mich, wenn ich weiterhin mit Ihnen zusammen für unser Land Rheinland Pfalz, das schönste Bundesland der ganzen Welt, auch arbeiten darf. Alles, alles Gute für Sie!
Markus Appelmann
Vielen Dank, Herr Schweitzer, für den Besuch heute hier im Studio und natürlich auch Ihnen und Ihrer Familie einen guten Rutsch und ein gutes, gesundes 2025.
Alexander Schweitzer
Dankeschön! Das wünsche ich Ihnen auch.
Markus Appelmann
Danke schön.