Zu Gast im Studio: Der rheinland-pfälzische Innenminister Michael Ebling

Fastnachter in Hessen und Rheinland-Pfalz hatten in den letzten Jahren wenig zu feiern. Durch die Corona-Pandemie mussten etliche Umzüge und Sitzungen abgesagt werden. Alle hatten ihre Hoffnung in das erste Jahr ohne Corona-Schutzmaßnahmen gesetzt. Doch in Rheinland-Pfalz verdirbt den Fastnachtern jetzt ein Gesetz die gute Laune.

Die Motivwagen des Mainzer-Carneval Vereins. Sie sind das Aushängeschild beim Rosenmontagsumzug. Nach zwei Jahren Pause sollen dieses Jahr wieder zehn satirische Motive durch die Stadt rollen. Doch beinahe wäre das ins Wasser gefallen. Grund: Der Mainzer Carneval-Verein hat zu wenig Geld. Denn die Kosten des Umzugs sind durch neue Sicherheitsauflagen des Landes in die Höhe geschossen. Die neuen Regeln belasten die ehrenamtlichen Organisatoren finanziell und zeitlich.
Hannsgeorg Schönig, Präsident Mainzer Carneval Verein
„Zeitlich deshalb, weil es sehr viele Rückfragen von der Ordnungsbehörde gibt, sehr viel Abstimmung. Sie müssen wissen, allein das Sicherheitskonzept für die närrischen Tage und den Rosenmontag, obwohl das zwei verschiedene Papiere sind, haben zusammen über 300 Din-A4 Seiten Regelungen, Vorgaben, Inhalte ganz verschiedener Art.“

Dazu kommen Kosten für mehr Sicherheitspersonal, Zäune und Parkplätze. Allein dafür gibt der MCV dieses Jahr 200.000 Euro aus, so der Präsident. 2015 seien es noch 40.000 Euro gewesen.
Hintergrund ist eine Änderung des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes von 2021. Diese erfordert verschärfte Sicherheitskonzepte bei Großveranstaltungen, um beispielsweise Terroranschläge zu verhindern.
Mainz kann die Mehrkosten mit Hilfe der Stadt gerade noch so stemmen. In Städten wie Bad Dürkheim, Ludwigshafen und Frankenthal mussten bereits Umzüge abgesagt werden. Bei den Fastnachtern in Frankenthal stoßen die verschärften Auflagen des Landes auf Unverständnis.

Thomas Kehl, Präsident Carnevalverein Chorania Frankenthal
„Was ich daran kritisiere, ist, dass wir im Prinzip komplett hier zumachen müssen, die Stadt abriegeln, dass kein Auto rein kann. Aber was ist mit den Autos, die in der Stadt sind? Hier sind Anwohner, die haben Garagen. Wenn die mit ihren Autos da reinfahren, dann müssen wir ja eigentlich hingehen und müssen sagen, wir machen es wie damals in Mainz, beim Besuch vom Präsident Bush, wir müssen alle Garagen zuschweißen. Das geht doch nicht.“

Komplette Sicherheit könne auch mit den neuen Sicherheitsauflagen keiner garantieren. Auch die Stadt bedauert, dass sie den Zug absagen musste. Die Kosten von 30.000 Euro wären zu hoch gewesen. Trotzdem versteht Oberbürgermeister Bernd Knöppel, dass die Fastnacht sicher sein sollte.

Bernd Knöppel, CDU, Oberbürgermeister Frankenthal
„Aus meiner Sicht wäre es in der jetzigen Situation sehr sinnvoll und meines Erachtens ein gangbarer Weg, wenn man einen runden Tisch einberufen würde aus Land, Kommunen und auch den Fastnachtsvereinen, um hier einfach eine Lösung zu erarbeiten, wie man in Zukunft den Fastnachtsumzug in den Kommunen sicherstellen kann.“
Als Ersatz soll es dieses Jahr ein Fastnachtsdorf geben. Wie und ob es nächstes Jahr wieder einen Umzug geben wird, ist noch unklar.
Eva Dieterle, Moderatorin: Ja und jetzt begrüße ich den rheinland-pfälzischen Innenminister bei mir, Michael Ebling. Guten Abend.
Michael Ebling, SPD, Innenminister Rheinland-Pfalz: Hallo. Guten Abend.
Dieterle: Herr Ebling. Sie sind ja selbst leidenschaftlicher Fasnachter auf der einen Seite, auf der anderen Seite der Innenminister, der für die Sicherheit verantwortlich ist, was zu diesen hohen Auflagen jetzt führt und natürlich manche Vereine an ihre Grenzen bringt. Wie fühlt sich dieser Spagat für Sie an?
Ebling: Einmal: Man soll feiern, man darf feiern – zum Glück wieder nach zwei Jahren – und an vielen Stellen wird das auch möglich gemacht, dank unzähliger Ehrenamtlicher. Aber man muss auch sicher feiern können. Wenn eine Stadt, ob Frankenthal oder Mainz, was jetzt extrem groß ist, Gäste einlädt, dann sollen die unbeschwert feiern können. Und dafür braucht es dann eben auch entsprechende Konzepte und manchmal auch einen erheblichen Aufwand. Das ist nicht zu leugnen.
Aber wir dürfen nicht vergessen, es gibt Gefahrenlagen, wenn viele Menschen auf einem Fleck sind. Erinnern wir uns: 2020, noch einer der letzten Rosenmontagszugumzüge, in Hessen ist ein Auto in eine Gruppe gefahren. Über 100 Menschen waren verletzt. Also wir wollen unbeschwert feiern und das ist nicht möglich, ohne dass es auch bestimmte Auflagen gibt.
Aber das ins Verhältnis zu bringen, das ist auch eine Aufgabe der örtlichen Ordnungsbehörden. Und das scheint an vielen Stellen gut zu funktionieren.
Dieterle: Wir haben die Vereine gerade gehört. Nach Corona kommen sie jetzt mit dem Polizei- und Ordnungsbehörden-Gesetz, das doch sehr viele Auflagen hat. Es geht um Straßensicherung, um Absperrungen, um Parkplätze, um mehr Personal und so weiter, und, ja, einige Vereine und einige Städte können sich das ja schlicht nicht mehr leisten. Das kann doch nicht die Lösung sein, dass das da nicht mehr stattfindet.
Ebling: Nein, die Lösung kann nicht sein, dass es nicht mehr stattfindet, sondern die Lösung muss sein, dass man Lösungen findet. Ich sage mal, wo der Wille ist, da ist bestimmt auch ein Weg. Wir hatten jetzt eine Art von, ich nenne es mal “Corona-Kaltstart”, zwei Jahre nichts, jetzt wieder zu mobilisieren. Noch vor wenigen Wochen waren einige gar nicht sich sicher, wird es überhaupt Fastnacht geben?
Also insofern, jetzt schnell aus dem Stand etwas zu machen und das dann anzupassen, da merken wir, gibt es vor Ort viele Schwierigkeiten, nicht nur Sicherheitsauflagen, sondern dass manche Ehrenamtliche sozusagen auch gar nicht mehr zur Verfügung stehen. Dass, wie auch konkret Frankenthal sagen musste, der Zug wäre viel, viel kleiner geworden, und dann eine Stadt für sich auch entscheidet, dass vielleicht der Aufwand nicht mehr im Verhältnis zu dem steht, was er quasi an Freude bringen kann.
Insofern habe ich ein hohes Zutrauen auch in diese örtlichen Behörden zu sagen: Je nach konkreter Situation muss dann eben auch ein Konzept angepasst werden. Das bedeutet nicht, Garagen zuzuschweißen, wie wir es eben gehört haben, aber kann schon bedeuten, auch mit LKWs oder PKWs auch Straßensperren im positiven Sinne zu bilden. Aber das ist eine Betrachtung, die muss vor Ort stattfinden, vor dem ganz konkreten Hintergrund.
Das Landesgesetz sagt zunächst erst mal nur: Wenn du eine Großveranstaltung hast, dann brauchst du ein Konzept. Das ist sozusagen eigentlich die eigentliche Regelung.
Dieterle: Fakt ist aber, dass einige Umzüge abgesagt worden sind. Viele sehen da jetzt ein altes Brauchtum in Gefahr. Sie nicht.
Ebling: Ich möchte nicht, dass dieses Brauchtum in Gefahr kommt. Deswegen werden wir jetzt auch noch mal die Ordnungsbehörden auch einladen zum Austausch, auch im Sinne einer Erfahrung oder eines Best Practice, denn wir sehen ja, an vielen Stellen ist es möglich geworden und deshalb soll man auch davon lernen können. Und ich werde auch selbst natürlich noch mal Verbände und auch Fastnachtsvereine einladen, auch zu einer Runde, auch ein Stückweit, um eine gemeinsame Verständnisebene zu bekommen.
Denn notwendig ist es schon, dass wir uns über Sicherheit auch klar committen können. Wir können nicht einfach so sagen, wir laden mal beliebig viele 1000 Menschen in eine Stadt ein und gucken wir mal, dass nichts passiert. Das wäre ganz schön gewagt angesichts der doch teilweise sehr schlimmen Erfahrungen, die wir in Deutschland auch machen mussten.
Dieterle: Sie signalisieren Gesprächsbereitschaft. Wir sind gespannt, was dann dabei rumkommt. Herr Ebling, Sie bleiben noch bei uns, denn ich möchte mit Ihnen noch über ein anderes Thema sprechen, und zwar über den Katastrophenschutz. Gerade hat das Land in Koblenz einen neuen Stabsraum für den Ernstfall präsentiert.
Die Menschen in Rheinland-Pfalz erwarten einen besseren Katastrophenschutz. Diese Aufgabe liegt beim Innenminister Michael Ebling.
Letzte Woche hat er in Koblenz eine neue Einsatz-Stabsstelle vorgestellt. Mit neuer Technik und Räumen fürs Personal.
Ebling will außerdem ein landesweites Lagezentrum einrichten. Zusätzlich. Es ist verwirrend. Wozu ist die Stabsstelle in Koblenz gut, wenn ein Lagezentrum erst noch kommen soll?
Der Kieler Krisen-Forscher Frank Roselieb kritisiert scharf:
„Das liest sich sehr viel nach Katastrophen-Verwaltung in der Spitze. Und wenig Katastrophen-Management in der Fläche.“
Außerdem hat der Minister dieses zukünftige Lagezentrum als „Novum“ angekündigt. Also als erstes seiner Art in einem Flächenland in Deutschland.
Doch das stimmt so nicht. Im Nachbarland Hessen gibt es das bereits.
Wenn so ein Lagezentrum dann auch in Rheinland-Pfalz kommt: Es soll rund um die Uhr besetzt sein. 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Die Opposition findet das unnötig:
Stephan Wefelscheid, Freie Wähler, AbgeordneterLandtag Rheinland-Pfalz
„Man kann an dem Sinn zweifeln, ob 24/7 für die höchste Katastrophenstufe erforderlich ist. Da wird natürlich in der überwiegenden Zeit Däumchendrehen an der Tagesordnung sein.“
Dazu braucht ein Lagezentrum eine moderne, digitale Infrastruktur. Unmengen unterschiedlicher Daten müssen verarbeitet werden. Für Prognose-Modelle braucht es leistungsfähige Software, Künstliche Intelligenz.
Aber all das ist zumindest bisher nicht in Sicht.
Dieterle: Ja, Herr Ebling, wir haben den Krisenforscher gerade schon im Beitrag gehabt. Er sagt, es wäre kein großer Wurf, ihr Konzept, es wäre eher Aktionismus und nichts Handfestes. Was entgegnen Sie dieser Kritik?
Ebling: Wir wollen den Katastrophenschutz neu aufstellen, wir müssen ihn auch neu aufstellen. Wir haben nicht zuletzt durch den Klimawandel die Befürchtung, dass, ich sage das mal salopp, die Einschläge auch dichter werden. Und dafür brauchen wir handlungsfähige Strukturen, auch auf der Ebene des Landes. Das ist neu für das Land Rheinland-Pfalz, deswegen auch ein neuer Stabsraum, weil es eine solche Einrichtung vorher nicht gab.
Aber es geht natürlich auch darum, dass wir das gemeinsam mit den Trägern von Brand- und Katastrophenschutz im Land entwickeln. Das sind die Kommunen, die Landkreise, die kreisfreien Städte. Deswegen auch heute schon direkt eine Sitzung eines neuen Landesbeirates für Katastrophenschutz. Also wir fügen die unterschiedlichen Ebenen zu zusammen, wir stärken sie personell – auch das ist ein Beginn in diesem Jahr jetzt – und wir wollen tatsächlich einen Lageüberblick haben für den Blickpunkt Katastrophenschutz, Bevölkerungsschutz und das bauen wir jetzt auch in den nächsten Wochen auf.
Dieterle: Auf dieses neue Lagezentrum will ich zu sprechen kommen. Sie haben das als Meilenstein bezeichnet. Wie konkret sind denn da die Planungen schon?
Ebling: Es gibt verschiedene Meilensteine. Am Ende steht ein eigenes Landesamt für Katastrophenschutz, was einfach deutlich macht, wir wollen Kompetenzen bündeln, wir wollen in der Ausbildung, in der Qualifizierung auch der vielen 1000 Ehrenamtlichen besser werden. Aber wir wollen auch einen ständigen Überblick haben über das, was sich tut. Denken wir an Wetterereignisse. Die müssen beobachtet werden, die müssen bewertet, analysiert werden.
Und da bietet sich’s an und genau das wollen wir machen, dass man 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche auf ein Lagezentrum zurückgreifen kann, das diesen Überblick behält und dann im richtigen Moment auch vorwarnen kann in die richtigen sozusagen Prozesse in Gang setzt, dass vor Ort gegebenenfalls dann eben die Schritte eingeleitet werden, um die Menschen optimal zu schützen.
Dieterle: Stellen wir uns eine Großlage vor, wie eben die Flutkatastrophe oder flächendeckende Waldbrände, die über mehrere Landkreise hinweggehen. Wo wären denn dann die Punkte, die vorher nicht da waren, die dann anders gemacht werden könnten?
Ebling: Zum einen, dass das Land selbst sich in die Lage versetzt, eine solche Lage zu führen, also ein Ereignis – bleiben wir jetzt bei einem großflächigen Waldbrand, der mehrere Landkreise betreffen könnte – dann eben auch eine Führung durch Seiten des Landes überregional eine Konzentration der Kräfte und auch eine Steuerung der Kräfte durch das Land. Dazu braucht es eben genau so etwas wie diesen Stabsraum.
Aber wir wollen natürlich auch dauerhaft in der Fläche qualifizierte Menschen haben, die dann im Fall der Fälle konkret Hilfe leisten können. Dafür bauen wir auch unsere Akademiestrukturen auf, dass mehr Menschen aus dem Feuerwehr, aus dem Katastrophenschutz auch qualifiziert werden können. Also es gibt viele Meilensteine auf dem Weg zur Neuaufstellung.
Dieterle: Wir haben es gerade gehört, ganz wichtig ist auch eine Digitalisierung, eine allumfassende Strategie. Wie weit sind Sie da?
Ebling: Wir arbeiten auch ganz konkret mit der ersten Erfahrungen aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz, auch mit Wissen aus Rheinland-Pfalz, konkret vom DfKI in Kaiserslautern, was schon in den entsprechenden regionalen integrierten Leitstellen geprobt wird. Also ja, wir brauchen auch einen Aufschluss natürlich an die modernen Techniken, aber das wird auch gewährleistet sein.
Dieterle: Wir sind jetzt eineinhalb Jahre nach der Flutkatastrophe. Wann wird das Ganze an den Start gehen?
Ebling: Wir sind ab jetzt in der Lage, eben Lagen zu führen seitens des Landes. Wir sind die jetzt in die Lage gesetzt worden, auch den personellen Aufbau – wir reden über 55 Menschen, die diesen Katastrophenschutz auf der Ebene des Landes verstärken, die werden natürlich jetzt auch ausgeschrieben. Wir haben technische Voraussetzungen für den Stabsraum geschaffen. Wir werden in den nächsten Wochen uns Voraussetzungen schaffen, diese 24/7-Lagen auch zu machen.
Also wir gehen es konsequent an, aber auf dem Weg dorthin werden wir noch die Legislaturperiode bis 2026 natürlich auch brauchen.
Dieterle: Es bleibt spannend. Wir werden beobachten, wie sich das weiterentwickelt. Herr Ebling vielen Dank, dass Sie heute hier waren.

Ebling: Danke schön.