Zu Gast im Studio: Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein

Herzlich willkommen zu 17 30 Sat 1 live. Ja, liebe Zuschauer, eigentlich wollten wir heute direkt mit unserer Sondersendung mit dem hessischen Ministerpräsident starten, die wir vor kurzem aufgezeichnet haben. Doch kurz danach hat sich der tödliche Anschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt ereignet, der Deutschland schockiert hat.

Deshalb habe ich Boris Rhein nach dem Anschlag noch mal kurz in Frankfurt getroffen, um mit ihm auch darüber zu reden. Doch jetzt schauen wir zuerst noch mal auf das, was in Magdeburg geschehen ist und auf den aktuellen Stand.
Es sind verstörende Bilder. Vier Tage vor Heiligabend rast ein Auto in den Magdeburger Weihnachtsmarkt. Fünf Menschen sterben, über 200 werden verletzt, viele davon schwer. Der mutmaßliche Täter Taleba sitzt mittlerweile in Untersuchungshaft. Der 50-jährige ist ein als Islamkritiker bekannter Arzt aus Bernburg, der 2006 als Flüchtling von Saudi Arabien nach Deutschland kam. In den vergangenen Jahren erhob er immer wieder Vorwürfe gegen deutsche Behörden, warf ihnen vor, den Islamismus zu fördern. In den sozialen Medien verbreitete er Drohungen. Viele Fragen sind noch unbeantwortet. Fest steht aber Das Sicherheitskonzept in Magdeburg hat versagt. Die Betroffenheit ist auch heute, eine Woche nach der Tat groß. Und das nicht nur in Sachsen Anhalt, sondern in ganz Deutschland.
Eva Dieterle:
Herr Ministerpräsident, Wie blicken Sie auf den Anschlag in Magdeburg?
Boris Rhein:
Ja, das ist ein ganz furchtbares, feiges Attentat, was hier stattgefunden hat. Und ich muss Ihnen sagen, das trifft uns alle wirklich tief ins Mark. Man muss sich das vorstellen, dass ist ein Weihnachtsmarkt, ein Weihnachtsmarkt auf den Familien gehen, auf den vor allem auch Kinder gerne gehen, mit der großen Freude auf Weihnachten. Und dann findet ein solches furchtbares Attentat statt. Hier sind ganze Familien, viele Menschen wirklich ins Unglück gestürzt worden durch einen solchen furchtbaren, feigen Attentäter.
Eva Dieterle:
Solche Geschehnisse machen was mit den Menschen in ganz Deutschland. Das erschüttert unser Sicherheitsgefühl zutiefst. Wir sagen zwar immer, dass wir uns unsere freie Art zu leben nicht nehmen lassen. Aber könnte das nicht doch passieren, dass Menschen Angst haben und dann deswegen zu Hause bleiben?
Boris Rhein:
Ja, natürlich macht den Menschen das Sorge. Und das treibt auch die Menschen um. Aber ich kann sehr deutlich sagen: Wir dürfen uns unsere freie Art zu leben nicht nehmen lassen. Und wir müssen weiter auf Veranstaltungen gehen. Dann haben nämlich, wenn das Gegenteil stattfindet, genau die Attentäter das geschafft, was sie ja bewirken wollen durch solche Attentate. Und deswegen: Wir sollten uns zeigen, sollten rausgehen. Und wir sollten auch deutlich machen wir lassen uns unsere Art zu leben nicht nehmen.
Eva Dieterle:
Die nächsten großen Partys und Veranstaltungen, die jetzt anstehen, sind die Silvesterpartys, unter anderem auch in Frankfurt. Wie geht Hessen damit um? Wird die Polizeipräsenz noch mal erhöht werden?
Boris Rhein: Ja, wir hatten insgesamt nach dem Attentat sehr konsequent und sehr strikt reagiert. Wir haben die Polizeipräsenz noch mal erhöht, die ohnedies schon sehr stark war. Wir haben damals auf den Weihnachtsmärkten natürlich noch mal die Zufahrtssituation verändert. Und auch an Silvester sind die Menschen sicher und können die Menschen sich darauf verlassen, dass die hessische Polizei die Situation sehr ernst nimmt, wir sehr intensiv vor Ort unterwegs sind und die Polizeipräsenz auch dafür sorgen wird, dass die Menschen sicher den Jahreswechsel feiern können.
Eva Dieterle: So viel zum aktuellen Stand, Herr Rhein. Vielen Dank!
Boris Rhein:
Ja, ich bedanke mich sehr herzlich.
Eva Dieterle:
Ja und klar ist auch, dieser Anschlag wird auch den Bundestagswahlkampf verändern. Und dazu kommen wir jetzt. Im Februar wird neu gewählt und noch liegt die Union mit großem Abstand weit vor allen anderen Parteien.
Seit heute steht es fest Am 23. Februar wird gewählt. CDU Chef Friedrich Merz verspricht, falls er die Wahl gewinnt, werde es in Deutschland einen drastischen Politikwechsel geben. Klar ist aber auch: Um regieren zu können, wird sich die Union einen Koalitions spartner suchen müssen. Merz hat sich in den vergangenen Wochen auch für eine mögliche Koalition mit den Grünen offen gezeigt. Und auch CDU Generalsekretär Carsten Linnemann sagt, der von der CDU beworbene Politikwechsel sei mit diesen Grünen unmöglich. CSU Chef Markus Söder geht noch weiter. Er sagt, er wolle ein Veto gegen eine schwarz grüne Koalition einlegen. Aussagen, die für den Wahlkämpfer Friedrich Merz immer mehr zum Problem werden. Denn eigentlich wollte er sich alle Optionen offenhalten. Wohl vor allem, um in den Koalitionsverhandlungen eine bessere Position zu haben. Genauso wie es der hessische Ministerpräsident Boris Rhein bei der letzten Landtagswahl auch gemacht hat.
Eva Dieterle:
Ja, Herr Rhein, starten möchte ich mit dieser öffentlichen Diskussion darüber in der Union, ob jetzt die Grünen ein möglicher Koalitionspartner sein können oder nicht. Das erinnert doch schon ziemlich an den missglückten Bundestagswahlkampf von 2021. Ja, solche Widersprüche, so ein öffentlicher Streit, der verunsichert die Wähler. Das kann doch der Union, der CDU nur schaden.
Boris Rhein:
Also wir haben keinen Streit. Wirklich keinesfalls. Ganz im Gegenteil. Wir sind sehr einig. So einig wie Union selten zuvor war CDU und CSU zusammen, und das macht mich doch sehr optimistisch. Und das ist auch ein gutes Gefühl.
Eva Dieterle:
Aber Sie müssen zugeben, nicht bei jeder Frage.
Boris Rhein:
Aber ich beteilige mich nicht an diesen Diskussionen. Ich glaube, dass wir erst mal die Wahl gewinnen müssen. Und die müssen wir so stark wie möglich gewinnen. Die Wahl, damit wir uns den Koalitionspartner auswählen können und insbesondere, dass wir das so machen können wie in Hessen, dass wir wirklich so viel Union, so viel CDU umsetzen können, wie nur irgendwie möglich ist. Das ist aus meiner Sicht der richtige Weg.
Eva Dieterle:
Auf Hessen schauen wir gleich noch. Ich möchte noch mal bei dieser öffentlichen Diskussion, die es ja nun mal gegeben hat, dies auch immer noch gibt, bleiben. Diese ganzen Diskussionen in der Öffentlichkeit, haben am Ende der Ampel das Genick gebrochen und die Union hat jetzt nichts besseres zu tun, als es nachzumachen. Warum diese Manöver?
Boris Rhein: Ach, na ja, es gibt da die eine Meinung und es gibt dort die andere Meinung. Das ist ganz normal. CDU und CSU sind zwar eine Gemeinschaft, aber wir sind schon auch zwei verschiedene Parteien mit teilweise auch zwei verschiedenen Ansätzen.
Eva Dieterle:
Es gibt hier aber auch in der CDU unterschiedliche Meinungen.
Boris Rhein:Sicher, natürlich, aber da bin ich doch sehr, ich sage es mal so vorsichtig. Bei Wahlen immer erst mal eine Wahl gewinnen und am Wahlabend wissen wir, wie es dann weitergeht. Das kann man wirklich nicht vorher sagen. Deswegen. Ich rate solche Diskussionen gar nicht zu führen und schon gar nicht solche. Ich nenne das nicht Streitereien. Aber solche Meinungsverschiedenheiten wirklich so auszudiskutieren, wie das passiert. Ich rate dazu, ganz gelassen wirklich den Abend des 23.Februar abzuwarten. Ich denke, um 19 Uhr 20 wissen wir ungefähr Bescheid, wo der Hase hinläuft. Und dann können wir uns unterhalten, mit wem wir möglicherweise eine Koalition eingehen. Das ist ja wahrscheinlich eher unwahrscheinlich, dass wir eine absolute Mehrheit haben und deswegen abwarten und dann entscheiden, dass das Fell des Bären neu verteilt an die eigene Partei.
Eva Dieterle:
In Hessen haben Sie sich gegen eine Koalition mit den Grünen entschieden. Auch weil es bei wichtigen Themen wie Innere Sicherheit, Migration, Landwirtschaft zu große Differenzen gab. Auf Bundesebene sehen Sie das anders oder sehen Sie eine Chance mit den Grünen?
Boris Rhein:
Na ja, wie gesagt, also ich bin dafür, erst mal auszuloten, was geht mit wem. Und das haben wir in Hessen ja auch so gemacht. Wir haben ja 6 bis 7 Wochen sondiert. Also es ist ja schon eine verhältnismäßig lange Zeit, um wirklich ausprobieren zu können und auch ausdiskutieren zu können mit dem möglichen Partner. Was ist möglich und was ist nicht möglich? Worauf können wir uns verlassen? So und auf hessischer Ebene waren es insbesondere die Themen der Migration, also Zuzug, die innere Sicherheit und auch die Landwirtschaft. In der Tat, auf Bundesebene gibt es verschiedene andere Themen, wo aus meiner Sicht wir der SPD näher sind. Ich meine, wir sind Volksparteien, SPD und CDU, da sind wir uns ohnedies nahe. Und es gibt Themen, da sind wir auch den Grünen nahe, beispielsweise im Umgang mit der Ukraine und im Umgang mit Wladimir Putin.
Eva Dieterle:
Also soll der Bund quasi so verfahren, wie Sie das in Hessen gemacht haben, beide Optionen offenhalten, um dann in den wichtigen Koalitionsverhandlungen am Ende SPD und Grüne auch gegeneinander ausspielen zu können?
Boris Rhein:
Wenn wir diese Koalitionsverhandlungen zu führen haben als CDU/ CSU würde ich das empfehlen. Aber auch das kommt auf den Wahlabend und das kommt aufs Ergebnis an, wer am Ende Koalitionsverhandlungen führt. Ich würde es jedenfalls so machen, wie wir es in Hessen gemacht haben. Es ist ja nicht ganz erfolglos gewesen.
Eva Dieterle:
Und dass sich Friedrich Merz durchaus einen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ja zumindest vorstellen kann, und das, obwohl die Wirtschaft in Deutschland zum Zweiten Jahr in Folge schrumpft. Wie stehen Sie dazu?
Boris Rhein:
Das hat er ja so konkret nicht gesagt. Und ich will dazu sagen also auch das ist eine Frage, die können wir erst nach der Wahl entscheiden und diskutieren. Das Fell des Bären zerteilt man doch nicht vor einer Wahl. Aber auch das will ich sehr deutlich hinzufügen: Für die katastrophale wirtschaftliche Situation, in der wir uns befinden, ist die gesamte Ampel zuständig und verantwortlich, aber natürlich auch der Bundeswirtschaftsminister und der heißt Robert Habeck und gehört den Grünen an.
Eva Dieterle:
Jetzt gibt es in Hessen ja seit einem Jahr schwarz-rot. Was läuft denn deutlich besser mit der SPD als mit den Grünen?
Boris Rhein::
Na ja, ich habe, ich habe das mal durchgezählt. Ich gehöre jetzt im fünften Kabinett an, und ich habe selten erlebt, dass in einem Jahr in einem Kabinett so viel umgesetzt worden ist wie jetzt bei uns beispielsweise. Wir verschärfen gerade unser Sicherheits- und Ordnungsgesetz. Wir sind wirklich Vorreiter in Deutschland mit dem, was wir machen. Wir haben beispielsweise die IP-Adressdatenspeicherung in den Bundestag gebracht. Wir könnten damit einen jahrelangen, eine jahrelange Diskussion positiv beenden. Wir haben beispielsweise die meiste Ausbildung kostenlos gemacht in Hessen. Wir haben beispielsweise auch versprochen, den Wolf ins Jagdrecht umzusetzen. Das haben wir jetzt gemacht. Der Wolf ist jetzt bald bejagbar. Wenn Europa Ja sagt, und wir haben noch was gemacht. Wir haben das Hessengeld eingeführt, das ermöglicht Familien, die ins Eigenheim ziehen wollen, das eben steuerfrei zu tun.
Eva Dieterle:
Herr Rhein, wir schauen jetzt mal auf das, was in Hessen nicht so gut läuft. Das sind die Finanzen. Wir haben es gerade gesagt, die Wirtschaft schrumpft das zweite Jahr in Folge. Damit sinken auch die Steuereinnahmen. Und das heißt, das Land muss sparen
Die Beamten in Hessen, sie sind sauer. Eigentlich sollte ihre Besoldung ab August kommenden Jahres um 5,5 % erhöht werden. Das war beschlossene Sache. Doch jetzt will Schwarz rot diese Erhöhung verschieben um vier Monate. So sollen rund 180 Millionen € eingespart werden. Der Beamtenbund und die Gewerkschaft der Polizei sprechen von Wortbruch. Noch im September hatten Ministerpräsident Boris Rhein und Innenminister Roman Poseck eine Kampagne für Einsatzkräfte vorgestellt. Denn Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst verdienten höchste Wertschätzung und Respekt. Doch respektiert und wertgeschätzt fühlen sich die Polizeibeamten in Hessen in diesen Tagen nicht.
Jens Mohrherr, Landesvorsitzender Gewerkschaft der Polizei Hessen
Wo Respekt draufsteht, muss auch Respekt drin sein. Und Wertschätzung muss sich natürlich auch in Gehalt ausdrücken. Und hier fühlen wir uns massiv missbraucht. Und das Vertrauen zur Landesregierung ist derzeit unterbrochen wie eine Brücke, die einseitig gekappt wurde und eingestürzt ist.
Eva Dieterle:
Ja, so sieht mangelnder Respekt aus, sagt die Gewerkschaft der Polizei. Was sagt der Ministerpräsident dazu?
Boris Rhein::
Ja, das ist nicht so, also zunächst mal steigt die Besoldung ja im nächsten Jahr nicht um 5,5, sondern um ganze 10 %. Das haben wir übertragen vom Tarifbereich auf den Beamtenbereich 10 %. Das ist ein Rekord. Das hat es noch nie zuvor gegeben. Und die Besoldung steigt ja, sie ist nur ein bisschen verzögert worden, von August, von August auf Dezember. Und ich verstehe, dass Beamtinnen und Beamte darüber verärgert sind, Verstehe ich sehr gut. Aber wir sind in einer Haushaltssituation wie noch nie zuvor. Wir müssen 3 Milliarden € einsparen, und wir wollen eben keinen sozialen Kahlschlag. Wir wollen eben nicht bei der inneren Sicherheit sparen. Wir wollen nicht beispielsweise bei der Bildung sparen. Das sind unsere Prioritäten. Und deswegen haben wir oder bitten wir die Beamten einzusehen, dass wir eben diese 5 % – die die ersten 5 % werden ja erhöht, die zweiten 5 % kommen etwas später – das wirklich mitzu zugehen eben aufgrund der katastrophalen Konjunktur, die wir der Ampelpolitik aus Berlin zu verdanken haben.
Eva Dieterle:
Die Beamten sprechen von einem Vertrauensbruch. Auch der Deutsche Beamtenbund in Hessen hat eine ganz klare Meinung dazu. Auch da hören wir jetzt mal rein.
Heini Schmitt, Voristzender dbb Hessen:
Wir haben als dbb hessen in der vergangenen Legislaturperiode massiv dafür geworben, dieser Landesregierung auch in der neuen Legislaturperiode zu vertrauen, weil es konkrete Zusagen gab und Absprachen gab, dass weitere Schritte lineare Anpassung erfolgen werden. Das ist jetzt erst mal auf Eis gelegt. Und im Gegenteil, es wird den Beamtinnen und Beamten jetzt wieder Geld aus der Tasche genommen. Also das kann man nicht anders am Ende dann feststellen: Das Vertrauen ist zerstört, die Empörung ist zu groß. Das kann man in Worte nicht beschreiben.
Eva Dieterle:
Ja, Herr Rhein, Die Empörung ist groß und da möchte ich noch mal nachhaken. Sie haben etwas zugesagt, was jetzt am Ende nicht eintrifft. Das ist doch nichts anderes als Vertrauensbruch.
Boris Rhein:
Das trifft ja nicht zu, dass etwas zugesagt worden ist, was nicht eingelöst wird. Es erfolgt eine Erhöhung um 10 % bei den Beamten, die einen sicheren Arbeitsplatz haben. Um uns herum verlieren die Menschen all ihre Arbeitsplätze. Schauen Sie mal zu ThyssenKrupp.Schauen Sie mal zu Opel. Schauen Sie mal zu VW, Schauen Sie mal zu ZF Friedrichshafen und zwar in Tausenderhöhe verlieren die Menschen gerade ihren Job. Hier haben wir es mit Beamten zu tun. Die sind sicher, die können ihren Job nicht verlieren. Und unsere Bitte an Sie ist einfach, damit wir nicht in die sozialen Bereiche kürzen müssen, in den Bildungsbereich kürzen müssen, in viele andere Bereiche kürzen müssen. zu akzeptieren, dass vier Monate lang die zweite Besoldungserhöhung 5 % verschoben werden. Das ist die Bitte der Landesregierung, und ich glaube, das ist vertretbar. Das ist ein vertretbares Opfer dafür, dass man im Gegenzug einen wirklich sicheren Job hat, den man nicht verlieren kann.
Eva Dieterle::
Aber das ist ja keine Bitte. Die Beamten müssen das jetzt so akzeptieren, wie es ist. Ich denke, es sind trotzdem beide Standpunkte deutlich geworden. Geldsorgen, die hat nicht nur die Landesregierung, sondern die haben auch die Kommunen. Viele schaffen es nicht mehr, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, so auch der Rheingau Taunus Kreis.
Finanzkrise im Rheingau Taunus Kreis 30 Millionen € fehlen im Haushalt für das kommende Jahr. Und das, obwohl das Land den kommunalen Finanzausgleich bereits erhöht hat.
Sandro Zehner (CDU), Landrat Rheingau-Taunus-Kreis: Der kommunalen Finanzausgleich hat in absoluten Zahlen eine Höhe, wie sie noch nie war. Leider sind die Aufwände schneller gestiegen und auch höher gestiegen.
Heißt schon die Pflichtaufgaben sind kaum zu finanzieren. Und für freiwillige Ausgaben, zum Beispiel für Vereine, Beratungsstellen oder ehrenamtliche Leistungen dafür fehlt schlicht das Geld.
Sandro Zehner (CDU), Landrat Rheingau-Taunus-Kreis:
Wenn die plötzlich gestrichen werden, aber gleichzeitig sozusagen man man den Staat nicht mehr als handlungsfähig erlebt, aber jeden Monat auf seiner Steuererklärung sieht, was alles abgezogen wird, dann glaube ich, erwächst daraus ein großes Frustrationspotenzial. Das ist gefährlich, weil es am Ende politische Ränder stärkt.
Und diese Gefahr besteht nicht nur hier im Rheingau Taunus Kreis.
Michael Koch (CDU), Direktor Landkreistag Hessen
Wenn Sie keine genehmigungsfähigen Haushalte mehr bekommen findetkommunale Selbstverwaltung nicht mehr Stadt. Wir haben hessenweit Millionen Defizite. Und man muss ganz klar sagen Die Finanzsituation der kommunalen Ebene war seit zehn Jahren nicht mehr so angespannt, wie sie im Augenblick ist.
Eva Dieterle:
Der Rheingau Taunus Kreis ist ja bei weitem nicht der einzige Kreis, der ja solche großen finanziellen Schwierigkeiten hat. Das muss Sie als Ministerpräsident doch umtreiben.
Boris Rhein:
Ja, das treibt mich sogar sehr um. Und der Landrat hat ja recht, wenn er das sagt. Mehr und mehr Aufgaben werden auf die Länder und die Kommunen übertragen, vom Bund beispielsweise, ohne dass es dafür eine adäquate Kostenerstattung gibt. Nehmen Sie mal die Flüchtlingskosten. Den Schlüssel für die Begrenzung und die Steuerung der Zuwanderung hat nur der Bund in der Hand. Aber wir sind ja wie Bettler aufgetreten in Berlin, die 16 Ministerpräsidenten der Länder, um Geld vom Bund zu bekommen zur Bewältigung der Krise. Wir in Hessen haben das Geld weitergegeben, aber es reicht lange nicht. Es reicht lange nicht. Wir sind am Ende. Und deswegen sagen wir beispielsweise in als CDU/ CSU. Wir müssen an den Grenzen zurückweisen. Wir können diese Lage nicht mehr verkraften, auch gar nicht mehr bezahlen. Und sie schlägt sich ja dann bei den Kommunen nieder. Und das gibt es in ganz vielen anderen oder gibt es mit ganz vielen anderen Beispielen auch. Und deswegen plädiere ich sehr dafür, dass wir die Bund-Länder-Beziehungen, die Finanzbeziehungen entflechten und insbesondere das machen, was wir mit den Kommunen machen. Wenn wir dem Kommunen Aufgaben übertragen als Land gibt es das sogenannte Konnexitätsprinzip, Das heißt, wir müssen es dann auch bezahlen. Das gilt für den Bund und uns nicht, und das müssen wir einführen. Und das wird eine neue, neue Bundesregierung mit mir diskutieren müssen. Ich werde darauf bestehen, dass das kommt, weil es auch dann am Ende den Kommunen hilft.
Eva Dieterle:
Man hat das Gefühl, dass Politik aktuell nur noch bedeutet, Mangel zu verwalten, viel weniger als überhaupt noch zu gestalten.
Boris Rhein:
Na ja, so ist es ja nicht. Glücklicherweise sind wir nach wie vor in Europa eines der wohlhabenden Länder in der Welt sowieso, also. Aber so schlecht nicht. In der Tat. Weil die Aufgaben viel geworden ist, weil die Herausforderungen sehr komplex geworden sind und auch damit sehr teuer geworden sind. Und trotzdem wird sehr viel gestaltet. Ich muss ganz ehrlich sagen, wenn ich mir mal anschaue, was wir als Landesregierung in den zurückliegenden Monaten gestaltet haben, das ist schon enorm. Da ist schon viel vorangekommen. Wir haben wirklich in Hessen viel Neues gemacht und Neues gestaltet, und das gibt mir ein gutes Gefühl. Aber die Zeiten werden nicht einfacher. Das stimmt leider.
Eva Dieterle:
Es gibt ja massive Unterschiede zwischen der Asylpolitik, die die Union umsetzen will, und die der SPD. Wenn wir jetzt mal in die Zukunft schauen und über eine mögliche Koalition nachdenken. Da würde man doch bei einem so großen und wichtigen Thema am Ende wieder nur beim kleinsten gemeinsamen Nenner landen können. Und das löst ja am Ende nicht die Probleme.
Eva Dieterle:
Ich bin mir gar nicht so sicher, dass es so große Unterschiede zwischen Union und SPD gibt. Bislang haben insbesondere die Grünen bei dem Thema gebremst, ja, beispielsweise im Bundestag die Bezahlkarte verhindern wollen. Das muss man sich mal vorstellen. Eigentlich sind die Grünen der Bremser. Sie behindern auch die Ausweitung weiterer sicherer Herkunftsländer. Ich glaube, wir sind uns mit der SPD in der Frage gar nicht so fern. Und wie wir in Hessen sehen, ist es möglich, mit der SPD eine wirklich sehr strikte und straffe Zuwanderungspolitik zu formulieren.
Eva Dieterle:
Würden Sie der These zustimmen, dass wenn es den Parteien der Mitte jetzt in der nächsten Legislaturperiode nicht gelingt, Themen wie Migration, Wirtschaft, Energie usw in den Griff zu kriegen, dass wir dann eine AfD als stärkste Kraft bekommen könnten?
Boris Rhein:
Ich will mir das gar nicht vorstellen, aber Sie haben natürlich Recht, die nächsten vier Jahre werden über unser Land entscheiden und die nächsten vier Jahre werden entscheiden, wie wir zusammenleben werden. Und die nächsten vier Jahre werden darüber entscheiden und die Politik der nächsten vier Jahre, ob die Gesellschaft zusammenbleibt oder noch weiter auseinanderdriftet. Das ist auch ein Ergebnis dieser katastrophalen Ampelpolitik. Sie hat unser Land so nachhaltig beschädigt, dass wir jetzt in dieser Situation sind.
Eva Dieterle:
Ich will zum Schluss noch mal das Stichwort Wahlkampf aufgreifen, denn es war doch in letzter Zeit auffällig zu beobachten, dass sich die politische Kultur etwas geändert hat. Der Diskurs, auch der Kommunikationsstil untereinander, wo man früher unter vier Augen das Gespräch gesucht hat, wird heute ja oft schnell zum Handy gegriffen egal ob aus Dienstwagen oder wo auch sonst und ein politischer Appell aber direkt an die Öffentlichkeit weitergegeben anstatt an den Adressaten selbst. Finden Sie das bedenkenswert?
Boris Rhein:
Ich finde das sehr bedenklich. Und das ist wirklich eine Verrohung der Sitten. Ich glaube, dass wir viel mehr wieder einüben sollten, miteinander im Gespräch zu sein, auch im vertraulichen Gespräch zu sein und dass wir dann wirklich an die Öffentlichkeit treten sollten, wenn wir uns untereinander auch ausdiskutiert haben und die Ergebnisse verkünden. Und diese Diskussion nicht über die Öffentlichkeit führen. Das stört doch die Leute, Das nervt doch die Bürgerinnen und Bürger, die wollen Lösungen sehen und nicht die Diskussion der Lösungen. Die kennen Sie ja selbst, die DiskussionEva Dieterle:
Eva Dieterle:
Wo ist da Ihre persönliche Grenze?
Boris Rhein:
Sie meinen mit der Frage, wie man Sie öffentlich sieht, quasi die Politik. Also ich versuche das wirklich so wenig wie möglich zu tun, da sozusagen das Innerste zum Äußeren zu kehren und erst mal die Dinge wirklich miteinander zu diskutieren und dann aber wirklich zu einem Weg zu führen, den man gehen kann, gemeinsam gehen kann. So machen wir das mit unserem Koalitionspartner in Hessen aber in den zurückliegenden Monaten aus meiner Sicht jedenfalls auch und damit auch sehr erfolgreich.
Eva Dieterle:
Also gibt es bei Ihnen die Vier Augen Gespräche noch.
Boris Rhein:
In der Tat gibt es ja.
Eva Dieterle:
Wir sind schon am Ende unseres Interviews angekommen. Fast. Denn in guter Tradition möchte ich, dass sie jetzt zum Schluss ganz direkt und öffentlich sich noch mal an unsere Zuschauer wenden und ja, Ihnen einen schönen Jahreswechsel wünschen. Hier ist Ihre Kamera. Bitte schön.
Boris Rhein:
Ja, liebe Bürgerinnen und Bürger, ich wünsche Ihnen einen guten Rutsch ins neue Jahr. Ich wünsche Ihnen ein gutes neues Jahr. Ich wünsche Ihnen ein gesundes neues Jahr und ich wünsche uns allen ein friedliches 202. Ein Jahr, das friedlicher ist als 2024. Das ist mein Wunsch für uns alle. Und jetzt wünsche ich Ihnen eine gute Silvesterparty. Die gehört natürlich auch dazu.
Eva Dieterle:
Herr Rhein, u nd ich freue mich, wenn wir nächstes Jahr auch wieder spannende Gespräche führen. Wünsche Ihnen natürlich auch einen guten Rutsch und sage vielen Dank für das Interview.
Boris Rhein:
Ich bedanke mich sehr.