Zu Gast im Studio: Der hessische Demografiebeauftragte Axel Wintermeyer

Wir werden immer älter. 2030 wird jeder dritte Hesse über 60 Jahre alt sein. Eigentlich eine gute Nachricht, Forschung und Medizin machen’s möglich, dass die Lebenserwartung steigt. Gleichzeitig bringt das Herausforderungen – in den Bereichen altersgerechtes Wohnen, Mobilität, Gesundheit, und vieles mehr. Eva Dieterle spricht darüber, mit Axel Wintermeyer, dem Chef der Hessischen Staatskanzlei, der gleichzeitig auch Demografiebeauftragter ist. Zuvor ein Beispiel aus Osthessen.

Ebersburg-Weyhers im Landkreis Fulda. Ein kleiner Ort, der wie viele andere im ländlichen Raum gegen den demographischen Wandel kämpft. Mit Erfolg.
Benjamin Reinhart, parteilos, Bürgermeister Ebersburg
„Wir haben Bevölkerungszuwachs stetig von gut einem Prozent, wollen weiterhin Zuzug junger Familien attraktiv sein, das haben wir im Leitbild verankert. Um den Wandel vorzubeugen. Nichtsdestotrotz müssen unsere Senioren Beachtung finden, weil sie einen Großteil der Bevölkerung ausmachen. Da geht es um Projekte ausbauen.“
Projekte wie der „Treffpunkt Alte Post“. Eine Begegnungsstätte, die sich lebenslanges Lernen auf die Fahnen schreibt. Die Ausstellung „Hilfreiche Technik im Alltag“ zeigt Hilfsmittel für ein längeres selbstbestimmtes Leben zuhause. In Kursen werden ältere Menschen hier zudem fit für die digitale Welt gemacht.
Susanne Beh, Miteinander-Füreinander Oberes Fuldatal e. V.
„Wir haben zum Beispiel an unserem Standort hier in Weyhers keine Bankfiliale mehr, d.h. wir brauchen Onlinebanking, um noch die Bankgeschäfte selbst erledigen zu können. Vielleicht die App, um den Ruf-Bus zu informieren, man braucht eine E-Mail-Adresse um ein Theaterticket oder ein Bahnticket zu bestellen und deswegen hat das Ganze auch mit Teilhabe zu tun.“
Direkt nebenan steht das nächste Projekt schon in den Startlöchern. In der alten Textilfabrik soll ein Wohnprojekt für mehrere Generationen entstehen. Eine Maßnahme, die Einsamkeit im Alter verhindern und den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken soll.
Schon heute Entscheidungen für übermorgen treffen, dieses Ziel setzt sich auch die hessische Landesregierung.
Axel Wintermeyer, CDU, Demografiebeauftragter Hessen
„Und es gibt im Endeffekt eine Zukunft hier. Hier ziehen wieder Menschen hin, hier wird nicht weggezogen, hier wird neuer Wohnraum geschaffen, hier sind Kitas, immerhin in einem 1.500-Seelen-Dorf, und was unheimlich wichtig ist, hier ist eine dörfliche Gemeinschaft. Wenn Menschen zusammenhalten, kann man auch gemeinsam in die Zukunft gehen.“
Ebersburg-Weyhers zeigt, wie Jung und Alt gemeinsam hoffnungsvoll in die Zukunft blicken können.
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Eva Dieterle, Moderatorin: Ja, wir werden immer älter und darüber spreche ich jetzt mit dem Demografibeauftragten der hessischen Landesregierung und Chef der Staatskanzlei, mit Axel Wintermeyer. Guten Abend!
Axel Wintermeyer, Demografiebeauftragter Hessen: Guten Abend, Frau Dieterle.
Dieterle: Herr Wintermeyer, gerade ist in Hessen eine Aktionswoche zu Ende gegangen, die den knappen Titel trägt “Alter besser machen”. Das klingt zunächst einfach, aber es ist eigentlich sehr viel mehr. Es ist nicht so einfach.
Wintermeyer: Genau, dahinter steckt an sich das große gesellschaftliche Problem der nächsten Jahrzehnte des demografischen Wandels, also der Überalterung der Gesellschaft, weil wir immer weniger jüngere Menschen haben, es geht um die Frage Gesundheit, es geht um die Frage Mobilität. Es geht auch um die Frage der Teilhabe. Und tatsächlicherweise ist es so: Wir werden bei uns in Deutschland – und in Hessen und Rheinland Pfalz genau das gleiche – 2030, also in weniger als zehn Jahren jeden Dritten haben, der älter ist als 60 und 20 Jahre später ist jeder Dritte älter als 80.Das heißt, es wird eine Veränderung geben. Und wir müssen als Politik heute die Entscheidungen treffen, heute die Menschen mitnehmen, damit wir in zehn oder 15 Jahren nicht Probleme haben, die wir nicht mehr lösen können. Der ländliche Raum ist wichtig. Wir haben ihn eben gerade in dem Beitrag gesehen, weil der ländliche Raum etwa durchschnittlich drei Jahre älter ist als städtische Räume, urbane Räume und deswegen besonderer Fokus auf den ländlichen Raum, den wir als hessische Landesregierung sehr, sehr ernst nehmen.
Dieterle: Um mehr Teilhabe zu schaffen, ist ja die Digitalisierung auch ein ganz wichtiges Thema. Was tut denn die hessische Landesregierung dafür, dass dann die älter werdenden Menschen dabei nicht auf der Strecke bleiben?
Wintermeyer: Also wir haben einen Digi-Lotsen-Programm aufgelegt mit 180.000 €, die wir dort finanzieren, wo Menschen, meistens auch ältere Menschen noch ältere Menschen an die Digitalisierung heranführen. Und Digitalisierung ist etwas, was Älteren auch helfen kann. Wir haben eben in dem Beitrag gesehen, Onlinebanking kann ich von zu Hause machen oder das Bestellen von Lebensmitteln kann ich auch über Internet machen und lasse es mir nach Hause liefern. Und ich kann auch mit meinen Verwandten entsprechend skypen oder sonst irgendwas machen, um mit ihnen in Kontakt zu treten. Es ist auch ein Mittel, um gegen die Vereinsamung im Alter zu wirken und deswegen unterstützen wir das sehr. Ältere Menschen müssen an der Modernität unserer Gesellschaft teilhaben können und wir finanzieren auch dort die Digi-Lotsen in diesem Sinne.
Dieterle: In diesem Zusammenhang ist auch immer wieder die Rede von E-Health. Das hat ganz viele Chancen, aber natürlich auch Grenzen. Das Landarztproblem löst das ja nicht.
Wintermeyer: Nein. Also E-Health ist eine Möglichkeit, wo sozusagen Fachärzte in Landarztpraxen hinein geschaltet werden können, damit Menschen im ländlichen Raum nicht jetzt irgendwie in die nächste Großstadt 50 oder 80 oder 100 Kilometer weit fahren müssen. Wichtig ist, dass wir eine Landarztquote bei uns in Hessen eingeführt haben, wo wir auch Studentinnen und Studenten die Möglichkeit geben, Medizin zu studieren, ohne einen riesigen Numerus clausus vorweisen zu müssen. Dafür müssen sie sich verpflichten, im ländlichen Raum zu arbeiten. Oder wir haben auch ein Minibus, das heißt also, der Arzt kommt sozusagen ins Dorf gerollt, weil ich sage sehr, sehr deutlich, jedenfalls haben wir uns das in Hessen als Vorgabe gegeben, die Gesundheitsversorgung darf nicht von der Postleitzahl abhängen.
Dieterle: Wir haben es gerade im Beitrag gesehen, eine mögliche Lösung könnten Mehrgenerationenhäuser sein. Wie konkret unterstützt die hessische Landesregierung denn solche Projekte?
Wintermeyer: Also zunächst mal finde ich Mehrgenerationen eine von vielen Möglichkeiten. Am besten ist es natürlich, mit mehr Generationen in der Familie zu wohnen. Aber Mehrgenerationenwohnen hilft älteren und jüngeren Menschen, sich gegenseitig zu ergänzen. Auf der einen Seite möglicherweise finanziell, auf der anderen Seite auch durch Hilfestellungen, die von jüngeren Menschen gemacht werden können. Wir haben eine Beratungsstelle dort eingerichtet, bei uns im Bundesland, wo sich entsprechend Interessentinnen, Interessenten, aber auch Gemeinden ran wenden können, wo wir Vernetzung machen, auch bestimmte gute Projekte denen vermitteln, damit sie sehen können, das gibt es schon und wir können das einfach nur kopieren. Das ist eine der Möglichkeiten, die ich für sehr wichtig halte. Und das Zweite ist, ich sage sehr bewusst, in Frankfurt ist fast mehr als jeder heftige Haushalt ein Ein-Personen-Haushalt. Also das Thema Vereinsamung wird auch durch gemeinschaftliches Wohnen entsprechend verkleinert. Deswegen ist es auch psychologisch nicht ganz unwichtig. Ich habe viele, viele gute Beispiele gesehen, auch jetzt hier in Weyhers als Beispiel, was Sie da planen. Und ich finde es sehr wichtig, dass man die Menschen mitnimmt. Und deswegen waren wir auch vor Ort in unserer Aktionswoche, um uns vor Ort zu informieren, was ist möglich, was wird gewollt und was können wir für die Zukunft als hessische Landesregierung mit umsetzen helfen.
Dieterle: Damit der demografische Wandel gelingen kann, muss die Politik die Weichen stellen. Herr Wintermeyer, vielen Dank, dass Sie heute zum Interview hier waren.
Wintermeyer: Danke Ihnen, Frau Dieterle.