Zu Gast im Studio – Der Biotechnologiebeauftragte von Rheinland-Pfalz

Rheinland-Pfalz soll führender Biotechnologie-Standort werden – das sagt Ministerpräsident Alexander Schweitzer. Nach dem Erfolg des Mainzer Impfstoffherstellers BioNTech will die rheinland-pfälzische Landesregierung viele weitere Unternehmen anlocken, die sich mit Biotechnologie beschäftigen. Bei einigen ist das schon gelungen. Wie man es schaffen will, noch mehr hier anzusiedeln, darüber sprechen wir gleich im Studio mit dem zuständigen Landeskoordinator – doch vorab der Blick auf den Status Quo.

Hier hat es angefangen: An der Goldgrube 12, bei BioNTech. Der Mainzer Impfstoffhersteller hat beim Kampf gegen die Corona-Pandemie tatkräftig mitgeholfen.
Doch BioNTech soll kein One-Hit-Wonder bleiben. Die rheinland-pfälzische Landesregierung will die Biotechnologie gezielt fördern. Ihr Ziel: eine wirtschaftsstarke, innovative Region voller Biotech-Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Labore.
Bisher gab es vor allem: Spatenstiche.
Beispielsweise für den Bau des Forschungsinstitut Tron in Mainz, wo Wissenschaftler neue Wirkstoffe gegen Krebs entwickeln sollen. (8. April 2024)
Oder der Spatenstich in Alzey für das Werk des US-Pharmariesen Eli Lilly, bekannt unter anderem für seine Abnehmspritzen. (9. April 2024)
Auch Start-Ups sollen sich ansiedeln und sogenannte Spin-Offs, also beispielsweise Ausgründungen aus Universitäten: Diese Neulinge stehen aber vor größeren Herausforderungen als milliardenschwere Großkonzerne.
Ein solches Spinoff ist Actitrexx, eine Ausgründung aus der Universitätsmedizin Mainz.
Das junge Unternehmen entwickelt eine Therapie, die zum Beispiel Blutkrebs-Patienten helfen soll. Diese erhalten zur Heilung von Spendern sogenannte Stammzellen. Doch die Körper der Patienten stoßen rund die Hälfte aller Stammzellen ab.
Andrea Tüttenberg, Gründerin ActiTrexx
„Und da kommen wir ins Spiel. Wir haben eine Zell-Therapie entwickelt mit sogenannten regulatorischen Zellen, die wir dem Patienten frühzeitig geben nach einer Stammzellen-Transplantation, um eine solche Abstoßungs-Reaktioen zu vermeiden.“
Solche regulatorischen Zellen kann das Unternehmen aus dem Blut gesunder Menschen isolieren – die erste Studie an 10 Patienten macht Hoffnung: Die Zellen haben die Abstoßung tatsächlich reduziert.
Das sind wichtige Daten: Denn ActiTrexx muss laufend Geld von Investoren und Banken einwerben – bis jetzt waren es rund 15 Millionen. Das Unternehmen braucht voraussichtlich weitere 25 Millionen für die sogenannte Phase 2: Tests an einer größeren Zahl von Patienten.
Doch Geld sei nicht das einzige Problem.
Andrea Tüttenberg, Gründerin ActiTrexx
„Wir haben noch das Glück jetzt, dass wir hier für die erste klinische Studie noch bleiben können in der Uni-Medizin, aber irgendwann müssen wir hier auch raus und es ist schwer Räumlichkeiten zu finden.“
Bis ein Start-Up oder Spin-off-Unternehmen am Markt Geld verdienen kann, muss es große Summen in Labortechnik, Forschung und Testphasen investieren.
ActiTrexx muss also Glück und Geduld haben. Doch in ein paar Jahren könnte es ein weiteres rheinland-pfälzisches Unternehmen sein, dass der Welt Wirkstoffe gegen schwere Krankheiten liefert.
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Markus Appelmann, Moderator:
Das ist wohl auch die Hoffnung von Eckhard Thines, er ist Landeskoordinator für Biotechnologie und jetzt bei mir im Studio. Guten Abend.
Prof. Eckhard Thines Landeskoordinator Biotechnologie Rheinland-Pfalz:
Guten Abend.
Appelmann:
Herr Thines, wir haben gerade eben das Beispiel ActiTrexx gesehen. Die Idee ist da, das mit dem Geld ist so ein bisschen das Problem. Können Sie da helfen?
Thines:
Kann man da helfen? Man kann vermitteln. Man kann an dieser Stelle natürlich versuchen, den Kontakt herzustellen zu Venture-Capital-Gebern, um dann eben diesen Kollegen, die an dieser Schwelle sind – Sie haben ja im Film gesehen, 15 Millionen, das ist ja kein Pappenstiel, da braucht man also auch schon einen Venture-Capital-Geber, der hier einsteigen kann und möchte. Und das kann man sehr wohl vermitteln.
Thines:
Dann kann man Kontakte herstellen. Ob die Venture-Capital-Geber dann anspringen, ist wieder eine andere Sache. Aber die Kontaktvermittlung kann man schon gestalten. Ja.
Appelmann:
In einer Studie hat die Unternehmensberatung Roland Berger sich auf Schwächen und Stärken von Rheinland-Pfalz fokussiert. Bei Schwäche steht zum Beispiel Start-ups. Warum interessieren sich zu wenige Menschen in Rheinland-Pfalz zu gründen?
Thines:
Ich würde an der Stelle gerne sagen wollen, dass … für Start-ups braucht man natürlich die geeigneten Rahmenbedingungen. Ein Start-up, Sie haben völlig Recht, muss rasch wettbewerbsfähig werden. Und an dieser Stelle braucht man geeignete Rahmenbedingungen. Sie brauchen eine gute technische Infrastruktur, Sie brauchen die Räumlichkeiten, die die Kollegin Tüttenberg eben angesprochen hat im Film. Das alles sind Voraussetzungen, die da sein müssen. Und da hat Rheinland-Pfalz jetzt vor allen Dingen in Gebäudeinfrastruktur, aber auch in Forschungsinfrastruktur wahnsinnig viel investiert. Und mit diesen Gelegenheiten für Start-ups rasch wettbewerbsfähig zu werden, kommt auch Innovation und kommen auch Start-ups ins Land. Und nicht nur die Kollegen aus den Universitäten, die ausgründen wollen.
Appelmann:
Im Zusammenhang mit Biotechnologie wird ja zum Beispiel immer BioNTech aus Mainz, der Impfstoffhersteller, genannt oder eben der Pharmariese Eli Lilly, der gerade in Alzey ein Werk baut. Das sind sicherlich Leuchttürme, aber das kann Ihnen nicht genügen, oder?
Thines:
Das war in Ihrem Film jetzt so dargestellt, als dass das die Anfänge gewesen wären. Ich würde an dieser Stelle auch gerne Boehringer erwähnen wollen und BASF. Wir haben auch AbbVie, also wir haben starke Player in Rheinland-Pfalz und natürlich gilt es auch für diese starken Player eine geeignete Forschungsinfrastruktur anzubieten, Vernetzung anzubieten, den Fachkräftemangel vernünftig zu adressieren. Das sind alles Dinge, die wir angehen und wo wir dann auch hoffen, dass weitere Ansiedlungen und weitere Gründungen hier in Rheinland-Pfalz geschehen werden. Infrastruktur ist nun mal für Biotechnologie eine ganz wichtige Sache. Das ist sehr teuer. Und wenn Sie das vernünftig aufsetzen, dann ist das attraktiv für Firmen.
Appelmann:
Der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Alexander Schweitzer, hat vor kurzem die Biotechnologiestandorte besucht und er hat gesagt: “Rheinland-Pfalz soll führender Biotechnologiestandort werden.” Wie wollen Sie denn an Ländern wie Baden-Württemberg oder Bayern, die einen richtig guten Job machen, vorbeikommen?
Thines:
Also Biotechnologie ist ein breites Feld. Und wenn Sie jetzt den Teilaspekt RNA-Biotechnologie nehmen, da würde ich schon behaupten wollen, dass Rheinland-Pfalz da derzeit schon führend ist in Deutschland.
Appelmann:
Aber das ist nur ein Teil, also ein Teilaspekt.
Thines:
Aber dann, wenn das nur ein Teilaspekt ist, dann muss man auch sehen, dass wir uns in einem globalen Wettbewerb befinden. Und da gilt es in der Biotechnologie nicht unbedingt zu regional zu denken und nicht nur an Mainz oder Rheinland-Pfalz zu denken, sondern als europäische Partner im Konsortium einfach führend zu werden und sichtbar zu werden, um mit anderen mithalten zu können. Es geht hier darum, dass man seine Stärke stärkt, das hat die Roland-Berger-Studie an dieser Stelle auch ganz klar gesagt: Stärken stärken und mit dem Stärken stärken, aber auch andere Forschungszweig und andere Biotechnologiezweige nicht vergessen. Und ich glaube schon, dass man das vernünftig mit der Infrastruktur so gestalten kann, dass man allen gerecht wird.
Appelmann:
Viel zu tun für Eckhard Thines, den Landeskoordinator Biotechnologie, der heute zu Besuch im Studio war. Danke dafür.
Thines:
Gerne. Vielen Dank.