Zahl der Intensivbetten ist gesunken

Es ist 5 nach 12. Mahnende Worte haben wir schon viele in dieser Pandemie gehört – nun ist es wieder so weit. Seit letztem November soll es bundesweit 5000 Intensivbetten weniger geben. Und das mitten in einer Pandemie. Was läuft da schief?

Es ist 5 nach 12. Mahnende Worte haben wir schon viele in dieser Pandemie gehört – nun ist es wieder so weit.  Lothar Wieler, der Chef des Robert Koch Instituts, hat wegen der drastischen Ausbreitung des Coronavirus, die Menschen eindringlich aufgerufen ihre Kontakte zu beschränken. Es sei eben 5 nach 12. Noch-Gesundheitsminister Jens Spahn hat heute angekündigt, dass ab morgen wieder kostenlose Corona-Tests für alle möglich seien. Es werde neue Schritte im Kampf gegen die vierte Welle geben müssen – so Spahn- angesichts der hohen Corona-Zahlen und der volllaufenden Intensivstationen. Und genau das schauen wir uns mal genauer an. Seit letztem November soll es bundesweit 5000 Intensivbetten weniger geben. Und das mitten in einer Pandemie. Was läuft da schief?
Der letzte Corona-Winter mit seinen vielen Infizierten und Toten war ein Weckruf an die Politik: Die Krankenhäuser müssen besser ausgerüstet werden, vor allem im Hinblick auf die Intensivbetten und das Pflegepersonal.
Doch ein Blick in die Statistik zeigt: Seit Beginn der Pandemie ist die Zahl der gemeldeten Intensivbetten stetig gesunken – und das bei ähnlicher Bettenbelegung. Das zeigt sich auch in Hessen und Rheinland Pfalz.
Der Grund dafür ist schon lange bekannt: Es fehlt das Personal, um die Patienten in den Intensivbetten zu betreuen. Deshalb werden immer mehr Betten abmeldet.
Dr. Gerald Gaß, Präsident Deutsche Krankenhausgesellschaft
„Es gibt nach über 20 Monaten der Pandemie bei einer ganzen Reihe von Mitarbeitern spürbar die Situation, dass sie sich überlastet fühlen, dass sie in Teilen den Weg in die Normalstation gewählt haben, dass sie sich versetzten lassen oder eben auch Arbeitszeit reduziert haben.“
In diesem Jahr spitzt sich das Problem weiter zu. Das Ergebnis einer Blitzumfrage des Deutschen Krankenhausinstitus zeigt:
„72 Prozent der befragten Krankenhäuser gaben an, weniger Intensivpflegepersonal zur Verfügung zu haben, als noch Ende 2020.
86 Prozent der Häuser konnten ihre Intensivkapazitäten aufgrund des Personalmangels nicht vollumfänglich betreiben. (Deutsches Krankenhaus Institut)“
Auch hier im Krankenhaus Alzey in Rheinland-Pfalz ist aktuell eine Station geschlossen. 20 Betten sind verwaist, weil es nicht genug Pfleger gibt, um Patienten darin zu versorgen.
Immer mehr Pfleger schmeißen hin: wie zuletzt in einer Abteilung der Universitätsklinik Gießen-Marburg. Hier kündigten gleich 14 von 15 Pflegern auf einmal ihre Stelle. Denn die Arbeitsbelastung sei zu hoch, der Lohn zu niedrig und die Anerkennung fehle. Intensivpfleger Mark Müller hat seine Arbeitszeit schon auf 25% reduziert.
Mark Müller, Intensivpfleger UKGM Marburg
„Die Stimmung im Haus, egal, in welchem Bereich man schaut, ist zum Zerreißen angespannt. Die Leute sind ausgelaugt, fertig mit den Nerven, die können nicht mehr. Wir schaffen die Patientenversorgung nicht mehr. Wir arbeiten in den 24-Stunden-Diensten im OP 22 Stunden durch, mir machen keine Pause auf der Normalstation oder der Intensivstation, wir schaffen es nicht mehr.“
Der Pflegenotstand ist seit Jahren bekannt. Im Frühjahr hatte das DIVI-Intensivregister zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Fachkrankenpflege einen Brandbrief an die Bundesregierung geschrieben mit Vorschlägen, wie die intensivmedizinische Versorgung verbessert werden kann.
„Tatsächlich sind konkrete Maßnahmen zur Stärkung der Intensivpflege von Seiten der Politik leider ausgeblieben“, schreibt uns ein Sprecher des DIVI-Registers.
Ein schwerwiegendes Versäumnis, findet die FDP-Fraktion im Hessischen Landtag.
Yanki Pürsün, FDP, Abgeordneter Landtag Hessen
„Letztes Jahr im März, da war es richtig, zu sagen. Wir brauchen mehr Intensivbetten und Beatmungsgeräte- Das hat uns eine Menge Geld gekostet. Aber danach hätte man sofort umstellen müssen auf die Personalsituation: Wie können wir neue Menschen gewinnen, und wie können wir dafür sorgen, dass die Menschen, die da arbeiten, es gerne machen und nicht den Beruf wechseln?“
Das hessische Sozialministerium versichert, sich mit aller Kraft für mehr Pflegepersonal einzusetzen:
„Das Hessische Ministerium für Soziales und Integration unterstützt mit den entsprechenden Rahmenbedingungen, beispielsweise mit der Finanzierung der beruflichen Ausbildung, […] oder dem neu eingerichteten Pflegequalifizierungszentrum Hessen.“
Doch wer auf die sinkende Zahl der Intensivbetten schaut, muss feststellen: Die Politik hat den Weckruf im ersten Corona-Winter nicht gehört.
Deshalb stehen viele Krankenhäuser auch im zweiten Corona-Winter vor dem Dilemma: die Betten sind da, aber die Pfleger fehlen.