Wird die Commerzbank übernommen?

Bettina Orlopp soll Anfang Oktober neue Vorstandsvorsitzende der Commerzbank werden. Das hat heute der Aufsichtsrat des Frankfurter Geldhauses mitgeteilt. Orlopp wäre die erste Chefin in der über 150-jährigen Geschichte der Bank. Dass die bisherige Finanzvorständin gerade jetzt befördert wird, ist kein Zufall. Sie soll die Abwehr gegen die italienische Bank Unicredit organisieren. Die will die Commerzbank übernehmen.

Der Wirtschaftskrimi beginnt in der Weltfinanzkrise 2008. Damals steht die Commerzbank vor der Pleite. Der Bund muss sie mit einer milliardenschweren Finanzspritze retten. Seitdem ist er der größte Aktionär der Bank.
Inzwischen erwirtschaftet das Frankfurter Geldhaus wieder solide Gewinne. In der vergangenen Woche bietet der Bund deshalb 4,5 % seiner Commerzbank-Aktien zum Kauf an. Weil er dabei Fehler macht, kann die italienische Unicredit das gesamte Aktienpaket erwerben. Kurz danach gibt sie bekannt, dass sie sich schon vorher mit Commerzbank-Aktien eingedeckt hat. Sie sei nunmehr mit 9,5 % an dem Frankfurter Geldhaus beteiligt. Viele Anleger rechnen jetzt mit einer Übernahme. Der Kurs der Commerzbank-Aktien steigt steil an.
Doch die Bundesregierung reagiert empört. Sie lehne eine Übernahme ab. Deshalb werde sie ihre restlichen 12 % Commerzbank-Aktien vorerst nicht verkaufen. Doch Unicredit kontert, sie habe ihre Beteiligung an der Commerzbank bereits auf anderen Wegen auf 21 % erhöht. Außerdem habe sie bei der Bankenaufsicht beantragt, ihre Beteiligung auf 29,9 % ausbauen zu dürfen. Doch der Vorstand der Commerzbank wehrt sich gegen eine Fusion.
Bundeskanzler Olaf Scholz und der hessische Minister-präsident Boris Rhein warnen vor einer Schwächung des deutschen Bankensektors. Die Gewerkschaft ver.di fürchtet nach einer Übernahme einen massiven Stellenabbau. Die Italiener sind in Frankfurt nicht willkommen. Doch es ist gut möglich, dass sie trotzdem kommen.
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Markus Appelmann, Moderator:
Ein wahrer Wirtschaftskrimi ist das. Da wollen wir noch tiefer einsteigen. Unser stellvertretender Chefredakteur Philipp Stelzner ist im Studio. Philipp, wie groß sind denn die Chancen der Unicredit, die Commerzbank zu übernehmen?
Philipp Stelzner. Stellvertretender Chefredakteur :
Also solche feindlichen Übernahmen sind in der Finanzbranche selten, und sie sind auch seltener erfolgreich. Tatsächlich braucht die Unicredit, wenn sie ihre Beteiligung an der Commerzbank weiter erhöhen will, die Genehmigung der Bankenaufsicht. Die kann ihr Kontrollverfahren monatelang verzögern. Sie kann durch Auflagen darauf hinarbeiten, dass die Unicredit irgendwann frustriert aufgibt. Aber Juristen und Investmentbanker sagen uns: “Es gibt eigentlich keine zwingenden Gründe, die Genehmigung zu verweigern.” Der nächste Schritt könnte dann sein, dass die Unicredit ihre Beteiligung auf mindestens 30 % erhöht. Dann wäre sie gesetzlich verpflichtet, allen Aktionären ein Übernahmeangebot zu machen. Und wenn genügend Aktionäre dieses Angebot annehmen, dann könnte die Beteiligung auf über 50 % steigen. Und dann könnte die Unicredit die Fusion mit der Commerzbank durchziehen. Auch gegen den Widerstand der Politik.
Appelmann:
Philipp Lass uns doch ganz kurz nach vorne blicken. Was könnte eine Übernahme bedeuten für die Eigentümer, für die Mitarbeiter, aber vor allem auch für die Kunden der Commerzbank?
Stelzner:
Also in einer Marktwirtschaft kann es viele Vorteile bringen, wenn ein größeres Unternehmen ein kleineres übernimmt. Wenn sich Unicredit und Commerzbank zusammenschließen, dann könnte die neue Mega-Bank effizienter arbeiten. Das heißt, die gleiche Leistung bei geringeren Kosten erbringen. Das wäre für die Eigentümer gut, also die Aktionäre, und das könnte auch für die Kunden gut sein, weil sie dann zum Beispiel Kredite zu günstigeren Konditionen erhalten. Aber das Ganze birgt auch Risiken. Denn die Commerzbank spielt bei der Kreditvergabe für den deutschen Mittelstand eine Schlüsselrolle. Deshalb sind Landes- und Bundespolitiker dafür, dass die Bank selbstständig bleibt. Sie wollen, dass wichtige Kreditentscheidungen auch künftig in Deutschland und nicht in Italien fallen. Und auch die Gewerkschaft ver.di ist gegen eine Fusion, denn sie hat gesehen, dass die Unicredit nach der Übernahme der HypoVereinsbank dort viele Stellen gestrichen hat. Und das könnte jetzt auch bei der Commerzbank passieren. Der Betriebsrat fürchtet, dass bei der Bank nach einer Übernahme rund 2/3 der insgesamt 25.000 Arbeitsplätze in Deutschland verloren gehen könnten.
Appelmann:
An diesem Thema bleiben wir dran. Danke für den Überblick an Philipp Stelzer, unseren stellvertretender Chefredakteur.
Stelzner:
Gerne.