Wird die Commerzbank übernommen?

Unicredit baut schon lange ihre Beteiligung aus – nach eigenen Angaben kontrolliert die italienische Großbank nun etwa 28 Prozent. Nachdem der Bund einen Teil seiner Commerzbank-Aktien veräußert hat, kam es zu der Übernahmeschlacht. Der Bundeskanzler spricht sogar von einer feindlichen Übernahme. Eine Fusion könnte dazu führen, dass in Frankfurt massenhaft Jobs bei der Commerzbank gestrichen werden.

Stolze 259 Meter misst Deutschlands höchstes Bürogebäude – der Commerzbank Tower in Frankfurt am Main. Seit über 150 Jahren ist die Commerzbank eine feste Größe am Finanzplatz Frankfurt. Mittlerweile ist sie, nach der Deutschen Bank, die zweitgrößte Privatbank Deutschlands. Das könnte sich bald ändern, denn die Hinweise verdichten sich, dass die italienische Großbank UniCredit die Commerzbank übernehmen will – gegen deren Willen.
Schon jetzt hat die UniCredit, gemeinsam mit mehreren Investmentbanken, Zugriff auf 28 Prozent der Commerzbank-Aktien. Und diesen Anteil will sie weiter erhöhen. Deshalb hat sie bei der Bankenaufsicht beantragt, ihre Beteiligung zunächst auf 29,9 Prozent ausbauen zu dürfen. Dann wäre der Schritt nicht mehr weit zur 30-Prozent-Marke, die die UniCredit dazu verpflichten würde, den Commerzbank-Aktionären ein Übernahmeangebot zu machen. Damit wäre ein Zusammenschluss kaum noch aufzuhalten.
Das will nicht nur der Vorstand der Commerzbank unbedingt verhindern. Auch die Gewerkschaft ver.di ist gegen eine Übernahme. Nach der Fusion mit der HypoVereinsbank vor zwanzig Jahren, wäre die Commerzbank der zweite große Player im deutschen Bankenwesen, den sich die UniCredit einverleibt. Und das hätte erhebliche Folgen für die Belegschaft.
Jan Duscheck, ver.di-Bankenexperte
„Aus Sicht der Beschäftigten ist das überhaupt gar kein gutes Signal, sondern es ist völlig klar, dass im Fall einer solchen Fusion oder Übernahme durch die UniCredit sich die UniCredit in Deutschland sicherlich nicht zwei große Firmenzentralen, in München bei der HVB und der Commerzbank in Frankfurt, leisten würde. Also da befürchten wir erhebliche Einschnitte.“
Allein bei der Commerzbank könnten, so die Befürchtung, mehr als 10.000 Arbeitsplätze in Deutschland wegfallen.
Und auch die Bundesregierung ist dagegen, dass die Bank Teil eines italienischen Konzerns wird. Über Kredite für den deutschen Mittelstand solle auch in Zukunft in Frankfurt und nicht in Mailand entschieden werden.
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Markus Appelmann, Moderator:
Darüber wollen wir noch mehr erfahren und schalten jetzt zu Professor Christoph Schalast von der Frankfurt School of Finance and Management. Guten Tag.
Prof. Christoph Schalast, Frankfurt School of Finance and Management:
Guten Tag, Herr Appelmann.
Appelmann:
Wie bewerten Sie das, was wir gerade mit der Commerzbank erleben: Ist das ein Angriff auf das deutsche Finanzwesen oder ist das etwas ganz normales?
Schalast:
Also erst mal ist es etwas ganz Normales. Innerhalb des europäischen Binnenmarktes sind Übernahmen einfach möglich. Und sie müssen auch möglich sein. Und auch im Finanzwesen. Und wir haben ja solche Übernahmen schon gesehen. Das ist überhaupt kein großes Thema. Das Besondere ist halt, dass wir in Deutschland nach der Finanzkrise nur noch zwei, wenn Sie wollen, private, große Finanzinstitute haben: die Deutsche Bank und die Commerzbank. Und jetzt besteht die Gefahr, dass eine der beiden wegfällt.
Appelmann:
Ja, der Kampf um die Commerzbank geht weiter. Hätte denn die Übernahme durch Unicredit mehr positive oder negative Folgen für die Bankkunde?
Schalast:
Also aus meiner Sicht sind die Folgen für die Bankkunden eher negativ. Die Commerzbank ist ein Wettbewerbsfaktor in Deutschland. Sie ist Wettbewerber zum einen gegenüber der bei uns ja sehr starken Sparkassen und Volksbanken, also die Regionalbanken. Gegenüber denen tritt sie auf, und auf der anderen Seite ist sie natürlich auch eine international tätige Bank und damit Wettbewerber zur Deutschen Bank und den anderen, sage ich mal, internationalen Banken. Und es wäre ein ganz großer Nachteil für den deutschen Finanzmarkt, wenn sie hier als starker Player wegfallen würde.
Appelmann:
Es droht der Abbau von 15.000 Arbeitsplätzen bei der Commerzbank – so hat es der Betriebsrat in diesen Tagen auf den Punkt gebracht. Befürchten Sie einen Jobabbau in ähnlicher Dimension, wenn die Übernahme der Unicredit gelingt oder ist das übertrieben?
Schalast:
Also einen Jobabbau wird es ganz sicher geben. Die wichtigsten Synergien bei einer solchen strategischen Übernahme sind oftmals letztendlich Arbeitsplätze. Dass man Arbeitsplätze abbaut. Wie das funktionieren kann, hat man gesehen, als damals die Dresdner Bank übernommen wurde. Von daher: Die Zahl 15.000 ist sicherlich sehr hoch und auch spekulativ, aber es wird Jobverluste geben. Das wird ganz sicher geschehen.
Appelmann:
Bundeskanzler Olaf Scholz will nicht tatenlos zusehen und spricht klar von einer feindlichen Übernahme. Hat die Bundesregierung denn irgendwelche Möglichkeiten, diese Übernahme zu verhindern?
Schalast:
Also rechtliche Möglichkeiten hat sie keine. Aber natürlich kann sie das Klima für eine Übernahme verändern. Das haben wir auch schon in anderen Ländern gesehen, in Spanien oder Frankreich, wo die Regierungen gegen solche Übernahmen von wichtigen Unternehmen, die auch im öffentlichen Bewusstsein eine Rolle spielen, einfach opponiert hat. Und man wird sich sehr gut überlegen in Italien, ob man gegen den Widerstand der Regierung und ich bin mir ziemlich sicher, dass auch die neue Bundesregierung ähnlich agieren wird, eine solche Übernahme vornehmen wird. Aber feindlich ist ihr nur, wenn das Unternehmen selbst sich dagegegen werht, insbesondere eben der Vorstand und die anderen Aktionäre.
Appelmann:
Der Übernahmepoker um die Commerzbank geht weiter. Danke an Professor Christoph Schalast von der Frankfurt School of Finance and Management.
Schalast:
Herzlichen Dank für das Gespräch.