Wiederaufbau im Ahrtal läuft schleppend

20 Monate nach der Hochwasser-Katastrophe im Ahrtal haben die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Innenminister Michael Ebling heute die Kreisverwaltung in Ahrweiler besucht. Mit Landrätin Cornelia Weigand und Bürgermeistern der Region sprachen sie über den schwierigen Wiederaufbau.

Dabei kritisierten die Kommunalpolitiker, dass die Planungs- und Genehmigungsverfahren immer noch zu lange dauerten. Die Ministerpräsidentin und der Innenminister kündigten deshalb eine Kampagne der Landesregierung an, die den Kommunen im Ahrtal mehr Fachpersonal verschaffen soll.
Michael Ebling (SPD), Innenminister Rheinland-Pfalz: „Die Mittel stehen zur Verfügung, die Bewilligungen sind da, aber es muss am Ende geplant, es muss gebaut werden. Das ist nicht einfach, zumal natürlich im Moment alle öffentlichen Verwaltungen, wenn man so will, die gleichen Profile, die gleichen Menschen, die gleichen Talente suchen. […] Wir wollen dabei das in den Fokus stellen, was keine andere Region, keine andere Gemeinde so deutlich in den Fokus stellen kann wie das Ahrtal, nämlich, dass wer hier arbeitet, wer hier sich engagiert, Zukunft gestalten kann.“
Malu Dreyer (SPD), Ministerpräsidentin Rheinland-Pfalz: „Wir wissen es ist kein leichter Weg, aber Sie stemmen ziemlich viel und wir haben jetzt die Maßnahmenkonzepte gesehen, viele sind inzwischen längst geplant, in der Umsetzung und wir sind auch zuversichtlich, dass Schritt für Schritt der Wiederaufbau mit großer Kraft nach vorne geht.“
Im Ahrtal gibt es also noch viel zu tun – weitere Hilfen werden dringend benötigt. Wie die aktuelle Lage ist, wo es beim Wiederaufbau noch hakt und was sich in den Augen vieler Betroffener ändern muss, das schauen wir uns jetzt einmal genauer an. Wir beginnen mit einigen Eindrücken und Stimmen von Anwohnern.
Julia Henrichs, alleinerziehende Mutter aus Schuld 
Von den Hilfen her war hier … ganz schnell Feierabend. … Egal, durch welches Dorf man vom Ahrtal fährt, es sieht genauso aus wie hier. Und es gibt auch noch viele Leute, die in den Häusern wirklich noch Hilfe brauchen, weil die einfach am Ende sind mit ihren Kräften.
Lukas Sermann, Winzer aus Altenahr 
Wenn man von der Tür reinschaut ist alles schön, wenn man rauschaut, dann ist die Begeisterung, gerade bei Regenwetter, eher gedämpft. … Ja, so völlig belanglose Sachen wie funktionierende Straßenleuchten. Oder eine Straße ohne Löcher. Das sind Dinge, die für uns Anwohner wichtig sind.
Kim Hesz, Mutter in Elternzeit (Personalreferentin) aus Dernau 
Ich wünsche mir, dass es halt wieder ein bisschen sicherer wird, auch für die Kinder. … Hier und da noch ein Spielplatz wieder mehr. … Gut, Kindergarten und Schule, Grundschule, das ist wirklich so ein Thema, dass es vielleicht nicht noch zehn Jahre dauert, sondern vielleicht nur fünf. Das wäre ganz schön, ne.
Das Ahrtal, es ist eine Dauerbaustelle. Aus Sicht der Anwohner kommt der Wiederaufbau viel zu langsam voran. In Dernau ist die Grundschule noch immer verwaist. Ob sie saniert, abgerissen oder neu gebaut wird, ist noch nicht entschieden. Überall klaffen große Lücken. Hier am Ortsrand war einst ein Sportplatz. Wo und wann ein neuer kommt – derzeit völlig unklar. Die Straßenbeleuchtung, ein Provisorium. Gerade werden im Ort Glasfaserkabel verlegt. Was momentan am allermeisten fehlt, ist ein Nahwärmenetz.
Alfred Sebastian (parteilos), Ortsbürgermeister Dernau 
Die Leute springen uns ab, weil sie sagen: Warum fangt ihr nicht langsam mal an? Aber das Land sagt Zusagen mündlich, aber nicht schriftlich. Das Ministerium stellt uns eine Hausaufgabe nach der anderen. Die wird abgearbeitet. Und dann kommt die nächste Bürokratiehürde. Wir kommen nach 19 Monaten noch nicht zum Startschuss.
Nicht nur in Dernau, in der gesamten Verbandsgemeinde Altenahr stocken die Bauprojekte. Das liege an aufwändigen, bürokratischen Förderverfahren, meint Bürgermeister Dominik Gieler. Aber auch an strengen gesetzlichen Vorgaben, die Neubaugebiete und hochwasserangepasstes Bauen erheblich erschweren würden.
Dominik Gieler (CDU), Bürgermeister Verbandsgemeinde Altenahr 
Wir haben dort hinten ein Feuerwehrhaus, was kein Feuerwehrhaus in Zukunft mehr sein darf. Wir wollen damit in die Höhe gehen, damit es halt nicht mehr flutbetroffen ist. Dort oben ist kein Bauland. Also müssen wir einen Bebauungsplan aufstellen. Und das Ganze zu Bauland machen. Das dauert drei Jahre. Und dann wird drei Jahre kein Feuerwehrhaus gebaut.
Hier brauche es endlich gesetzliche Erleichterungen. Ein weiteres Problem ist der Fachkräftemangel. Es fehlen Handwerker, Ingenieure und: Mitarbeiter in der Verwaltung. Nur elf Stellen konnte die Verbandsgemeinde seit der Flut neu besetzen. Ganze 21 sind noch offen. Das Rathaus muss für über sechs Millionen Euro saniert werden. Bis dahin ist die Verwaltung hier untergebracht – in einem ehemaligen Hotel. Noch immer gibt es viele Provisorien, wie diese Ölheizungen in Dernau.
 
Alfred Sebastian (parteilos), Ortsbürgermeister Dernau 
Wir haben bisher noch nichts Neues angefangen, noch keine Ausschreibung laufen, nach 19 Monaten. … Man muss uns hier helfen, dass es auch einfacher geht und schneller geht und die Bürokratie uns nicht das Leben von morgens bis abends schwermacht.
Im Ahrtal fehlt es immer noch an grundlegender Infrastruktur. Aber auch an schönen Orten, die zu einem unbeschwerten und geselligen Miteinander einladen. Die Menschen hier hoffen, dass das Warten darauf bald ein Ende hat.