Wenn der Weg zur Arbeit für Pendler zum Luxus wird

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine steigen die Verbraucherpreise in Deutschland rasant an. Insbesondere das Tanken ist so teuer wie nie zuvor. Das liegt zum einen an den gestiegenen Rohölpreisen, zum anderen aber auch an den großen Ölkonzernen, die die Preise immer weiter nach oben treiben. Besonders betroffen davon sind Pendler. Zwei von ihnen haben auf ihrem Arbeitsweg begleitet.

Der Blick auf die Zapfsäule ist für Sibylle Michel eine Zumutung. Der Preis für Diesel ist auf einem Rekordhoch, doch sie hat keine andere Wahl. Seit 27 Jahren pendelt sie mit dem Auto zum Frankfurter Flughafen. So hohe Preise wie jetzt hat sie noch nie erlebt. Nun muss sie ihren Haushaltsplan umstellen und Geld einsparen.
Sibylle Michel, Pendlerin aus Hessen
„Also, es hat die Auswirkungen, dass ich mir alles, was Luxus ist, schon mal gestrichen habe. Sprich Urlaub, den haben wir gestrichen. Es wird zum Luxus, mein Enkelkind zu besuchen, die 15 Kilometer weit weg wohnt. Meine Beziehung wird zum Luxus, weil mein Lebensgefährte im Sauerland arbeitet, da seinen Zweitwohnsitz hat.“
Sibylle Michel muss fünf Mal in der Woche von Selters im Taunus bis an den Frankfurter Flughafen fahren. Diesen Monat wird sie für die 114 Kilometer rund 80 Euro mehr zahlen müssen als im Februar.
Dazu kommen noch erhöhte Heiz- und Stromkosten. Lange hält sie das nicht durch, meint Sibylle Michel. Sie würde gerne mit der Bahn zur Arbeit fahren. Doch das ist bei ihren Arbeitszeiten nicht möglich. Zusätzlich arbeitet sie im Schichtdienst, sodass sie sich die Fahrtkosten auch nicht teilen kann.
Sibylle Michel, Pendlerin aus Hessen
„Wir haben ja tatsächlich den Luxus, dass unser Arbeitgeber ein Jobticket zur Verfügung stellt. Ich kann es hier in diesem Ort nicht nutzen. Der erste Zug fährt 15 Kilometer weiter eine Wiertelstunde nach Dienstbeginn, den ich ja habe. Ich bin also darauf angewiesen, diese Strecke zum Frankfurter Flughafen jeden Tag allein mit meinem Auto zu bewerkstelligen. Mit einem sehr hohen Kostenfaktor verbunden.“
Für Joshua Weber sind es noch ein paar Kurven, dann hat auch er Feierabend. Der LKW-Fahrer ist auf dem Rückweg zu seinem Stellplatz im rheinland-pfälzischen Meisenheim. Normalerweise fährt er von dort mit dem Auto nach Hause. Seit einer Woche bleibt er aber auf dem Stellplatz und schläft im LKW.
Joshua Weber, Pendler aus Rheinland-Pfalz
„Da sämtliche Kosten um mich herum gestiegen sind, sei es Heizen, sei es Strom, sei es Lebensmittel, war es die einfachste Art und Weise Geld einzusparen, einfach im LKW zu bleiben. Die Fahrtkosten sich zu sparen und auf ein Minimum zu reduzieren.“
Eigentlich pendelt Joshua Weber jeden Tag von Oberwesel nach Meisenheim und wieder zurück. Das sind insgesamt 140 Kilometer. Im Vergleich zum Februar müsste er jetzt für diesen Weg monatlich rund 85 Euro mehr zahlen.
Erst wenn der Preis für Diesel wieder unter zwei Euro liegt, will er wieder anfangen zu pendeln. So lange möchte Joshua Weber im LKW arbeiten, schlafen und essen. Abgetrennt von seiner Familie. Nur über das Telefon kann er Kontakt zu ihr halten.
Restliche soziale Kontakte bleiben ganz auf der Strecke.
Joshua Weber, Pendler aus Rheinland-Pfalz
„Das ärgert mich schon. Man verpasst viel. Das gemeinsame Essen fällt flach zum Beispiel abends, was ja immer so das Hauptding der Familie ist. Gemeinsames Essen, die Geschichten, die am Tag passiert sind zu erzählen. Vielleicht auch besser Geschehenes zu verarbeiten. Das ist schon … es ist schon hart.“
Joshua Weber und Sibylle Michel erwarten von der Bundesregierung, dass sie die Pendler bald entlastet. Damit der Blick auf die Zapfsäule in Zukunft keine Zumutung mehr ist.