Was erwartet die Wirtschaft von 2022?

Es war kein einfaches Jahr für die deutsche Wirtschaft: Lockdown, Lieferengpässe und steigende Inflation waren nur einige der Schwierigkeiten. Welche davon werden die Konjunktur 2022 weiter beeinflussen? Wir haben bei einem Wirtschaftsexperten in Frankfurt nachgefragt.

Corona hat in der deutschen Wirtschaft vieles durcheinandergebracht. Autohersteller wie Opel mussten die Produktion herunterfahren, weil zu wenig Computerchips geliefert wurden. Die Schutzmaßnahmen führten dazu, dass weniger Kunden Geschäfte und Restaurants besuchten. Mancher Betrieb konnte nur durch staatliche Finanzhilfen überleben. Alles Eingriffe, die unsere Marktwirtschaft nicht gut verkraftet und die eine Voraussage für das neue Jahr besonders schwer machen.
Prof. Dr. Christian Rieck, Wirtschaftswissenschaftler Frankfurt University of Applied Sciences
„Am besten sollte man keine Punktprognosen machen. Deshalb kann ich eigentlich nur zwei Szenarien schildern, nämlich Szenario 1: Es normalisiert sich alles und da gibt’s auch bestimmte Chancen, dass wir das so hinkriegen. Szenario 2 ist genau das Gegenteil: Es normalisiert sich nicht und in der Weltwirtschaft bleibt es dummerweise so wie es jetzt ist, dass wir überall Lieferengpässe haben und das kann sich relativ stark hochschaukeln. Das bedeutet es kann dann passieren, dass wir plötzlich an der einen Stelle einen Engpass haben, es sich an der nächsten Stelle fortsetzt und so weiter. Das wiederum sorgt dafür, dass keine Güter da sind, das wiederum sorgt dafür das Preise steigen und da kann es ganz schnell passieren, dass wir in ein anderes Gleichgewicht springen und zwar eins, was uns richtig unangenehm ist.“
Schon jetzt spüren die Verbraucher, dass vieles teuer wird und sie sich weniger leisten können als in früheren Jahren. Die Europäische Zentralbank geht zwar weiter davon aus, dass die Inflation nur ein vorübergehendes Phänomen ist, aber die Zweifel wachsen.
Prof. Dr. Christian Rieck, Wirtschaftswissenschaftler Frankfurt University of Applied Sciences
„Eine ganze Generation hat die letzten Jahrzehnte praktisch keine Inflationserfahrungen gehabt. Die haben jetzt auf einmal Inflationserfahrungen und es kann passieren dass das ganze System einmal anstößt und dann sozusagen das ganze System auf so eine schiefe Ebene gerät und sich die Inflation immer weiter hochschaukelt. Also, das ist ein durchaus ernstzunehmendes Szenario. Wenn Sie mich nach Wahrscheinlichkeiten fragen, ich würde sagen es geht mit eher 60-prozentiger Wahrscheinlichkeit wieder in normalen Zustand zurück, also so moderate Inflation von vielleicht zwei – drei Prozent und mit der restlichen Wahrscheinlichkeit kriegen wir eher so ein Hochinflationsszenario, was ich eben geschildert hab.“
Besonders die Energiekosten sind sprunghaft gestiegen. Tanken und Heizen ist so teuer wie seit Jahren nicht. Christian Rieck erwartet, dass die Preise in diesem Bereich 2022 weiter steigen. Denn die neue Bundesregierung treibe die Energiewende voran. Das mache die fossilen Brennstoffe immer teurer. Weil sie nicht schnell genug durch erneuerbare Energien ersetzt werden könnten, steige auch die Gefahr von Blackouts. Es sei deshalb ein Fehler, dieses Jahr auch die letzten Atomkraftwerke in Deutschland abzuschalten.
Prof. Dr. Christian Rieck, Wirtschaftswissenschaftler Frankfurt University of Applied Sciences
„Also, der Strom wird ziemlich sicher teurer. Was aber noch viel schlimmer ist aus meiner Sicht, ist, dass die Versorgungssicherheit zurückgehen könnte, wir also solche Dinge erleben können wie häufiger mal einen Netzsplit, also dass wir nicht überall mehr die gleiche Netzfrequenz aufrecht erhalten können, vielleicht sogar – ich hoffe nur lokale – Stromausfälle. Und dass sind ja dann die eigentlichen Kosten.“
Inflation und niedrige Zinsen bringen aber auch immer mehr Bundesbürger dazu, ihr Geld in Aktien anzulegen. Der deutsche Aktienindex steigt auf immer neue Rekordhöhen. Entsteht hier eine Blase, die bald platzen könnte? Christian Rieck hält solche Ängste für übertrieben.
Prof. Dr. Christian Rieck, Wirtschaftswissenschaftler Frankfurt University of Applied Sciences
„Ich kann jetzt nicht sehen, dass wir eine völlig offensichtliche Fehlbewertung haben. Ich denke, es ist eher eine Umbewertung. Also das, was früher in Geldvermögen gehalten wurde, das ist jetzt sicherlich herübergewandert in Aktien und ich sehe nicht, dass sich diese Entwicklung komplett ändern würde. Also ich würde sagen, das wahrscheinlichste Szenario ist, dass es jetzt zwar keine Kursexplosionen mehr geben wird aber dass es jetzt auch keine exorbitanten Crashs gibt.“
Crash oder Aufschwung, Normalzustand oder Krise – selbst für Experten ist das nur schwer vorherzusagen. Die Corona-Pandemie sorgt auch wirtschaftlich weiter für eine ungewisse Zukunft.