Vermieter dreht Gas ab

Die Gaspreise kennen nur eine Richtung: Sie steigen und steigen. Und so manch einem Mieter wird schon jetzt angst und bange, wenn er an die nächste Nebenkostenabrechnung denkt. Vermieter können der Gaspreis-Explosion dagegen relativ gelassen entgegensehen – sie müssen die Rechnung nur an ihre Mieter weiterleiten. Umso erstaunlicher, was sich da jetzt in einem Mietshaus in Frankfurt-Bockenheim zugetragen hat: Da hat der Vermieter den Bewohnern mal eben kurzerhand den Gashahn zugedreht –  um die Mieter vor den hohen Kosten zu schützen, wie er sagt.

Für die Bewohner dieses Hauses in der Falkstraße in Bockenheim ist die Nachricht ein Schock: Ende Juni flattert ihnen ein Brief ihres Vermieters ins Haus. Der Inhalt: so klar wie ungeheuerlich.
Luca, Mieter
„’Der Gas-Bezug für Heizung und Warmwasser ist um 500 Prozent angehoben worden. Die Heizungsanlage lässt sich somit nicht mehr betreiben. Ich kann Ihnen nach der Abschaltung der Gaszufuhr am 1.7.‘, das war dann so eine Woche später, ’nur empfehlen, sich Elektroheizlüfter zuzulegen. Warmes Wasser können Sie in der Küche selber herstellen‘.“
Was erst mal klingt wie ein schlechter Scherz, wird für die Mieter dann sogar schon einen Tag vor dem angekündigten Termin Realität: Aus der Leitung kommt nur noch eiskaltes Wasser. Warm Duschen, spülen oder Hände waschen – von jetzt auf gleich unmöglich.
Jasmin, Mieterin
„Ich hab’s am Anfang versucht, hier zu duschen. Aber es war mir wirklich viel zu kalt. Ich konnte das einfach nicht, und bin dann immer hier vorne zur FTG gegangen – das ist so ein Sportverein. – und habe dann da geduscht.“
Für uns war der Vermieter nicht zu einer Stellungnahme zu erreichen. Den Mietern gegenüber hat er sein Handeln aber damit begründet, dass er ihnen letztlich nur einen Gefallen tue. Weil diese, wie er sagt, die stark steigenden Gaspreise nicht mehr bezahlen könnten.
Jana, Mieterin
„Es war gar nicht so, dass wir da zu diesem Thema irgendwie mit ihm im Kontakt standen und er uns gefragt hat, ob wir das überhaupt bezahlen können. Sondern er hat einfach so für sich festgestellt: ‚Das können die Mieter eh nicht zahlen und deshalb stelle ich das jetzt einfach mal ab‘.“
Edelgard, die wie die anderen Mieter lieber nur ihren Vornamen nennen will, lebt seit 45 Jahren in ihrer Wohnung. Dass sie nach Ansicht ihres Vermieters künftig mit einem Elektroheizlüfter statt mit Gas heizen soll, ist für die 88-Jährige nicht nachvollziehbar. Schließlich sei Strom auch sehr teuer. Und:
Edelgard, Mieterin
„Wenn wir uns jeder einen elektrischen Ofen in die Räume stellen – selbst, wenn Sie nur in einem Raum oder in zwei, in der Küche wolle Sie es ja auch einigermaßen warm haben und im Badezimmer – ob das überhaupt die Leitungen aushalten, das ist noch eine ganz andere Frage.“
Die Bewohner fordern den Vermieter deshalb per einstweiliger Verfügung dazu auf, das Gas sofort wieder anzustellen.
Der Frankfurter Anwalt Kamran Mahmudov vertritt mehrere Mieter in dem Rechtsstreit. Der Experte für Miet- und Wohnrecht stellt klar:
Kamran Mahmudov, Rechtsanwalt
„Der Mieter hat einen Anspruch auf Warmwasserzufuhr und zwar an 365 Tagen, 24 Stunden am Tag. Das Abstellen der Warmwasserzufuhr ist absolut unzulässig, denn das gehört zum Mindeststandard jeder Mietwohnung.“
Das sehen die Richter am Frankfurter Amtsgericht genauso und verurteilen den Vermieter dazu, die Gasversorgung unverzüglich wieder zu gewährleisten. Wenige Tage später wird das Urteil auch noch einmal vom Verwaltungsgericht bestätigt.
Und tatsächlich: Seit ein paar Tagen kommt bei den Mietern in Bockenheim wieder warmes Wasser aus dem Hahn. Doch die trauen dem Frieden nicht. Was, wenn der Vermieter ihnen den Gashahn plötzlich wieder zudreht?
Edelgard, Mieterin
„Ja, das ist die große Frage. Offengestanden gesagt – das weiß ich nicht. Ja, das ist die ganz große Frage. Und das wäre für mich schlimm.“
Jasmin und Jana haben lieber vorsorglich die Reißleine gezogen: Sie haben ihren Mietvertrag gekündigt. Auch Luca schaut sich bereits nach einer neuen Wohnung um. Edelgard will dagegen nach 45 Jahren im Haus auf gar keinen Fall ausziehen.