Urteil im Korruptionsprozess gegen früheren Oberstaatsanwalt

So eine Konstellation gibt’s wirklich sehr selten: Ein Korruptionsermittler, der wegen Korruption vor Gericht steht. Der Prozess vor dem Frankfurter Landgericht gegen den ehemaligen Oberstaatsanwalt Alexander B. sorgte für Aufsehen. Er soll während seiner Ermittlungen gegen Korruption im Gesundheitswesen selbst die Hand aufgehalten haben. Heute ist das Urteil gefallen.

Bestechlichkeit, Untreue, Steuerhinterziehung – in allen drei Anklagepunkten schuldig, so das Urteil des Landgerichts Frankfurt. Der ehemalige Frankfurter Oberstaatsanwalt Alexander B. muss für insgesamt sechs Jahre ins Gefängnis.
Andreas Hohnel, Verteidiger von Alexander B.
„Wir waren auf eine Prise mehr eingestellt. Sie haben vielleicht auch seiner Reaktion entnehmen können, er ist nicht zusammen gebrochen, er hat nicht die Fassung verloren, er war darauf vorbereitet.“
Die Richter sehen es als erwiesen an, dass der ehemalige Oberstaatsanwalt im Rahmen seiner Ermittlungen gegen Ärzte und Apotheker überteuerte Gutachten vergeben hat und zwar fast ausschließlich an die gemeinsame Firma, die er mit dem Mitangeklagten Bernhard A. gegründet hatte. Die Rechnung ging an das Land Hessen. So soll das Unternehmen zwischen 2010 und 2020 12,5 Millionen Euro eingenommen haben. Für den mitangeklagten Geschäftspartner Bernhard A. hat das Gericht eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten ausgesprochen.
Die vorgeworfene Steuerhinterziehung und Bestechlichkeit hatte Alexander B. während der Verhandlung gestanden. Untreue habe er aus seiner Sicht aber nicht begangen.
Andreas Hohnel, Verteidiger von Alexander B.
„Wir werden zunächst fristwahrend, wir haben leider nur eine Woche Zeit, erst mal Revision einlegen und dann werden wir in Ruhe das Urteil prüfen und ich denke, die entscheidende Frage wird sein:Liegt hier eine Treuepflichtsverletzung vor, ja oder nein? Das ist eine Rechtsfrage.“
Bei seiner Urteilsbegründung bezeichnet der Vorsitzende Richter die Straftaten als besonders schwere Fälle und spricht von einer kriminellen Energie des Angeklagten. Alexander B. habe als Oberstaatsanwalt genau gewusst, an welchen Schrauben er habe drehen müssen.
Der Richter kritisiert auch, dass die Straftaten von der hessischen Justiz nicht bemerkt wurden. Denn es habe durchaus Anhaltspunkte für die Korruptionsermittler gegeben. Er spricht von einer Katastrophe, dass ausgerechnet die Staatsanwaltschaft Frankfurt dann schließlich gegen Alexander B. ermittelt hat. Mit Objektivität habe das nichts zu tun. Oberstaatsanwalt Michael Löhr will sich zu diesen Vorwürfen heute nicht äußern. Nur so viel:
Michael Loer, Oberstaatsanwalt Landgericht Frankfurt
„Intern gab es bereits einige Maßnahmen, um zu verhindern, dass solche Straftaten auch zukünftig geschehen. Insbesondere wurden die Regularien a) verschärft und b) dafür Sorge getragen, dass zukünftig diese Regularien auch eingehalten wurden, was hier die Beauftragung und die Kontrolle der Beauftragung von externen Dienstleistern betrifft.“
Mit dem Urteil zeigt die Staatsanwaltschaft sich insgesamt zufrieden. Sie hatte siebeneinhalb Jahre Haft gefordert.  Ob sie in Revision gehen will, habe sie noch nicht entschieden. Die Verteidigung hatte auf vier Jahre plädiert. Die Schadenssumme von rund 600.000 Euro hat Alexander B. bereits zurückgezahlt. Doch nun stehen zusätzlich noch Regressforderungen des hessischen Justizministeriums im Raum. Das würde bedeuten, dass Alexander B. zusätzlich einen Schadensersatz von mehr als 12 Millionen Euro zahlen müsste.