Urteil gegen mutmaßlichen Terroristen

Wollte der damals 19-jährige Marvin E. vor zwei Jahren eine Terrorzelle gründen? Hat er Anschläge auf Politiker, Juden und Migranten vorbereiten? Wollte der junge Mann aus dem nordhessischen Spangenberg einen Rassenkrieg entfachen? Ja – sagt dazu die Bundesanwaltschaft. Seit August letzten Jahres sitzt Marvin E. deshalb auf der Anklagebank vor dem Frankfurter Oberlandesgericht. Heute ist das Urteil gefallen.

Drei Jahre und zehn Monate Haft – so lautet das Urteil gegen den mittlerweile 21 Jahre alten Marvin E. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass der junge Mann Anschläge vorbereitet und versucht hat, Mitglieder für seine terroristische Vereinigung zu rekrutieren – ganz nach dem Vorbild der rassistischen sogenannten „Atomwaffen-Division“.
Dieter Killmer, Oberstaatsanwalt
„Eine Besonderheit war durchaus auch die Vorbereitung mittels doch massiver und im Einzelfall auch tödlich wirkender Sprengstoffvorrichtungen. Also das ist sicherlich ein wesentlicher Aspekt. Aber wesentlich war auch tatsächlich die soziale Isolation, die der Angeklagte im wirklichen Leben gehabt hat und versucht hat zu kompensieren durch seinen virtuellen Raum.“
Bis zu zehn Jahre Haft hätte Marvin E. für seine Taten bekommen können. Doch für das Gericht gab es mehrere strafmildernde Umstände. Der Angeklagte habe alle ihm vorgeworfenen Taten gestanden und mache bei einem Programm zur Deradikalisierung gute Fortschritte, schäme sich mittlerweile für seine rassistischen Aussagen. Außerdem seien seine Anschlagspläne noch nicht konkret gewesen. Auch die fehlende Zuneigung der Eltern in seiner Kindheit habe eine Rolle gespielt. Die Mutter habe ihre Kinder vernachlässigt und sie geschlagen. Er habe weder ein enges Verhältnis zu seinen Geschwistern noch Schulfreunde gehabt. Während des Prozesses habe Marvin E. die Möglichkeit bekommen, das alles aufzuarbeiten.
Franziska Oeler, Reporterin
„Bei seiner Urteilsverkündung sagt der Vorsitzende Richter, er habe noch nie einen so gut gelaunten und fröhlichen Angeklagten erlebt. Die Aufmerksamkeit, die er während des Verfahrens bekommen habe, habe ihm sichtlich gutgetan. Man habe gemerkt, dass Marvin E. in seiner Vergangenheit zu wenig davon bekommen habe. Das Gerichtsverfahren sei teilweise wie eine Therapiesitzung gewesen, in der der 21-Jährige sich mit seinen Beweggründen auseinander gesetzt und seine Gesinnung hinterfragt habe.“
Weil Marvin E. während seiner Taten noch als heranwachsender galt, musste der Senat entscheiden, ob er ein Urteil nach Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht sprechen soll.
Gundula Fehns-Böer, Sprecherin Oberlandesgericht Frankfurt
„Wenn er in seiner Entwicklung eigentlich einem Jugendlichen gleich steht, dann ist auch Jugendstrafrecht anzuwenden, und das hat der Senat hier so empfunden und hat das insbesondere aus den Gesprächen, die natürlich mit dem Angeklagten geführt wurden, aus seiner eigenen Einlassung hergeleitet. Entwicklungsverzögerungen und Reifeverzögerungen in ganz erheblichem Umfang wurden vom Senat festgestellt, sodass dann der Aspekt der erzieherischen Arbeit, der bei der Jugendstrafe im Vordergrund steht, für die Anwendung des Jugendstrafrechts sprach.“
Marvin E. und seine Verteidiger haben das Urteil angenommen. Die Bundesanwaltschaft hat zu einer möglichen Revision noch keine Aussage gemacht. Sollte auch sie dem Urteil zustimmen, ist es rechtskräftig.