Unternehmen fordern weniger Bürokratie

Seit Anfang des Jahres gibt es in Hessen etwas, was es so in Deutschland kein zweites Mal gibt: Als erstes und bisher einziges Bundesland verfügt Hessen seitdem über einen „Entbürokratisierungsminister“. Sein Name: Manfred Pentz. Sein Ziel: Den Paragraphen-Dschungel lichten. Von Anfang an hat Manfred Pentz dabei auch durchklingen lassen, wie er sich seine Arbeit vorstellt: Er bittet Betroffene, ihm genau zu schildern, welche bürokratischen Hürden ihnen das Leben besonders schwer machen. Mehrere hessische Berufskammern nehmen den Minister nun beim Wort – und machen ganz konkrete Vorschläge zum Bürokratie-Abbau.

In der Werkstatt von Stefan Füll in Wiesbaden stehen 41 Leitern. Die sind in dem Maler- und Lackiererbetrieb natürlich im Dauereinsatz – etwa, wenn Innenräume frisch gestrichen werden. Doch Vorsicht: Leiter ist nicht gleich Leiter. Die einen sind schon etwas älter und verfügen nicht wie dieses neuere Modell über extra breite Stufen. Macht in der Praxis kaum einen Unterschied – und wird doch streng unterschieden. Denn laut einer neuen Verordnung dürfen Stefan Füll und seine 17 Mitarbeiter die alten Leitern nur noch für Inspektionszwecke nutzen. Sobald aber jemand einen Pinsel in die Hand nimmt, darf nur noch eine Leiter mit extra breiten Trittbrettern benutzt werden.
Doch damit nicht genug: Zu allem Überfluss muss Malermeister Füll auch noch ein so genanntes „Leiterbuch“ führen, in dem alle Leiter-Einsätze akribisch genau festgehalten werden: Für den Handwerksmeister Bürokratie-Irrsinn wie aus dem Lehrbuch. So wie auch diese kleinen Aufkleber auf jedem noch so kleinen Elektrogerät in seiner Firma.
Stefan Füll, Füll Malerwerkstätten Wiesbaden: „E-Check-Zeichen nennt sich das. Wir müssen jedes elektrische Gerät, ob auf Baustelle oder im Büro, das verwendet wird, alle 2 Jahre mal überprüfen lassen. Oder es kommt etwas Neues dazu, dann auch immer zwischendurch gleich wieder. Selbst neue Geräte, die gerade erst zu Corona-Zeiten angeschafft wurden, Festnetz-PCs auf Laptops umgestellt haben, braucht heute alles ein E-Check-Zeichen, bevor es überhaupt benutzt werden darf.“
Kosten für die Überprüfung: Rund 1000 Euro. Für nichts und wieder nichts – schließlich kommt in Deutschland ohnehin kein Elektrogerät ohne TÜV- und Sicherheitssiegel in den Handel. Nur zwei Beispiele von vielen, die zeigen: Da läuft etwas schief in unserem Land. Findet auch Kirsten Schoder-Steinmüller vom hessischen Industrie- und Handelskammertag.
Kirsten Schoder-Steinmüller, Präsidentin Hessischer Industrie- und Handelskammertag: „Wir ersticken in Verordnungen. In Statistiken, die wir alle ausführen müssen. Wir haben teilweise gar keine Zeit mehr, uns um unsere Kunden zu kümmern.“
Rund die Hälfte der Arbeitszeit gehe in vielen Unternehmen, Arztpraxen und Kanzleien inzwischen für bürokratischen Aufwand verloren: Das könne so nicht weitergehen. Deshalb haben die fünf großen hessischen Berufskammern ihre wichtigsten Entbürokratisierungs-Forderungen in einem Weißbuch zusammengefasst und gestern Abend im Wiesbadener Kurhaus feierlich an Hessens ersten Entbürokratisierungsminister Manfred Pentz übergeben.
Manfred Pentz, CDU, Entbürokratisierungsminister Hessen: „Ich hab gesagt: Lasst uns nicht lange über Bürokratie global reden. Lasst uns konkret Dinge identifizieren, wo der Schuh drückt. Lasst uns sie angehen. Und das haben die Kammern heute gemacht, und das finde ich sehr sehr klasse. Deswegen nehme ich es ernst. (Blitz) Und ich gehe fest davon aus: Wenn wir uns nächstes Jahr sehen, haben wir einige Dinge entbürokratisiert in Hessen.“
Insgesamt enthält das Weißbuch 19 ganz konkrete Vorschläge zur Entbürokratisierung. Innerhalb eines Jahres will der Minister 70 Prozent der Vorschläge umsetzen. Ein ehrgeiziges Ziel – wir bleiben auf jeden Fall dran. Und schauen uns in einem Jahr genau an, ob sich der Vorschriften-Dschungel tatsächlich ein Stück weit gelichtet hat.