Überlastete Justiz: Sechs Verdächtige müssen aus U-Haft entlassen werden

Wenn jemand im Verdacht steht, ein Verbrechen begangen zu haben, dann kommt er oft bereits vor dem Prozess in Haft – in Untersuchungshaft. Die darf allerdings nicht ewig andauern, in der Regel 6 Monate, dann sollte der Prozess beginnen. Doch was passiert, wenn der Prozess nicht beginnt, weil die Gerichte überlastet sind? Dann müssen Täter freigelassen werden – so wie jetzt in Frankfurt.

Durch diese Tore in die Freiheit, weil die Mühlen der Justiz zu langsam mahlen. So nun geschehen bei sechs mutmaßlichen Straftätern, die nach teilweise über einem Jahr Untersuchungshaft nun freigelassen wurden. Versuchter Totschlag, schwerer Raub, gefährliche Körperverletzung lauten unter anderem die Vorwürfe.
Weil das Landgericht Frankfurt es bis jetzt nicht schaffte, diesen Personen den Prozess zu machen und das auch auf absehbare Zeit nicht schaffen wird, hat das Oberlandesgericht die Haftbefehle aufgehoben.
Der noch neue hessische Justizminister sieht darin kein gutes Beispiel für den Rechtsstaat.
Roman Poseck, CDU, Justizminister Hessen
„Also, diese Fälle sind ärgerlich, da brauchen wir gar nicht drumherum reden. Das Landgericht Frankfurt hat die Fälle nicht so schnell bearbeitet – aus ihrer Sicht nicht so schnell bearbeiten können – wie es erforderlich ist. Bei Haftsachen gilt ein Beschleunigungsgebot und das ist hier nach der Entscheidung des OLG Frankfurt nicht eingehalten gewesen.“
Das Beschleunigungsgebot besagt, dass die Justiz alles tun muss, um das Hauptverfahren möglichst schnell zu beginnen. Überlastete Gerichte können nicht als Grund gelten, eine Untersuchungshaft zu verlängern.
Die hessische AfD-Fraktion bezeichnet die Überlastung als künstlich erzeugt. Ordnungswidrigkeitsanzeigen gegen Corona-Spaziergänger und Asylverfahren würden die Gerichte verstopfen.
Gerhard Schenk, AfD, Landtagsabgeordneter Hessen
„Da muss zunächst mal die Priorisierung von dem Geschäftsverteilungsplan in dem entsprechenden Landgericht umgestellt werden, dass die Verfahren, die eine hohe kriminelle Energie besitzen, vorrangig abgearbeitet werden. Also, mit Ordnungswidrigkeitsverfahren und mit Rechtsbeschwerden in diesem Bereich kann man sich auch später beschäftigen.“
Der hessische Richterbund klagt seit Jahren. Hessenweit fehlten mindestens 200 Richter und Staatsanwälte.
Johannes Schmidt, Vorsitzender Richterbund Hessen
„Diese strukturelle Unterbesetzung hat ihren Grund darin, dass die Landesverwaltung bisher nicht in der Lage war, die eigene Personalbemessung umzusetzen und die eigenen Vorgaben hinsichtlich der Personalausstattung der Gerichte umzusetzen.“
Statt wie vom Richterbund gefordert sofort, kündigt Justizminister Poseck aber erst für den nächsten Landeshaushalt „viele“ neue Stellen an. Richter und Staatsanwälte werden sicher auch in Zukunft genug zu tun haben.