Türkisch und Ukrainisch als zweite Fremdsprache in Hessen möglich

Französisch, Russisch oder doch Chinesisch – das Fremdsprachen-Angebot an hessischen Schulen ist groß. Seit zwei Jahren wird in Kassel und Lollar auch Türkisch gelehrt. Es ist ein Schulversuch, der zeigen soll, wie groß das Interesse bei den Schülern ist – und ob es sich lohnt, diese Sprache als Regelunterricht einzuführen. In dieser Form wird es ab dem kommenden Schuljahr auch Ukrainischunterricht geben. Damit nimmt Hessen bundesweit eine Vorreiterrolle ein.

Seit mehr als zwei Jahren unterrichtet Mariia Sapa ukrainische Kinder und Jugendliche in Hessen, heute am Johanneum Gymnasium in Herborn. Sie ist, genau wie ihre Schüler, vor dem russischen Angriffskrieg geflohen. Damit Sprache und Kultur nicht zu sehr verblassen, beschäftigt sich die Gruppe vier Stunden pro Woche mit ihrem Heimatland. Heute geht es um die ukrainische Verfassung. Es ist für sie der einzige Kurs in ihrer Muttersprache. Ab dem kommenden Schuljahr wird Mariia Sapa auch die ukrainische Sprache selbst lehren.
Mariia Sapa, Lehrerin
„Die haben Deutsch, die haben Englisch. Deutsch zählt jetzt als erste Sprache, als Muttersprache für sie hier in Deutschland, in Hessen. Und wenn sie diese Möglichkeit haben, Ukrainisch als Zweitsprache zu wählen, dann haben sie halt Deutsch, Englisch und Ukrainisch.“
Und damit ähnliche Voraussetzungen wie die meisten anderen Jugendlichen: ihre eigene und zwei weitere Sprachen. Das erhöhe für ukrainische Schüler die Chance auf bessere Bildungsabschlüsse.
Eine Win-Win-Situation, findet der hessische Kultusminister, denn bessere Bildungsabschlüsse bedeuten für die Zukunft auch mehr Fachkräfte für Hessen.
Armin Schwarz (CDU), Bildungsminister Hessen
„Und dieses Angebot hat dafür gesorgt, dass aus anderen Bundesländern ukrainische Lehrkräfte bei uns anklopfen und fragen, ob sie bei uns arbeiten können. Das Tolle ist, dass diese Lehrkräfte nicht nur Ukrainisch unterrichten, sondern ganz häufig Mangelfächer mitbringen.“
Was dem allgemeinen Lehrermangel entgegenwirken könne.
Das Angebot richte sich aber nicht nur an ukrainische Schüler. Auch alle anderen könnten das neue Fach als zweite Fremdsprache wählen, das Niveau werde entsprechend angepasst.
Insgesamt können Kinder und Jugendliche in Hessen aus einem großen Pool an Fremdsprachen wählen. Neben klassischen Fächern wie Englisch, Französisch und Spanisch gibt es auch beispielsweise Polnisch, Arabisch und Chinesisch. Seit zwei Jahren gehört auch Türkisch dazu. Allerdings wird diese Sprache, genau wie künftig Ukrainisch, nur als Schulversuch angeboten. Eigentlich sollte Türkisch im kommenden Schuljahr in den regulären Fremdsprachenkanon des Landes aufgenommen werden, so hatte es die schwarz-grüne Vorgängerregierung angekündigt. Der amtierende Kultusminister aber hat andere Pläne.
Armin Schwarz (CDU), Bildungsminister Hessen
„Obwohl wir das Angebot ‚Türkisch als zweite Fremdsprache‘ bewerben und zwar intensiv, haben wir derzeit an zwei Schulen in Hessen nur tatsächlich die Nachfrage mit in Summe 35 Jugendlichen.“
Es gebe einfach zu wenig Interesse vonseiten der Schüler, um das Fach regulär einzuführen. Ein Argument, dass Turgut Yüksel so nicht gelten lässt. Er sitzt für die SPD im hessischen Landtag und kämpft, gemeinsam mit anderen Abgeordneten, seit Jahren für die reguläre Einführung von Türkisch und auch Griechisch als zweite Fremdsprache.
Turgut Yüksel (SPD), Abgeordneter Landtag Hessen
„Es gibt ja keine Untersuchung darüber, ob das Interesse groß oder klein ist, sondern man muss dieses Interesse ja auch wecken.“
Und die Aufgabe der Politik bestehe darin, überhaupt erst mal für ein Angebot in verschiedenen Städten zu sorgen, das Projekt bekannter zu machen und die Fragen der Eltern zu beantworten.
Turgut Yüksel (SPD), Abgeordneter Landtag Hessen
„Das Problem mit dem Schulversuch besteht darin, dass die Eltern nicht genug informiert sind und auch verunsichert sind, weil sie nicht wissen, was passiert, wenn dieser Schulversuch scheitert.“
Darum müsse man sich keine Sorgen machen, entgegnet der Kultusminister. Solange Schüler Türkisch lernen wollen und auch entsprechend Lehrkräfte zur Verfügung stehen, bleibt das Angebot erhalten. Sollten noch mehr Schüler und Schulen Türkisch lernen und lehren wollen, könne das Angebot auch jederzeit ausgeweitet werden.