Tritt Nancy Faeser bei der Landtagswahl an?

Tut sie’s oder tut sie es nicht? Gut ein Jahr vor den Landtagswahlen in Hessen stehen die Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten bei allen großen Parteien bereits fest – außer bei der SPD. Hier wird die Frage immer drängender: Wird Bundesinnenministerin Nancy Faeser aus Berlin zurück nach Hessen kommen, um im Wahlkampf gegen Boris Rhein, den amtierenden CDU-Ministerpräsidenten, und seinen Stellvertreter Tarek Al-Wazir von den Grünen anzutreten?

Nancy Faeser, SPD, Bundesinnenministerin
„Auch wenn ich durch mein Amt als Bundesinnenministerin viel in Berlin bin, in Brüssel oder in der ganzen Republik, so hat sich doch nichts geändert: Mein Herz ist in Hessen.“
Mit dem Herzen in Hessen, aber mit dem Kopf in Berlin? Nancy Faesers Worte bei ihrer Wiederwahl zur Landesvorsitzenden Anfang Mai in Marburg lassen eigentlich keinen Raum für Zweifel: Hier komme ich her, hier gehöre ich hin. Und doch wird Faeser gleichzeitig nicht müde zu betonen, dass sie ihr Amt als Bundesinnenministerin mit voller Hingabe ausübe. Ein fast unmöglicher Spagat zwischen Berlin und Hessen, sagt der Mainzer Politikwissenschaftler Eike-Christian Hornig.
Dr. Eike-Christian Hornig, Politikwissenschaftle
„Also, für Frau Faeser ist es natürlich eine schwierige Situation, auf zwei Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen. Einerseits muss sie volles Engagement im Innenministerium zeigen. Auf der anderen Seite in der hessischen Landespolitik präsent zu sein, wird dadurch schwierig.“
Der Druck auf Nancy Faeser, sich für Berlin oder Wiesbaden zu entscheiden, wächst. Und egal, wie ihre Entscheidung ausfällt – es wird enttäuschte Gesichter geben. Entweder bei der Hessen-SPD, die am liebsten ihr bekanntestes Gesicht ins Rennen ums Ministerpräsidentenamt schicken würde – oder bei der Bundesregierung um Kanzler Olaf Scholz, der Nancy Faeser gerne als Innenministerin behalten möchte.
Dr. Eike-Christian Hornig, Politikwissenschaftler
„Wenn Frau Faeser jetzt sagen würde, sie möchte tatsächlich Spitzenkandidatin der SPD werden für die Landtagswahlen in Hessen, dann wäre sie sicherlich in Berlin auf Abruf. Und man würde sich schon hinter den Kulissen eventuell nach Ersatz umgucken. Das würde tatsächlich ihrem Gewicht und vielleicht auch ihrer Durchschlagskraft im Bundeskabinett schaden.“
Nancy Faeser steckt also in der Zwickmühle. Kein Wunder, dass die Konkurrenz im hessischen Landtag gut Lachen hat. Gleichzeitig zeigt man sich erstaunt über das Zögern und Zaudern der SPD und ihrer Wunschkandidatin.
Manfred Pentz, CDU, Generalsekretär Hessen
„Es ist ja eigentlich nicht mein Job, die SPD zu beraten, aber es verwundert einen schon. Wir haben, wie ich finde, den Übergang als CDU Hessen sehr gut gemeistert von Volker Bouffier zu Boris Rhein. Wenn wir uns die Umfrageergebnisse momentan in Hessen anschauen, dann ist die SPD bei rund 15 Prozent. Das ist der schlechteste Wert, der für die SPD je gemessen wurde. Vielleicht liegt es daran.“
Stefan Naas, FDP, Spitzenkandidat Hessen
„Ich schätze die Kollegin Faeser sehr und würde mich freuen, wenn sie kandidiert. Und ich glaube aber, sie muss sich irgendwann mal festlegen. Sonst wird die Zeit so ein bisschen kurz und knapp, auch für den Wahlkampf. Und es wäre gut für alle Beteiligten, wenn wir wissen, mit wem wir es zu tun haben.“
Das sieht die SPD anders: Den Sozialdemokraten geht es in erster Linie um Inhalte und nicht um Personen. Und im Moment sei man ohnehin gerade erst dabei, das Wahlprogramm für 2023 vorzubereiten.
Christoph Degen, SPD, Generalsekretär Hessen
„Also wissen Sie, wir haben bestimmt noch mindestens ein Jahr lang Zeit bis zur Landtagswahl. Ich glaube, die Leute haben genug, wenn Wahlkampf drei Monate davor stattfindet. Und da haben wir noch ausreichend Zeit, uns zu sortieren und jemanden zu nominieren. Und das haben wir vor, spätestens Anfang nächsten Jahres zu tun.“
Stand jetzt, will die Hessen-SPD auf einem Parteitag am 03. oder 04. Februar über ihren Spitzenkandidaten für die Landtagswahl entscheiden. Sollte Nancy Faeser ihren Hut tatsächlich in den Ring werfen, droht ihr im schlimmsten Fall der Absturz: von der großen Berliner Bühne zurück auf die Oppositionsbank im hessischen Landtag.