Transportgewerbe erwartet Unterstützung von der Politik

Eva Dieterle spricht mit dem Vorstandssprecher des Bundesverbands Güterverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), Prof. Dirk Engelhardt

Eva Dieterle, Moderatorin: Guten Abend.
Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher BGL: Guten Abend.
Dieterle: Herr Engelhardt, das Transport-Gewerbe leidet massiv unter den explodierenden Treibstoff-Preisen. Was erwarten Sie in dieser Situation von der Bundesregierung? Immerhin besteht der Dieselpreis zu mehr als der Hälfte aus Steuern und Abgaben!
Engelhardt: Ich habe eine solche Situation, wie wir sie im Moment haben, im Markt noch nie erlebt. Wir brauchen im Moment händeringend Unterstützung für das mittelständische deutsche Transportgewerbe. Ich habe die ganzen Corona-Wellen jetzt mitgemacht, kann aber sagen, die Lage war noch nie so angespannt wie im Moment. Die extremen Preissprünge im Diesel fressen schlichtweg die Liquidität unserer Mittelständler auf. Viele Unternehmen sagen, sie können so nicht weiter am Markt agieren und sie sind gezwungen, ihre Fahrzeuge stehenzulassen. Und deswegen brauchen wir hier dringend temporär, das heißt zeitlich begrenzt Unterstützung seitens der Politik.
Dieterle: 7 Prozent aller auf unseren Straßen eingesetzten LKW-Fahrer sind Ukrainer. Verschärft sich durch den Krieg in ihrem Land der Fahrer-Engpass – den es bei uns sowieso schon gab – jetzt so richtig?
Engelhardt: Der Fahrermangel ist ein aktuell akutes Problem. Unabhängig vom Ukrainekrieg fehlen in Deutschland 80.000 Fahrer, Tendenz weiter steigend. Jedes Jahr kommen 15.000 weitere fehlende Fahrer hinzu. Erschwert wird das Ganze jetzt durch die Ukrainekrieg. Das sind vornehmlich polnische Frachtführer, die ihre Transportdienstleistungen in Europa anbieten, und allein in Polen sind 103.000 Ukrainer beschäftigt. Ungefähr bei jedem dritten polnischen und litauischen Fahrzeug, was in Deutschland eingesetzt wird, ist ein ukrainischer Fahrer im Einsatz. Wenn die jetzt noch wegbrechen, belastet das die Transportketten zusätzlich. Das Hauptproblem, was wir aber aktuell haben, ist eben nicht der Fahrermangel. Das ist auch ein ganz, ganz wichtiges Thema, aber im Moment sind wir ganz akut von den explodierenden Dieselpreisen betroffen und hier brauchen wir einen Gewerbediesel, vielleicht für einen begrenzten Zeitraum von 90 bis 120 Tagen. Wenn wir den nicht bekommen, sind die 500.000 Fahrzeuge von deutschen Transportdienstleistern, die täglich unsere Versorgung sicherstellen, akut gefährdet und deswegen ist es so wichtig, dass jetzt hier schnell, unbürokratisch und direkt gehandelt wird.
Dieterle: Wenn sich die Lage beim Kraftstoff wie auch auf der Fahrerseite weiter verschärft: Befürchten Sie Liefer-Engpässe mit weitreichenden Folgen für die Industrie und ihre Produktion?
Engelhardt: Ich glaube, jeder hat noch die Bilder von England vor Augen in der Corona-Pandemie, gepaart mit dem Brexit, und die furchtbaren Bilder an den Tankstellen, den leeren Supermarktregalen. Genau auf das gleiche Szenario steuern wir auch zu. Wenn wir nicht bei dem Thema Fahrermangel und jetzt ganz aktuell beim Thema explodierende Kraftstoffpreise Gegenmaßnahmen einleiten, dann droht uns ein schleichender Versorgungskollaps mit Problemen und Engpässen in der Lieferkette.
Dieterle: So viel zu den Konsequenzen hier bei uns. Herr Engelhardt, vielen Dank für Ihre Einschätzungen.
Engelhardt: Ganz herzlichen Dank.