Tierheime am Limit

Mehr als 550 Tierheime gibt es in Deutschland. Sie erhalten in der Regel zwar finanzielle Unterstützung von ihren Gemeinden, aber dieses Geld reicht selten aus. Trotz Spenden sind viele vereinsbetriebene Tierheime gerade in größter Not. Zum einen sind die Energiekosten stark angestiegen, zum anderen wurden in den letzten Monaten deutlich mehr Tiere abgegeben als gewöhnlich. Ihre Herrchen und Frauchen können sich das Tier nicht mehr leisten oder sind ganz einfach überfordert.

Das ist Hector, zweieinhalb Jahre alt und 45 Kilogramm schwer. Abgegeben von einer überforderten Familie mit Kleinkindern und ohne die nötige Erfahrung im Umgang mit Hunden.
Thomas Geyer, Tierhelfer Ingelheim e.V.
„Hector wurde fürs Kind geholt, für ein 13-jähriges Mädchen. Eine völlig falsche Anschaffung. Die Erwachsenen müssten schon selber in sich standfest sein, um dem Hund Grenzen zu setzen.“
Der Cane Corso wurde zunächst für drei Tage im Tierheim abgegeben. Aus diesen drei Tagen ist mittlerweile ein halbes Jahr geworden. Allein für die Aufnahme von Hunden, die meisten mit auffälligen Verhaltensweisen, bekommt das kleine Tierheim in Ingelheim im Schnitt drei Anfragen pro Woche. Zusammen mit Katzen und Kleintieren muss sich das grade mal achtköpfige Team jedes Jahr um rund 800 Tiere kümmern. Tendenz stark steigend!
Thomas Geyer, Tierhelfer Ingelheim e.V.
„Unsere Lage ist angespannt, also das kann man sagen. Die Finanzen zwingen uns wirklich zu Maßnahmen und fast schon zum Betteln, weil wir nicht wissen ob wir überleben.“
Das finanzielles Loch ist inzwischen rund 60.000 Euro groß, entstanden durch gestiegene Personal-, Tierarzt- und Energiekosten. Letztere seien bereits im vergangenen Jahr um 30% gestiegen.
Thomas Geyer, Tierhelfer Ingelheim e.V.
„Unsere Gebäude sind alt. Das heißt, wir heizen natürlich auch mal im übertragenen Sinne für ‚draußen‘. Die sind nicht so isoliert, wie man es gern hätte und zum Renovieren fehlt auch das Geld.“
Geht es so weiter, muss das Tierheim schließen.
Von Rheinland-Pfalz nach Hessen. Auch im Tierheim Frankfurt ist die Situation angespannt. Hier werden derzeit sehr viele Kleintiere abgegeben. Statt der üblichen 500, kommen müssen hier aktuell rund 750 Tiere versorgt werden. Besonders energie- und daher kostenintensiv: die Unterbringung der Reptilien und Exoten.
Sabine Urbainsky, Leitung Tierschutzverein Frankfurt am Main und Umgebung von 1841 e. V.
„Die Bartagamen, wie man sie hier sieht, klar, die gehen bald in Winterruhe für ein zwei Monate, dann hat man mal kurz eine Entlastung. Aber wir haben auch Tiere da, wie bestimmte Wasserschildkröten, die müssen ganzjährig warmgehalten werden. Da kann ich jetzt nicht einfach sagen: ‚So, jetzt machen wir den Strom weg und gut ist‘. Also eine Einsparung, gerade in Energie im Tierheim … utopisch. Ja, eigentlich fast gar nicht umsetzbar.“
Der Tierschutz Landesverband Rheinland-Pfalz kritisiert schon länger, dass die Tierheime von Städten und Gemeinden zu wenig Geld erhalten, die allerdings selbst auch große finanzielle Probleme haben.
Andreas Lindig, Deutscher Tierschutzbund Landesverband Rheinland-Pfalz e. V.
„Die Tierheim übernehmen kommunale Aufgaben und deswegen muss es so sein, dass dann auch die kompletten Kosten, die dadurch entstehen, dass die von der Kommune genommen werden. Da muss also ein Umdenken stattfinden, dass die Tierheime bestehen können und diese Aufgaben, die sie da bekommen, auch leisten können.“
Immerhin: Die Verbandsgemeinde Gau-Algesheim hat Thomas Geyer kürzlich angekündigt, dem kleinen Tierheim künftig deutlich mehr Geld zur Verfügung zu stellen. Außerdem haben die Tierschutzvereine in Frankfurt und Ingelheim finanzielle Hilfe vom Bund beantragt. Dieser hatte im September zumindest allen Tierheimen, die Tiere aus der Ukraine aufgenommen haben, eine Finanzspritze zugesagt.