Studiogespräch mit dem hessischen FDP-Fraktionsvorsitzenden René Rock über Koalitionsvertrag und Corona-Lage

Auch die FDP hat am Wochenende dem Koalitionsvertrag zugestimmt. Dass in einer Ampelregierung aus SPD, Grünen und FDP alle Partner Kompromisse eingehen müssen ist klar, aber die Liberalen räumen jetzt schon elementare Positionen ab. Zum Beispiel beim Thema Impfpflicht. Darüber sprechen wir mit dem FDP-Fraktionschef im hessischen Landtag – vorher der Blick auf den Parteitag am Wochenende.

„Es ist besser diese Koalition zu wagen, als auf Gestaltungschancen zu verzichten.“. sagt FDP Chef Christian Lindner. Wovor sich die Partei vor vier Jahren bei ihrer Rückkehr in den Bundestag noch scheute, wird jetzt in die Tat umgesetzt: Regierungsbeteiligung.
Volker Wissing, FDP-Generalsekretär
„Dieser Parteitag leitet einen neuen Abschnitt in der Geschichte der Freien Demokraten ein. Wir übernehmen in schwierigen Zeiten Verantwortung für unser Land. Wir bringen unsere Idee der Freiheit in ein Regierungsbündnis ein, mit dem wir auf Bundesebene noch keine Erfahrungen haben.“
Erfahrungen mit einer Ampelregierung gibt es bislang nur in Rheinland-Pfalz. Deshalb spielt Volker Wissing, der dort Wirtschaftsminister war, eine wichtige Rolle, zukünftig dann wohl als Bundesverkehrsminister.
Ein weiteres prominentes Ressort wird allen Anzeichen nach der jetzige FDP-Parteichef Christian Lindner übernehmen – als Minister für Finanzen.
Mit der FDP wird es wohl keine Steuererhöhungen geben, an der Schuldenbremse wird festgehalten, ein Tempolimit ist vom Tisch.
Dafür akzeptieren die Liberalen unter anderem einen höheren Mindestlohn von planmäßig zwölf Euro – das lag SPD und Grünen am Herzen.
Christian Lindner, FDP-Parteivorsitzender
„Am Ende liegt jetzt nun ein Koalitionsvertrag vor, bei dem ich überzeugt bin, dass er nicht geprägt ist dadurch, wo wir uns gegenseitig begrenzt haben, sondern dieser Koalitionsvertrag ist dadurch geprägt, wo wir uns gegenseitig erweitert und ergänzt haben.“
Und trotzdem ist es in Pandemiezeiten ein schwerer Start für die Ampel und besonders für die FDP – für die, laut ihrer Homepage, „Freiheit nicht bloß ein Wort ist, sondern ein Lebensgefühl“, weiter noch: der zentrale Ausgangspunkt und Wert unserer Demokratie.
Da passen Themen wie schärfere Beschränkungen, 2G und Impflicht wohl nicht so gut. Und doch muss sich die FDP da bewegen. Nach Weihnachten soll sich zum Beispiel eine Expertenkommission intensiv mit dem Thema Impfpflicht auseinandersetzen.
Lange wurde das von den Liberalen ausgeschlossen. Eher waren noch im Sommer die Rufe nach einem „Freedom Day“ – also nach der Aufhebung der meisten Corona-Beschränkungen – gerade aus FDP-Kreisen besonders laut.
„Mehr Fortschritt wagen“ – so der Titel des Koalitionsvertrages. Für die FDP heisst das wohl auch, mit einigen alten Positionen aufräumen.
Markus Appelmann, Moderator: Viele Themen, die wir jetzt mit René Rock besprechen, der FDP-Fraktionschef im hessischen Landtag. Guten Tag.
René Rock, FDP, Fraktionsvorsitzender Hessen: Ja, guten Tag.
Appelmann: Herr Rock, die FDP hat dem Koalitionsvertrag zugestimmt. Dieser Koalitionsvertrag wird vor allem eines: Er wird teuer. Corona-Bekämpfung, Klimaschutz, Digitalisierung. Auch dass die FDP den nächsten Finanzminister stellt, ändert daran nichts, oder?
Rock: Ja, aber es sorgt dafür, dass es eben nicht durch Schulden finanziert wird, sondern dass wir eben privates Kapital aktivieren wollen und dass wir privates Kapital zum Investieren aktivieren wollen. Und da sind wir guter Dinge, dass wir das hinkriegen.
Appelmann: Im Sondierungspapier der Regierung stand ganz klar drin, dass es keine Steuererhöhungen geben wird. Das steht so klar im Koalitionsvertrag nicht drin. Hat das nur uns gewundert oder auch Sie?
Rock: Nein, also im Sondierungspapier ist ja klar die Aussage getroffen worden und das gilt auch jetzt für uns. Und da Christian Lindner Finanzminister ist, haben wir da gar keine Bedenken, dass das auch gilt.
Appelmann: Lassen Sie uns zur Corona-Lage kommen. Es war die FDP, die für den Herbst einen Freedom Day ausrufen wollte, so war auf jeden Fall die Planung, dass also alle Corona-Maßnahmen fallen. Wie kam es zu dieser Fehleinschätzung?
Rock: Na ja, gut, also erst mal haben ja, glaube ich, ganz viele Leute vor der Bundestagswahl sich davon distanziert, dass es eine Impfpflicht geben könnte oder dass wir zurück müssten in den Lockdown. Das wurde ja auch hier von der Landesregierung ausgeschlossen.
Ich glaube, wir haben einfach ein bisschen was verpennt, im Sommer vorzubereiten. Und damit sind wir jetzt wieder in der Lage, die schon ein bisschen daran erinnert, was wir letztes Jahr hatten, wobei wir durch das Impfen und andere Maßnahmen jetzt schon besser dastehen.
Appelmann: Thema „Impfen“ ist ein gutes Stichwort, das wir gerne aufgreifen würden. Thema „Impfpflicht“. Ich zeige Ihnen mal einige Artikel aus diesem Jahr. Im Sommer schließt FDP-Chef Christian Lindner eine allgemeine Impfpflicht aus. Im November schließt er sie nicht mehr aus und nun „tendiert“ er zu einer allgemeinen Impfpflicht. Bevor wir zu Ihrer persönlichen Überzeugung kommen, zunächst die Frage Wie erklären Sie sich diese Kehrtwende?
Rock: Es ist ja eine Entwicklung, die man da sieht. Also wir als Freie Demokraten, als Partei, die für Eigenverantwortung steht und für die Freiheit der Bürger, ist natürlich die Annäherung an solche Pflichten der weiteste Weg von allen. Alle anderen Parteien sind vielleicht der Meinung zu sagen: „Na ja, wenn der Bürger nicht will, dann mache ich halt ein Gesetz“.
Das ist für uns nicht so einfach und darum muss man diese Entwicklung eben sich anschauen und am Ende darf man nicht dogmatisch sein und muss die Lösung treffen oder finden, die uns dann alle aus diesem Corona-Problem herausführt. Und wenn dazu solche Themen gehören, dann muss man die auch beraten und überlegen, wie wir damit umgehen.
Appelmann: Aber jetzt mal ganz klar die Frage an Sie: Sind Sie für eine allgemeine Impfpflicht?
Rock: Also, so pauschal würde ich das nicht beantworten. Ich bin auch sehr wütend, dass wir heute wieder da stehen, wo wir vor einem Jahr standen. Und natürlich könnte man sich jetzt einfach machen und könnte sagen: Da ist derjenige oder da sind diejenigen schuld. Aber ich glaube, wir müssen erst mal genau wissen, was was hilft und was nichts hilft. Und wir wissen, aus dieser Corona-Welle kommen wir damit auch nicht raus.
Und von daher muss man alles abwägen und man darf aber auch am Ende nichts ausschließen. Ich persönlich hätte jetzt in der Situation große Probleme mit einer Impfpflicht.
Appelmann: Okay, Sie distanzieren sich momentan noch. Am Anfang der Sendung hatten wir mit den neuen Personalien unter anderem der neue designierte Bundesverkehrsminister Volker Wissing, der Wirtschaftsminister in Rheinland-Pfalz war. Er hat gestern folgendes gesagt:
„In der aktuellen Situation scheint es sinnvoller, Weihnachten im kleinen Kreis zu Hause zu verbringen und keine größeren Reisen durchs Land zu planen. Der Winter 2021 wird dramatischer als der Winter 2020“.
Reisebeschränkungen über Weihnachten von einem liberalen Minister. Sieht so die liberale Handschrift aus, wenn man Verantwortung in der Regierung übernehmen muss?
Rock: Ja, es ist ja klar geworden, wir wollen keine Reisebeschränkungen, sondern wir setzen auf die Eigenverantwortung der Bürger. Dass man sich eben vernünftig verhält und wenn man verreist, auch entsprechende Sicherheitsvorkehrungen trifft. Und die Einschätzung, dass der Winter schwierig werden könnte, die zeichnet sich ja jetzt schon ab.
Hier in Hessen vielleicht nicht so schlimm wie in Thüringen, also da gibt es ja in Deutschland auch riesen Unterschiede, und von daher müssen wir jetzt alle vorsichtiger sein. Ich glaube, das macht auch jeder Bürger. Jeder Bürger wird vorsichtiger und damit gibt er seinen Teil mit rein, damit wir vielleicht doch keinen Lockdown bekommen.
Appelmann: Die Zeit der reinrassigen Opposition ist vorbei. Für die FDP im Bund sind Sie bald in der Ampelregierung mit dabei.Haben Sie schon überlegt, wie Sie diese Rolle ausfüllen wollen?
Rock: Na ja, gut, für Hessen ist es ja so: Wir haben eine schwarz-grüne Regierung und die hat ja keine Mehrheit gefunden in der Bundestagswahl, die stand ja auch irgendwie zur Auswahl, sondern jetzt ist es eine Ampel geworden. Und von daher glauben wir schon, wenn es der Ampel jetzt gelingt, Aufbruch in unserem Land zu gestalten, wird der Druck auf Hessen auch groß, zu sagen, dass das jetzige Regierungsmodell keine Zukunft hat, sondern dass wir auch …
Appelmann: Höre ich da heraus: Ampel für Hessen?
Rock: Sie hören da heraus, dass dieses Regierungsmodell Schwarz-Grün keine Mehrheit hat und vielleicht auch keine Zukunft. Und da setzen wir natürlich drauf, auf den Wechsel in Hessen. Und jetzt wechseln wir vielleicht nächstes Jahr erst mal den Ministerpräsidenten aus und dann hoffentlich dann auch die gesamte Regierung.
Appelmann: Klingt nach spannenden in Hessen Danke schön, dass Sie heute da waren, René Rock, der FDP-Fraktionschef im hessischen Landtag.
Rock: Ja, gerne.