Streit über Gendersprache an Schulen

„Gender-Irrsinn in Rheinland-Pfalz! Dürfen wir bald nicht mehr ‚Schüler‘ sagen?“ Mit dieser Schlagzeile sorgte eine große deutsche Tageszeitung kürzlich für Aufregung. Demnach soll die Landesregierung alle Behörden und Schulen des Landes dazu aufgerufen haben, künftig geschlechterneutral zu formulieren – statt von „Schülern“ solle man zum Beispiel besser von „Kindern und Jugendlichen dieser Schule“ sprechen.

Für manche Lehrer und Schüler in Rheinland-Pfalz mag gendern bereits Alltag sein. Wenn sie es tun, dann bislang aber, weil sie es wollen – und nicht, weil sie müssen. Denn offiziell gilt: Gendern im Unterricht ist erlaubt, aber nicht vorgeschrieben. Das gilt für Schüler genauso wie für Lehrer.
Die Frage ist nur: Wie lange noch? Stand jetzt ist in Rheinland-Pfalz die sogenannte „Geschlechtergerechte Amts-und Rechtssprache“ aus dem Jahr 1995 maßgebend. Darin schreibt das Land den Schulen und Behörden vor, bei Anreden sowohl die weibliche als auch die männliche Form zu benutzen. Also etwa „Schülerinnen und Schüler“. Das hält die rheinland-pfälzische Landesregierung inzwischen aber nicht mehr für zeitgemäß.
Stefanie Hubig, SPD, Bildungsministerin Rheinland-Pfalz
„Die Gesellschaft verändert sich. Und Sprache verändert sich natürlich entsprechend auch. Wir sagen heute zum Beispiel nicht mehr zu unverheirateten Frauen ‚Fräulein‘. All das ist ein dynamischer Prozess. Als Landesregierung haben wir deshalb auch in den Koalitionsvertrag mit aufgenommen, dass wir die Frage der gendergerechten Sprache uns angucken werden und prüfen werden, ob die Vorschrift, die aus dem Jahr 1995 stammt, also fast 30 Jahre alt ist, ob die angepasst, verändert werden muss.“
Es gibt also noch keine offizielle Vorschrift, die das Gendern an Schulen verbindlich macht. Wohl aber eine so genannte „Handreichung“, die das im Familienministerium ansässige Referat „Gleichgeschlechtliche Lebensweisen und Geschlechtsidentität“ im vergangenen Sommer an alle Behörden und Schulen des Landes verschickt hat. Mit Tipps zu genderneutralen Formulierungen: Etwa „Elternteil“ statt „Vater und Mutter“ – oder auch „Kinder und Jugendliche dieser Schule“ statt „Schüler“.
Ein Empfehlungsschreiben, das etwas anderes vorgibt als die offiziell gültige Vorschrift? Für Stephan Wefelscheid von den Freien Wähöern ein Unding.
Stephan Wefelscheid, Freie Wähler, Abgeordneter Landtag Rheinland-Pfalz
„Da wird es natürlich schwierig für den Verwaltungsbeamten, wenn er keine klare Linie hat, dann für sich zu entscheiden: Was tue ich jetzt? Das kann natürlich zu absurden Situationen führen, dass sie einerseits Verwaltungen haben, bei denen man sich orientiert nach der bisherigen Verwaltungsvorschrift, aber andere sich berufen können auf eben diese Handreichung ‚Geschlechtergerechte Sprache‘.“
Sowohl die Handreichung des Familienministeriums als auch die im Koalitionsvertrag festgehalten Absicht der Landesregierung, Sprache in Behörden und Schulen künftig geschlechterneutral zu gestalten, sei ein Schritt in die falsche Richtung.
Stephan Wefelscheid, Freie Wähler, Abgeordneter Landtag Rheinland-Pfalz
„Wir halten von Gendern überhaupt nichts. Gendern halten wir für Gaga, um das deutlich zu sagen. Weil Gendern führt im Endeffekt dazu, dass unsere deutsche Sprache, die eh schon schwierig ist, noch schwieriger wird.“
Cornelia Schwartz vom rheinland-pfälzischen Philologenverband wünscht sich vor allem eines: einen etwas unaufgeregteren Umgang in Sachen geschlechterneutraler Sprache. Schließlich gehe es dabei um Respekt und Toleranz – beides ließen sowohl Befürworter als auch Gegner des „Genderns“ allzu oft vermissen. Aus sprachlicher Sicht hält sie vor allem den „Gender-Gap“ für problematisch: Also etwa „Lehrer_Innen“ oder „Schüler_Innen“.
Cornelia Schwartz, Vorsitzende Philologenverband Rheinland-Pfalz
„Das eigentlich, woran sich viele stören, ist dieser Knacklaut, der da entsteht. Und auch das Schriftbild, wo man dann doch vielleicht an der einen oder anderen Stelle drüber stolpert. Ich habe ein Wort noch in Erinnerung, das hieß ‚Schüler*Innenbereich‘. Und dann fragt man sich unwillkürlich eben: Gibt es denn auch noch einen Außenbereich?“
Ob Gendestern, Binnen-I oder die Schreibweise mit Doppelpunkt: Wenn sich eine Sprachform als unbeliebt und wenig praktikabel erweise, müsse man auch den Mut haben, sich wieder von ihr zu verabschieden.
Cornelia Schwartz, Vorsitzende Philologenverband Rheinland-Pfalz
„Prinzipiell ist auch die Frage: Muss sich Toleranz über die Sprache einüben, oder ist es nicht eher umgekehrt, dass ich Toleranz in meinem Leben lebe, und dann manifestiert sich das später in der Sprache?“
Üblicherweise entwickelt sich Sprache von selbst, dynamisch und „von unten nach oben“ – die Akzeptanz für sprachliche Vorschriften durch staatliche Organe ist in der Bevölkerung eher gering.