Stadtverordnete in Frankfurt beschließen die Ächtung der Worte „Neger“ und „Mohr“

Ob Mohrenkopf, Negerkuss oder Mohren-Apotheke: Es ist noch nicht so lange her, da gehörten diese Wörter wie selbstverständlich zu unserem täglichen Sprachgebrauch. Doch könnten diese Wörter von Menschen mit dunkler Hautfarbe als beleidigend empfunden werden. Die Stadt Frankfurt wird jetzt vorschreiben, dass die beiden Wörter künftig – ganz offiziell – in der Mainmetropole unerwünscht sind. Ob der guten Sache jedoch damit gedient ist, dass die Stadt den Bürgern den Gebrauch der Sprache vorschreibt – darüber gehen die Ansichten auseinander.

Mirrianne Mahn hat lange dafür gekämpft, dass die Stadt Frankfurt das N- und das M-Wort auf den Index setzt. Vor kurzem hat die Stadtverordnete der Grünen ihr Ziel endlich erreicht: Fast einstimmig hat das Stadtparlament beschlossen, die beiden Wörter künftig als rassistisch und diskriminierend zu ächten.
Mirrianne Mahn, B’90 / Die Grünen, Stadtverordnete Frankfurt
„Es ist wichtig, dass die Stadt Frankfurt sich offiziell dazu bekennt, dass diese beiden Wörter rassistisch sind. Das N- und das M-Wort. Weil es immer wieder eine Debatte ist, ob man sie zitieren kann, ob sie historisch irgendwie anders eingeordnet werden können. Und hiermit geben wir vielen Menschen, die von Rassismus betroffen sind und diese Worte als Beleidigung oft hören, ein Zeichen und symbolisieren Ihnen: Wir sehen Euch, wir hören Euch.“
Öffentlich sichtbar ist eines der beiden umstrittenen Wörter in Frankfurt nur noch an einer Stelle: an der historischen Fassade der ehemaligen Mohren-Apotheke in der Innenstadt. Die hat sich zwar inzwischen in Zeil-Apotheke umbenannt – die Steingravur an dem über 120 Jahre alten Haus darf aber aus Denkmalschutz-Gründen nicht entfernt werden.
Wir gehen noch einen Schritt weiter zurück – und machen uns auf die Suche nach dem Ursprung des N- und des M-Wortes.
Prof. Dr. Helmut Weiß, Sprachwissenschaftler Uni Frankfurt
„Die Bezeichnung ‚Neger‘ ist aus dem 18. Jahrhundert aus dem Französischen entlehnt worden. ‚Nègre‘ als Bezeichnung für schwarze Menschen. Vorher gab es schon das Wort ‚Mohr‘. Das geht auf ein lateinisches Wort zurück. Mauri als Bezeichnung für die Bewohner Mauretaniens und wurde dann später verallgemeinert für alle schwarzen Afrikaner.“
Beide Begriffe sind also zunächst rein beschreibend. Während der Begriff „Neger“ aber schon im 19. Jahrhundert oft in abwertender Weise verwendet wurde, galt das Wort „Mohr“ bis weit ins 20. Jahrhundert hinein als wertneutral. Dass es früher fast in jeder Stadt eine Mohren-Apotheke gab, hat wiederum gar nichts mit schwarzen Menschen zu tun – hier leitet sich der Name vom heiligen Maurus ab.
Prof. Dr. Helmut Weiß, Sprachwissenschaftler Uni Frankfurt
„Das war ein römischer Benediktinermönch, der auch angerufen wurde bei verschiedenen Krankheiten. Und deshalb kommt die Bezeichnung sehr häufig bei den Apotheken vor.“
Trotzdem herrscht inzwischen weitgehend Einigkeit darüber, die beiden Wörter nicht mehr zu benutzen. Bei der Frage, ob Politiker darüber entscheiden sollten, was gesagt werden darf und was nicht, scheiden sich dagegen die Geister.
Sarah Lesch
„Meinung dazu ist, dass ich es gut finde, dass man das Wort nicht mehr benutzt, oder diese Worte nicht mehr benutzt.“
Karl-Heinz Nixdorf
„Sprache muss sich von unten entwickeln. Und das ist keine normale, keine gesunde Entwicklung. Das ist erzwungen, und deswegen ist es nicht gut.“
Musie Kesete
„Dass die Stadt Frankfurt sich jetzt dazu entschieden hat, das nicht mehr zu verwenden – das ist Klasse.“
Claus Mirlach
„Klar, darüber nachzudenken ist wichtig und sich damit auseinanderzusetzen. Aber das von oben zu verordnen. Wir machen das nicht mehr, was inzwischen ’ne Selbstverständlichkeit ist – muss eigentlich nicht sein.“
Ähnlich sieht das die AfD im Römer, die den Antrag der Grünen auf Ächtung des N- und des M-Wortes in der Stadtverordnetenversammlung abgelehnt hat.
Markus Fuchs, AfD, stellv. Fraktionsvorsitzender Frankfurt
„Wir halten es für höchst problematisch, dass sich Parlamente oder auch der Staat generell als Sprachpolizei betätigen. Die Frage ist: Wo fängt das an, wo hört das auf? Das ist aus unserer Sicht eine brandgefährliche Entwicklung. Das mag ja gut gemeint sein. Aber das Problem ist: Sprachpolizeiliche Regelungen sind für gewöhnlich ein Zeichen von totalitären Systemen.“
Das sieht Mirrianne Mahn anders. Sie findet es wichtig, dass die Stadt Frankfurt ein  Zeichen setzt. Denn bis heute sei es alles andere als selbstverständlich, die beiden Wörter nicht mehr zu benutzen.
Mirrianne Mahn, B’90 / Die Grünen, Stadtverordnete Frankfurt
„Es ist ein riesiges Privileg zu sagen, das ist eine Selbstverständlichkeit. Für schwarze Menschen in Frankfurt ist es aber schon so, dass sie immer noch täglich, einmal die Woche, mehrmals im Monat, diese Worte hören und auch mit diesen Worten bezeichnet werden.“
Ob die Ächtung der beiden Begriffe durch die Frankfurter Stadtversammlung nun dazu führt, dass rassistische Einstellungen ebenso verschwinden wie die Begriffe selbst – das ist ungewiss. Denn ein dauerhaftes Aufbrechen tiefsitzender Ressentiments erfordert letztlich mehr als das Zeichensetzen von oben durch den Staat.