Stadt Raunheim erlaubt Ruf des Muezzin

Wer schon mal in einem arabischen Land war, dem klingt er sicherlich noch in den Ohren: Der Ruf des Muezzins, der zum Gebet aufruft. Doch inzwischen weht auch über vielen deutschen Städten ein Hauch von Orient. Überall dort, wo besonders viele Muslime wohnen, gehört der Gebetsruf inzwischen zum Alltag. Offiziell genehmigt war das bislang aber nur in Köln. Bis gestern – denn jetzt ruft der Muezzin auch im hessischen Raunheim.

Lautsprecher: „Allahu akbar!“
Heute Mittag, 12:30 Uhr in Raunheim: Über den Dächern der Stadt ruft der Muezzin die Gläubigen zum Freitagsgebet. Was bislang von der Stadt bloß geduldet wurde, ist seit gestern nun ganz offiziell erlaubt: Fast einstimmig hat die Stadtverordnetenversammlung beschlossen, dass der Muezzin-Ruf in Zukunft zum festen Bestandteil im Leben der Raunheimer werden soll.
Thomas Jühe, SPD, Bürgermeister Raunheim
„Wir möchten eigentlich, dass alle Glieder dieser Stadtgesellschaft auch die Möglichkeit haben, sich hier tatsächlich gleichberechtigt auch in Glaubensfragen bewegen zu können. Man muss es einfach auch mal in die Zukunft betrachtet sehen: Wir werden in unserer Gesellschaft immer mehr Internationalität erleben. Das wird immer mehr Normalfall. Und ich sage mal: Gott sei Dank.“
Und von hier aus ertönt der Ruf des Muezzins – wenn auch nur vom Tonband: die Assadaka-Moschee, betrieben vom marokkanischen Freundschaftskreis der Stadt Raunheim.
Loubna Ouariach, Marokkanischer Freundschaftskreis Raunheim
„Was gestern geschehen ist, ist, dass wir den Segen der Stadtgesellschaft abgeholt haben. Wir haben uns öffentliche Akzeptanz erschließen können. Das ist wirklich etwas so Unbeschreibliches. Etwas Emotionales für die Gemeinde und die Mitglieder.“
In Raunheim gibt es deutlich mehr Muslime als Christen. Rund 70% der Menschen haben einen Migrationshintergrund. Und doch ist der Ruf des Muezzins auch hier nicht unumstritten.
Kevin Kirchenschläger
„Ich bin der Meinung, dass jeder seinen eigenen Glauben haben darf. Und wirklich stören tut mich das nicht. Ich habe damit keine Probleme.“
Christa Hummel
„Hier extra einen Muezzin-Ruf zu machen, das finde ich furchtbar! Weil – man redet immer von Diskriminierung. Das ist für uns auch irgendwie blöd. Warum müssen wir das aushalten? Wenn wir bei denen wären, würde das auch nicht erlaubt werden.“
Kritik gibt es auch daran, dass der Ruf des Muezzins im Gegensatz zum rein symbolischen Kirchengeläut eine Botschaft transportiert, die manche auch als eine Art Allmachtsanspruch des Islam interpretieren. Eine Sorge, die der Bürgermeister nicht teilen mag.
Thomas Jühe, SPD, Bürgermeister Raunheim
„Es ist letztlich eine Verherrlichung Gottes, die es im Christentum auch gibt. Nur eben nicht in diesem Zusammenhang. Und insofern ist das unschädlich, kann das stattfinden. Es wird niemand diskriminiert dadurch.“
Wie groß die Akzeptanz für den muslimischen Gebetsaufruf tatsächlich ist, wird sich wohl erst zu Beginn des nächsten Ramadans zeigen: Denn dann darf der Muezzin in Raunheim einen Monat lang rufen – und zwar täglich bei Sonnenuntergang.