Sommerinterview mit Robert Lambrou (AfD)

Der AfD-Fraktionsvorsitzende im Hessischen Landtag stellt sich den Fragen von Marcus Appelmann.

Markus Appelmann, Moderator: Guten Abend und herzlich willkommen zu 17:30 Sat.1 live. Ich begrüße Sie zu einer weiteren Ausgabe der Sommerinterviews. Ist die Politik in Berlin derzeit mit all den Krisen überfordert? Zumindest gibt die Ampelregierung in Berlin kein gutes Bild ab. Und das ist sicherlich ein Grund für den Höhenflug der AfD. Den AfDFraktionschef im Hessischen Landtag begrüße ich heute auf der Dachterrasse. Guten Abend, Robert Lambrou.
Robert Lambrou, AfD, Fraktionsvorsitzender Hessen: Hallo Herr Appelmann, vielen Dank für die Einladung.
Appelmann: Herr Lambrou, bevor wir politisch werden, erst mal was Persönliches. Sie haben bei uns gesagt: “Ich habe eine hohe Affinität zu Wasser.” Und Sie haben gesagt: “Wenn es stressig wird, dann sitze ich oft in der Badewanne.” Sitzen Sie momentan im Wahlkampf in der heißen Phase auch oft in der Badewanne?
Lambrou: Wasser hat eine sehr beruhigende Wirkung auf mich. Und in der Tat, ich gehe sehr gerne schwimmen. Das tue ich auch, wenn die Zeit dafür ist. Und was ich auch sehr gerne mache ist, ich gehe am Wasser spazieren. Das heißt, ich muss nicht im Wasser sein, damit es diese beruhigende Wirkung auf mich hat. Ein Spaziergang am Rhein in Wiesbaden, am Schiersteiner Hafen ist eine wunderschöne Gegend.
Appelmann: Okay. Jetzt stellen wir Sie vor, Robert Lambrou. Früher waren Sie in der SPD, jetzt sind Sie schon viele Jahre in der AfD. Unser Gast des Tages.
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2019 zieht der Diplom-Kaufmann Robert Lambrou für die AfD in den hessischen Landtag ein und übernimmt die Fraktionsführung. Seitdem hat er alle Macht- und Flügelkämpfe in der Partei souverän überstanden. Seit fünf Jahren hat er auch den Landesvorsitz inne und wurde für die kommende Landtagswahl am 8. Oktober zum Spitzenkandidaten gewählt. Doch am Ende der laufenden Legislaturperiode ist er vom Mitregieren ebenso weit entfernt wie am Anfang.

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Appelmann: Herr Lambrou mit der AfD will keine andere Partei eine Koalition eingehen. Hätten Sie mal gedacht, dass es so schwer ist zu gestalten, nämlich nur mit absoluter Mehrheit?
Lambrou: Wir gestalten im Hessischen Landtag bereits. Denn zum einen haben wir es erreicht vor dem Hessischen Staatsgerichtshof, dass diese Schuldenorgien namens Sondervermögen, diese 12 Milliarden Schulden als verfassungswidrig entschieden wurden. Und damit haben wir ganz konkret eingegriffen in die politischen Geschehnisse.
Appelmann: Aber Opposition ist ja eher dagegen, wie Sie ja gerade eben auch gesagt haben.
Lambrou: Als Opposition haben Sie die Aufgabe, die Regierung zu kontrollieren, und das machen wir auch gewissenhaft. Wir stehen allerdings auch bereit für mehr.
Appelmann: Okay, da sind Sie offen, aber die anderen Parteien natürlich nicht, wie wir alle wissen.
Lambrou: Das ist richtig. Aber wissen Sie, wir stehen in den Wahlumfragen bundesweit bei 20 %. 20 %, das sind über 12 Millionen Wähler. Ich frage mich, wie lange die anderen Parteien das durchhalten können, 12 Millionen Wähler und ihren Wunsch, dass die AfD mitregiert, zu ignorieren.
Appelmann: Zum Höhenflug der AfD kommen wir gleich noch. Die AfD-Fraktion im Hessischen Landtag hat im Laufe der Legislaturperiode so einige Abgeordnete, nennen wir es mal “verloren”. Das geht doch am Ende auch mit dem Fraktionschef, also mit Ihnen, nach Hause.
Lambrou: Wir haben vor einem halben Jahr drei Abgeordnete verloren, die zuvor kandidiert haben auf der AfD-Landesliste zum Landtag für 2023 und von den Landesdelegierten nicht gewählt wurden. Die sind danach aus der Fraktion und der Partei rausgegangen. Ich glaube aber, dass sie zum Grundsatzprogramm der Partei nach wie vor stehen. Hier war es einfach die menschliche Enttäuschung.
Appelmann: Aber für andere Fraktionen wäre das eine Katastrophe. Bei ihnen wirkt es so egal.
Lambrou: Es ist nicht egal. Ich hätte diese Kollegen lieber noch an Bord. Aber es ist halt deren Entscheidung und das gilt es zu respektieren.
Appelmann: Herr Lambrou, jetzt greifen wir uns ein Thema raus. Es geht um das Thema Wirtschaft und da wollen wir wissen, was würde da Robert Lambrou, was würde da die AfD machen? Denn – das müssen wir auf jeden Fall sagen – bei Schwarz Grün, so die aktuellen Zahlen, läuft es gar nicht so schlecht.
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Die hessische Wirtschaft floriert und erholt sich endlich von den Strapazen der Corona-Pandemie. 2022 legte das Bruttoinlandsprodukt um 1,6 Prozent zu. Und auch auf dem Arbeitsmarkt sieht es gut aus. Fast 3,6 Millionen Erwerbstätige gibt es in Hessen – so viele wie nie zuvor. Und das obwohl die Unternehmen vor enormen Herausforderungen stehen. Sie müssen die Digitalisierung vorantreiben und gleichzeitig den Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energien schaffen. Und trotzdem wächst Hessens Wirtschaft. Aus diesem Grund erscheint wohl vielen Bürgern eine Regierungskoalition der wirtschaftsfreundlichen CDU mit den umweltfreundlichen Grünen als ideale Kombination. Ökonomie & Ökologie, das geht in Hessen bislang Hand in Hand.
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Appelmann: Die Furcht vor dem grünen Wirtschaftsminister, gerade in ihrer Fraktion war wie groß. Jetzt sehen wir, der Flughafen brummt. Tarek Al-Wazir investiert 150 Millionen in die Straßensanierung. Er sagt Autos sind wichtig in Hessen, in diesem Bundesland. Das ist doch kein Schreckgespenst für die hessische Wirtschaft.
Lambrou: Wenn ich Gespräche führe mit Vertretern der Wirtschaft, dann höre ich etwas anderes. Was ich höre, ist, dass es große Sorgen gibt um den Standort Deutschland und damit auch um den Standort Hessen. Dass zum Beispiel die sehr hohen Energiekosten in Deutschland im Vergleich zu den anderen europäischen Ländern viele Unternehmen, auch die, die bisher nicht darüber nachgedacht haben, dazu bringen, über Standortverlagerungen nachzudenken.
Appelmann: Dann lassen Sie uns genau diesen Punkt herausgreifen. Das moniert die Wirtschaft in der Tat, die hohen Energiepreise, mit die höchsten in Europa. Was würden Sie da in Regierungsverantwortung tun, damit diese Energiepreise runtergehen?
Lambrou: Es gibt in Deutschland im internationalen Vergleich sehr hohe Steuern und Abgaben auf Energie. Und diese Steuern und Abgaben, die müssen drastisch reduziert werden. Das würde übrigens auch dazu beitragen, die Inflation wieder zu reduzieren. Gleichzeitig brauchen wir grundlastfähige Kraftwerke, das heißt Weiterbetreibung der modernen Kohlekraftwerke und Wiedereinstieg in die Kernkraft.
Appelmann: Jetzt sagen Sie: “Wiedereinstieg in die Atomkraft.” Aber Sie wissen schon, dass wir keine Lösung für den radioaktiven Müll haben.
Lambrou: Wir haben wie bei jeder Technologie eine Weiterentwicklung. Bei der Kernkraft reden wir von den Atomkraftwerken der dritten und vierten Generation. Hier gibt es weniger radioaktiven Müll, und bei jeder Technologie gilt, dass sie sich weiterentwickeln kann. Und was uns bei der AfD in Deutschland stört, ist, dass wir zunehmend auch aufgrund der Grünen, keine Technologieoffenheit haben, sondern die Politik bevorteilt einzelne Technologien einseitig. Wir setzen auf den freien Wettbewerb der Kräfte.
Appelmann: Das lassen wir mal so stehen. Ein Thema, was die Wirtschaft ganz sicher sehr betreffen würde: die Auflösung der Europäischen Union. Das stand in einem Leitantrag der Partei. Und heute hören wir, das war angeblich nur ein Versehen. Bedeutet das jetzt einen Paradigmenwechsel der AfD? Also stehen Sie so hinter der Europäischen Union, wie sie gerade ist?
Lambrou: Wir sagen seit vielen Jahren, dass wir die Europäische Union reformieren wollen. Wir wollen sie zurückführen auf ihren Kern. Es gibt Themen, wo die Europäische Union nur unzureichend oder gar nicht funktioniert. Ich nenne einfach nur “Schutz der Außengrenzen” und eine wuchernde Bürokratie. Was jetzt auf uns zukommt mit der EU-Taxonomie, das ist ein Bürokratiemonster. Wir haben mittlerweile auch über 40.000 Beamte in Brüssel.
Appelmann: Okay. Das heißt, Sie halten die EU für eine Fehlkonstruktion, aber Sie möchten dennoch, dass AfD-Abgeordnete ins Europaparlament einziehen bei der Europawahl?
Lambrou: Wir wollen die EU verändern auf parlamentarischem, demokratischem Weg, und dazu brauchen sie parlamentarische Mehrheiten. Deshalb kandidieren wir selbstverständlich auch für das EU-Parlament.
Appelmann: “Verändern” sagen Sie jetzt, Alice Weidel, die Co.Vorsitzende ist da drastischer. Sie sagt, sie will einen Rückbau der Europäischen Union. Da sind Sie also nicht ganz auf Kurs.
Lambrou: Ich habe eben ja auch gesagt, dass wir einen Rückbau wollen auf den Grundgedanken der europäischen Zusammenarbeit. Wir haben immer gesagt, dass wir für ein Europa der Vaterländer sind. Wir wollen nicht, wie die Grünen es forcieren, einen Superstaat namens Europäische Union.
Appelmann: Gut. Sind wir mal gespannt, was da bei ihrem Bundesparteitag Ende Juli herauskommt und wie das Ganze dann auch formuliert sein will. Wir haben noch einen Punkt aus Ihrem Leitantrag und da steht, der ungestörte Handel mit Russland müsse wiederhergestellt werden, und die Wirtschaftssanktionen gegen Russland müssen sofort aufgehoben werden. Das ist wirklich ein Alleinstellungsmerkmal der AfD. Zucken Sie da nicht zusammen, wenn Sie diese Forderung hören?
Lambrou: Also zunächst einmal gilt, dass die AfD diesen Krieg in der Ukraine als völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands genauso scharf kritisiert hat wie alle anderen Parteien. Was uns trennt in der politischen Position, ist die Frage der Sanktionen. Zur Wahrheit gehört, dass die Politiker in Deutschland, die für Sanktionen eintreten, der Bevölkerung auch sagen müssen, dass sie auch für die Menschen hier in Deutschland zu einem Preis kommen.
Appelmann: Aber wenn Sie die Sanktionen zurückschrauben, dann machen Sie doch Putins Kriegskassen voll.
Lambrou: Die Sanktionen haben dazu geführt, dass Russland die Wirtschaftsbeziehungen zu anderen Ländern wie China und Indien, die die Sanktionen der Europäer nicht mitgemacht haben, verlagert haben. Ich glaube nicht, dass hier viel gewonnen wurde, aber die heimische Bevölkerung wurde zusätzlich belastet.
Appelmann: Halten Sie es da auch mit Ihrer Co-Vorsitzenden Alice Weidel? Ich zitiere: “Man kann nicht einfach sagen, der Putin ist ein Kriegsverbrecher.” Was kann man denn dann sagen?
Lambrou: Wladimir Putin ist verantwortlich für diesen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg und inwieweit er ein Kriegsverbrecher ist, müssen Gerichte entscheiden.
Appelmann; Aber er muss vors UN-Kriegsverbrechertribunal. Das sagen Sie auch?
Lambrou: Es entscheiden Gerichte. Für mich ist Realpolitik wichtig. Ich vertrete die Interessen der Menschen, die mich gewählt haben. Ich möchte auch, dass dieser Krieg so schnell wie möglich endet. Dort sterben täglich Menschen. Zur Realpolitik gehört aber auch, dass wir wahrscheinlich anerkennen müssen, dass es am Ende eine Verhandlungslösung gibt. Und dann brauchen Sie in Russland auch noch jemanden, mit dem Sie verhandeln können.
Appelmann: Und Sie glauben, dass man sich mit Putin an einen Tisch setzen kann? Das klingt so nach Verhandlungslösung. So locker.
Lambrou: Es ist ein sehr schwieriges Thema und wir werden alle erst am Ende des Krieges wissen, welche Maßnahmen sich als richtig oder als falsch erwiesen haben. Realpolitik heißt aber halt auch anzuerkennen, dass Wladimir Putin hier die Fäden in der Hand hat und wenn man zu einer Verhandlungslösung kommen will, mit Wladimir Putin am Ende des Tages auch verhandeln muss.
Appelmann: Das lassen wir einfach mal so stehen und kommen zu unserem nächsten Thema. Das ist der Höhenflug der AfD. Denn wenn man sich momentan die Umfragen anschaut, dann sieht man: Die Ampel ist im Umfragetief, die AfD im Umfragehoch.
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Sie sitzen in nazu allen Landesparlamenten, sie sitzen im Deutschen Bundestag: Die Abgeordneten der AfD. Erreicht haben sie in der parlamentarischen Arbeit so gut wie nichts. Liegt auch daran, dass alle anderen zur AfD eine Brandmauer eingezogen haben und die Partei ignorieren.
Doch das stört die AfD nicht: Denn hinter der Brandmauer geht es der Partei aktuell prächtig. Ihre Umfragewerte schießen seit Wochen in die Höhe, als sei sie die einzig wirkliche Opposition.
Das komplette Image der Partei beruht auf einer sturen Anti-Einstellung.   Gegen Europa, gegen Zuwanderung, gegen Klimaschutz. Die AfD entwickelt sich zum Sammelbecken all jener, die in ständiger Abstiegsangst leben. Inflation, Heizungschaos, Migrationskrise sind der Stoff, der die AfD nährt. Lösungen muss die AfD erst gar nicht anbieten – sie ist der aktuelle Lautsprecher der Menschen, die sich von den aktuellen Krisen überfordert fühlen. Und die die etablierten Parteien dafür verantwortlich machen. Vor allem die Union muss sich angesprochen fühlen: Sie macht in den Augen vieler nicht die harte Oppositionspolitik, die sich viele von ihr erwarten und dann zur AfD abbiegen.
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Appelmann: Die AfD befindet sich momentan im Umfragehoch im Bund bei 20 %. In Hessen liegen sie klar darunter. Warum nehmen Sie den Schwung aus dem Bund nicht mit?
Lambrou: Die neueste Umfrage von Wahlkreisprognose.de sieht die AfD in Hessen bei 19 %.
Appelmann: Wir wollten aber auf die Forschungsgruppe Infratest dimap und Forsa und so weiter gehen. Das sind ja interne Umfragen.
Lambrou: Wir stehen in verschiedenen Umfragen bei unterschiedlichen Werten. Generell ist die AfD in Ostdeutschland stärker, weil die Menschen in Ostdeutschland haben mit der DDR eine Diktatur erlebt und sie haben wesentlich feinere Antennen für Veränderungen, die ins Negative gehen.
Appelmann: Da wollen wir gleich auch noch drüber sprechen. Lassen Sie aber erst mal das: Der frühere AfD Vorsitzende Jörg Meuthen hat kürzlich in einem Interview gesagt, dass die radikalen die Kontrolle über die AfD übernommen haben. Die AfD sei heute “eine Partei am rechten Rand mit völkisch nationalistischen Positionen, die von einer einzigen Person dominiert wird. Und das ist Björn Höcke.” Was sagen Sie dazu?
Lambrou: Jörg Meuthen war sechs Jahre lang Bundesvorsitzender der AfD. Das ist mehr als die Hälfte der Existenz unserer Partei. Er hat vieles Gute angestoßen und bewirkt. Dass er aus der Partei ausgetreten ist Anfang 2022, kann man nur erklären durch persönliche Verletzungen und Enttäuschungen. Wissen Sie, für Jörg Meuthen muss das schwierig sein. Er ist ausgetreten zu einem Zeitpunkt, als wir bei 10 % in den Umfragen standen. Aber jetzt stehen wir doppelt so stark. Und das verbittert ihn so .
Appelmann: Aber er ist von sich aus ausgetreten. Und mir geht es viel mehr um diese Aussage, die er getätigt hat. Da würde ich gerne auch noch was von Ihnen zu hören. Er sagt ja, die AfD wird von einer einzigen Person dominiert und das ist Björn Höcke.
Lambrou: Ja, und das wollte ich Ihnen gerade erklären. Diese persönliche Verbitterung; zu sehen, dass er zu früh das Handtuch geworfen hat, dass der Erfolg jetzt gekommen ist in der Verdoppelung des Zuspruchs durch die Wähler, das schafft diese persönliche Verbitterung, mit der ich mir diese Sachen nur erklären kann. Wissen Sie, der Mann war sechs Jahre Bundesvorsitzender …
Appelmann: Jetzt haben Sie zu Björn Höcke aber auch noch nichts gesagt.
Lambrou: Björn Höcke ist ein Landes- und Fraktionsvorsitzender, so wie ich, in einem Bundesland, der nie auf Bundesebene irgendeine Position hatte.
Appelmann: Sie haben sich schon oft hier auch bei uns distanziert von Björn Höcke. Das hat auch Michael Frisch getan, der AfD-Fraktionsvorsitzende im rheinland-pfälzischen Landtag. Aber trotzdem ist Björn Höcke immer noch in dieser Partei. Und trotzdem feiert er Erfolg in seinem Landesverband.
Lambrou: In Thüringen haben Sie zwei Besonderheiten. Zum einen haben Sie nur in Thüringen einen Ministerpräsidenten von der Partei Die Linke und zum anderen haben Sie in Thüringen die rückgängig gemachte Wahl des Ministerpräsidenten Kemmerich gehabt. Das schafft natürlich eine Situation, wo recht viele Leute sagen: “Dann zeigen wir’s mal den etablierten Parteien.”
Appelmann: Bleiben wir ganz kurz in Thüringen. Da gibt es eine aktuelle Umfrage, die dürfte Ihnen nicht ganz schmecken. Eine mögliche Partei von Sahra Wagenknecht kommt in Umfragen in Thüringen auf Platz eins, würde also Björn Höcke und die AfD auf Platz zwei verbannen. Müssen Sie nicht befürchten, dass eine weitere Partei, die wie Sie auf Protest setzt, Ihnen den Rang abläuft?
Lambrou: Nein, überhaupt nicht. Schauen Sie, ich bin seit Beginn der AfD mit dabei. Seit zehn Jahren. Ich weiß, wie mühsam das ist, eine neue Partei aufzubauen, wie viel Zeit Sie brauchen, wie viel Geld Sie brauchen, wie viel Geduld und Energie Sie brauchen. Wenn Frau Wagenknecht wirklich eine neue Partei gründet, wovon ich nicht überzeugt bin, dann wird sie durch diesen jahrelangen Tunnel gehen müssen, den die meisten Neugründungen von Parteien zerreißt.
Appelmann: Aber sie könnte den Erfolg haben. Haben wir ja gerade eben in den Umfragen gesehen.
Lambrou: Das ist möglich, wenn sie durch diesen Tunnel geht. Denn eine Partei gründen und sie wirklich aufbauen auf einem Niveau, was die Alternative für Deutschland jetzt erreicht hat, mit so vielen Menschen, 30.000 Mitgliedern, mit dieser Handlungsfähigkeit, mit diesem Know-how, das dauert Jahre.
Appelmann: Lassen Sie zum Ende dieses Talks noch auf die Krisen dieser Welt eingehen und die Auswirkungen. Corona, Krieg, Inflation, Energiekrise, Flüchtlinge – die AfD scheint vor allem eine Partei zu sein, die von den Krisen profitiert und die von den Bürgern gewählt wird, die sich von den etablierten Parteien distanzieren oder ihnen einen Denkzettel verpassen wollen. Ist das wirklich eine solide Basis für eine Partei, die mal Volkspartei werden möchte?
Lambrou: Wissen Sie, es gibt keine Bürger erster und zweiter Klasse und es ist einfach so, dass jeder fünfte Wähler aktuell die Interessen, die er hat als Mensch, bei der Alternative für Deutschland besser vertreten sieht als bei den anderen Parteien.
Appelmann: Da gibt es aber eine Umfrage, die dagegenhält und die möchte ich Ihnen auch dagegenhalten. Der Erfolg der AfD fußte ja lange auf das Thema Migration. Jetzt kommt auch noch das Heizungsgesetz dazu. Und hier die Umfragewerte: 67 % der AfD-Wähler geben an, von anderen Parteien enttäuscht zu sein. Nur 32 % sind wirklich von der AfD überzeugt. Das heißt doch, Sie leben nur davon, dass die anderen, die etablierten Parteien momentan ein so schlechtes Bild abgeben.
Lambrou: Der Deutschlandtrend von ARD vom 7. Juli zeichnet ein ganz anderes Bild. Hier sagen 77 % der Menschen, dass sie sich der AfD inhaltlich stark oder sehr stark verbunden fühlen. Es ist, um es noch mal klar zu sagen, auch gar nicht so wichtig, wie viel Protest und wie viel Stammwähler wir haben. Weil es gibt keine Wähler erster und zweiter Klasse und auch Protestwähler …
Appelmann: Das haben wir nie gesagt, das haben Sie eingeworfen.
Lambrou: Auch Protestwähler sind Wähler, die man zu Stammwählern überzeugen kann. Dass wir das können, haben wir ja in den letzten zehn Jahren reichlich bewiesen.
Appelmann: Herr Lambrou, da setzen wir jetzt einen Punkt. Wir können nicht alles hinterfragen, aber wir können zu unserem Spiel jetzt kommen. Und das heißt “Auf ein Wort”. Von mir bekommen Sie ein Wort und ich bekomme von Ihnen eine schnelle, kurze und kompakte Reaktion.
Lambrou: Sehr gerne.
Appelmann: Legen wir los?
Lambrou: Ja.
Appelmann: “Gesellschaft”.
Lambrou: In Gesellschaft bin ich sehr gerne. Als Politiker sind Sie ein Mensch, der es mag, wenn Sie Menschen um sich herum haben, wenn man im Gespräch mit anderen Menschen sein kann.
Appelmann: “Kirche”.
Lambrou: Kirche ist mir wichtig, denn mein Onkel war katholischer Pfarrer, 30 Jahre in Baden-Baden-Balg.
Appelmann: Sind Sie in der Kirche?
Lambrou: Ich bin nicht mehr in der Kirche, aber ich bin gläubig.
Appelmann: “Witz”.
Lambrou: Witz und Charme sollte jeder haben.
Appelmann: “Fleisch”.
Lambrou: Ist etwas, was ich sehr gerne esse.
Appelmann: “Luxus”.
Lambrou: Luxus ist etwas, was man in kleiner Dosis sich nur gönnen sollte, damit man nicht abhebt.
Appelmann: Was ist das kleine bisschen Luxus, das Sie sich gönnen?
Lambrou: Das ist ab und zu mal eine Urlaubsreise, die etwas weiter weg geht. Aber in den letzten Jahren bin ich dazu nicht gekommen.
Appelmann: “Gendersprache”.
Lambrou: Lehne ich ab. Ich glaube, dass es auch ohne Gendersprache keinerlei Diskriminierung von Geschlechtern in der deutschen Sprache gibt.
Appelmann: “Griechenland”.
Lambrou: Griechenland, das sind neben der Heimat Deutschland auch meine weiteren Wurzeln. Und ich besuche gerne auch griechische Verwandte im Sommer, wenn es die Zeit erlaubt.
Appelmann: Jetzt im Wahlkampf wahrscheinlich ein bisschen schwierig.
Lambrou: Dieses Jahr wird es nicht klappen.
Appelmann: “Berge”.
Lambrou: Berge. Ich habe sechs Jahre lang im Schwarzwald gelebt und Berge satt genossen. Ich bin lieber am Meer.
Appelmann: Das wäre das nächste Wort gewesen. Dann springen wir gleich rüber zum “Urlaubsziel”.
Lambrou: Urlaubsziel dieses Jahr fällt flach, vielleicht Balkonien.
Appelmann: Im Landtagswahlkampf ist nicht so viel Zeit für Robert Lambrou. Danke schön, dass Sie sich heute den Fragen gestellt haben. Der AfD-Fraktionschef im Hessischen Landtag Danke Ihnen!
Lambrou: Vielen Dank, Herr Appelmann, hat mir viel Spaß gemacht.