Sommerinterview mit Philipp Fernis (FDP)
Heute sitzt auf unserer Dachterrasse der Fraktionschef der rheinland-pfälzischen FDP.
Markus Appelmann, Moderator:
Mensch, was ein passendes Wetter heute. Sonne pur zu unserem letzten 17:30 Sat.1 live Sommerinterview in diesem Jahr.
Ganz oft wird die FDP auf Bundesebene in der Regierung als Quertreiber wahrgenommen. Punkten kann sie damit nicht, wenn wir uns aktuelle Wahlumfragen anschauen. Da liegen die Liberalen bei 6, teilweise aber auch nur bei 5 %. Also stürmische Zeiten und viel Gesprächsbedarf heute mit Philipp Fernis, FDP-Fraktionschef im rheinland-pfälzischen Landtag. Ich grüße Sie.
Philipp Fernis (FDP), Fraktionsvorsitzender Landtag Rheinland-Pfalz:
Hallo, Herr Appelmann.
Appelmann:
Herr Fernis, bevor wir politisch werden, wollen wir Sie persönlich ein bisschen näher kennenlernen. Und deswegen begleiten wir Sie an Ihren Lieblingsort. Und dort blüht es ungefähr so wie auf unserer Dachterrasse.
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Die Roseninsel in Bad Kreuznach – der Lieblingsort von Philipp Fernis. Die Parkanlage liegt direkt an der Nahe und lädt zum Spazieren und Verweilen ein. Philipp Fernis ist gern hier unterwegs, schlendert an der Uferpromenade entlang oder lässt sich durch den Rosengang treiben. Im Jahr 1905 kamen Rosenzüchter aus ganz Deutschland an die Nahe und pflanzten üppige Rosengärten, die der Roseninsel heute ihren Namen geben. Ein Kleinod am Rande der Stadt.
Philipp Fernis (FDP), Lieblingsort: Roseninsel Bad Kreuznach
„Ich bin hier in Bad Kreuznach aufgewachsen und hier gibt’s ganz viel, was ich auch mit meiner Jugend schon verbinde. Hier auf der Nahe bin ich gerudert als Schüler, hier hinten gibts einen Spielplatz. Es ist total schön am Wasser, auf dem Kauzenberg wächst Wein. Und das hat hier so alles das, was hier Bad Kreuznach für mich besonders lebenswert macht an einem Ort versammelt.“
Noch heute lebt der Politiker in der Kurstadt. In seiner Freizeit ist er hier mit dem Fahrrad unterwegs oder spielt mit seinem kleinen Sohn auf der Roseninsel. Mit seinem Kopf ist er aber immer auch ein bisschen am Regierungssitz in Mainz.
Philipp Fernis (FDP), Fraktionsvorsitzender Landtag Rheinland-Pfalz
„So ganz abschalten kann man nicht, gerade kurz vor einer Kommunalwahl. Und es gibt eine ganze Reihe von Themen. Hier unmittelbar um uns herum ist das Kurgebiet. Der Tourismus spielt für Bad Kreuznach eine entscheidende Rolle. Aber auch das Thema Wohnraum zum Beispiel, das sind alles Themen; klar denkt man über die auch nach, wenn ich hier in der Stadt bin.“
Dort leben, wo andere zur Kur hinfahren, für Philipp Fernis ein Privileg. Ob nun auf der Roseninsel, im Salinental oder in der Kreuznacher Innenstadt.
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Appelmann:
Ihr Lieblingsort: die Roseninsel in Bad Kreuznach. Sind Sie auch Hobbygärtner? Haben Sie einen grünen Daumen?
Fernis:
Ja, tatsächlich, ich mache Gartenarbeit wirklich gerne. Ist so ein schöner Ausgleich. Man sieht direkt, was man geschafft hat und das macht mir viel Freude.
Appelmann:
Die Roseninsel bringt mich natürlich auch zum Thema Rudern. Da haben Sie doch den größten sportlichen Erfolg gefeiert, ohne dass Sie so viel beigetragen haben.
Fernis:
Ach, wie viel ich dabei beigetragen habe, das müssen andere bewerten. Aber ja, es ist das einzige Mal, dass ich im Sport – bin Hobbysportler, aber nie so ambitioniert – gewonnen habe. Ich habe mal als Schüler bei Jugend trainiert für Olympia beim Landesentscheid im Rudern gewonnen, indem ich ein Boot mit Mitschülerinnen gesteuert habe.
Appelmann:
Sie waren der Steuermann. Da muss man nicht allzu viel tun, sage ich mal spitz.
Fernis:
Ich weiß nicht, ob Malu Dreyer sagen würde, Führungsverantwortung ist nicht auch zentral, aber das müssen andere bewerten.
Appelmann:
Okay. Und schon sind wir beim politischen Teil, da haben Sie uns direkt hingesteuert sozusagen. Und zwar schauen wir jetzt einfach mal auf die Lage der FDP im Bund und momentan sind das ganz schön stürmische Zeiten für die Liberalen.
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Die Lage der FDP in der Ampel ist dramatisch. Als einzige Partei in der Koalition ohne echte Bezüge in links-grüne Wählermilieus läuft sie Gefahr, sich völlig zu zerreiben. Ihren eigenen Wählern wird sie kaum etwas zu hundert-Prozent recht machen können. Für die einen leisten die Liberalen zu wenig, für die anderen zu viel Widerstand gegen die Projekte der Koalition. Gerade ihre jüngeren Anhänger, die sie 2021 noch in Scharen wählten, wollen mehr positive Gestaltung statt Beschwerden und Blockaden. Doch in Zeiten klammer Kassen steht der Bundesfinanzminister, wie berechtigt auch immer, gefühlt permanent auf der Bremse. Das mag heldenhaft sein – aber einen Tapferkeitspreis erhält die FDP dafür noch lange nicht.
Wir sehen: Die Liberalen leben hoch gefährlich in der selbsternannten Koalition des Fortschritts – und werden in Umfragen zunehmend abgestraft. Die Partei blickt mittlerweile rund um die Uhr in den Abgrund – es geht um ihr nacktes Überleben.
Also die Koalition platzen lassen – nichts wie raus und weg – hin zu vorgezogenen Neuwahlen? Das ist eine Rechnung mit verdammt vielen Unbekannten. Denn: Die kritische Grenze für die Liberalen ist dann erreicht, wenn die eigenen Wähler den Eindruck haben, eine Stimme für die FDP sei eine verlorene Stimme!
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Appelmann:
Ja, das ist wirklich ein Dilemma wohl für die FDP. Die können doch momentan keinen Blumentopf gewinnen. Oder Sie bleiben in der Regierung in Berlin drin und verärgern die Wähler oder Sie gehen raus und müssen um den Wiedereinzug ins Parlament zittern.
Fernis:
Wir haben aus guten Gründen, wenn man mal in unsere Verfassung blickt und wir feiern ja in diesem Jahr auch mit ein bisschen Stolz und viel Freude 75 Jahre Grundgesetz, dann sieht man: Unsere Verfassung ist darauf angelegt, dass Regierungen die Verantwortung, die sie übernommen haben, auch ausfüllen, und genau dem Auftrag stellen wir uns. Ich habe immer zu denjenigen gehört, die ganz klar waren: Jede Regierung mit Beteiligung der Freien Demokraten ist besser als eine Regierung ohne die Freien Demokraten.
Appelmann:
Das hat Christian Lindner auch mal anders gesagt in gewissen Verhandlungen. Aber wenn wir uns momentan die Umfragewerte anschauen, dann kommt die Regierung momentan noch auf 33 % der Wählerstimmen auf ein Drittel. An was liegt’s denn?
Fernis:
Ich glaube, die Wahrnehmung ist in der Tat: Politik an sich ist Streit, es ist angelegt. Aber die Wahrnehmung ist, dass zu viel gestritten und zu wenig erledigt wird. Und deswegen … Man soll immer etwas zurückhaltend sein mit Empfehlungen, aber so aus der Mainzer Ampel – die wird dann manchmal umgekehrt als langweilig beschrieben – kann ich schon empfehlen, dass man die Dinge miteinander bespricht, das sind unterschiedliche Partner, und die gemeinsamen Lösungen dann nach außen vertritt. Dass wir unterschiedliche Positionen haben unter diesen drei Partnern, das ist meiner Überzeugung nach jedem Wähler bewusst.
Appelmann:
Aber was bleibt denn momentan liegen? Welche Themen werden dann gar nicht erst angegangen?
Fernis:
Ich glaube, das, was im Streit ist, überlagert das, was angegangen wird. Beispiel Bürokratieentlastung. Wir haben die größte Bürokratieentlastung, die Deutschland je gesehen hat. Der Bürokratiekostenindex, der sinkt, ist gesunken wie noch nie. Wir haben es erreicht, das ist ja manchmal auch vergessen, dass wir die Energieversorgung gesichert haben, nachdem unser wichtigster Lieferant durch diesen verbrecherischen Angriffskrieg ausgefallen ist. Wir haben es geschafft, gemeinsam europäisch auch maßgeblich die Zentralbank, dass die Inflation zurückgeht. Die Wachstumsprognosen verbessern sich, die Regierung hat Erfolge.
Appelmann:
Also einige Themen werden wir gleich auch noch ansprechen. Die FDP sorgt aber in der Bundesregierung für Spannungen. Sie hat erst einen Zwölf-Punkte-Plan auf den Weg gebracht, jetzt einen Fünf-Punkte-Plan auf den Weg gebracht. Ist es denn klug, andauernd immer die klare liberale Lehre nach vorne zu bringen, wo man doch mit zwei anderen Koalitionspartnern regieren muss?
Fernis:
Ich glaube, beides ist richtig. Ich habe angesprochen, man muss die Themen lösen, die man gemeinsam lösen kann und gleichzeitig verfassungsmäßige Aufgabe von Parteien ist, an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken. Insofern ist es wichtig, dass wir als Partei neben der Regierung ganz klar sagen, wofür wir einstehen und was unser Markenkern ist.
Appelmann:
Das kann ich Ihnen sagen, das steht nämlich in den Punkte-Plänen. Sie fordern, das Bürgergeld für Jobverweigerer drastisch zu kürzen, die Sozialleistungen einzufrieren und die Rente mit 63 abzuschaffen. Das ist doch ein Frontalangriff auf die SPD.
Fernis:
Es ist unsere Überzeugung, dass es gerade in einer Zeit, in der unsere Wirtschaft den Mangel an Fachkräften als mit größtes Problem beschreibt, Arbeit attraktiv sein muss. Das ist der eine Baustein. Beim Rentensystem – ich glaube, Menschen vertragen viel Ehrlichkeit. Und wir wissen, dass unser Rentensystem durch die Demografie – die Lebenserwartung steigt, erfreulicherweise und gleichzeitig ist die Geburtenrate in einem Bereich, in dem wir eine schrumpfende Bevölkerung haben.
Appelmann:
Klar gesagt: Wir müssen länger arbeiten.
Fernis:
Ehrlichkeit muss da honoriert werden. Die Rente mit 63 der Großen Koalition war ein Schritt in die falsche Richtung.
Appelmann:
Okay. Nicht nur Frontalangriff in Richtung SPD, sondern auch in Richtung Grüne. Die Förderung von Sonnen- und Windkraftanlagen wollen Sie beenden. Wie wollen Sie dann die Energiewende zum Gelingen bringen?
Fernis:
Wir sehen doch, dass das Technologie ist, die sich wirtschaftlich lohnt, gerade bei den heutigen Energiepreisen, und da sind marktwirtschaftliche Instrumente einfach die besseren.
Appelmann:
Letzte Woche hat die FDP dem Rentenpaket nach wochenlangem Hin und Her zugestimmt und ein paar Tage später gab es schon wieder Kritik aus der FDP an diesem Rentenpaket. Sind Sie so was wie die Opposition in der Regierung?
Fernis:
Wir haben Überzeugungen und Gesetze macht der Deutsche Bundestag. Das ist manchmal etwas verkürzt dargestellt. Die Bundesregierung beschließt Gesetzentwürfe und der Deutsche Bundestag ist jetzt am Zug. Und da ist die Koalition in Berlin am Zug, das Rentenpaket so aufzustellen. Unser maßgebliches Thema ist das Generationenkapital, also der Einstieg in eine demografiefeste Rente. Das ist unser zentraler Punkt, sich den Kapitalmarkt zunutze machen, um das Rentensystem langfristig zu sichern.
Appelmann:
Okay. Das Rentenpaket ist aber auf dem Weg. Die FDP steht ja immer dafür, dass es keine Steuererhöhung geben soll. Aber wenn doch, in den nächsten Jahren die Rentenbeiträge steigen, dann hat doch der Bürger am Ende auch weniger Lohn in der Tasche, oder?
Fernis:
Genau das ist der Grund, warum wir uns den Kapitalmarkt zunutze machen wollen, weil wir dort Rendite, die die gesamte Volkswirtschaft erwirtschaftet, nutzbar machen für die Altersvorsorge, um genau diesen Prozess, dass immer weniger junge Menschen mehr Rentnerinnen und Rentner finanzieren müssen, abzubremsen, Das ist unser klares politisches Ziel. Andere Länder sind da weiter.
Appelmann:
Ich verstehe Sie richtig, Sie wollen also mit Steuergeld spekulieren?
Fernis:
Also das ist ja ein bisschen schräg, wenn man einem vorwirft, dass der Kapitalmarkt auf der einen Seite ein Paradies für Zocker ist und auf der anderen Seite Reiche immer reicher macht. Es kann ja nur eins von beidem richtig sein Richtig ist: langfristig breit investiert. Zeit frisst Risiko. Das ist keine Spekulation, sondern das ist zukunftsfeste Altersversorgung. Jede private Lebensversicherung funktioniert auch genauso.
Appelmann:
Das lassen wir so stehen und kommen zu einem kernliberalen Thema, Herr Fernis, wir zur Wirtschaft und zu beunruhigenden Zahlen in Rheinland Pfalz.
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Rheinland-Pfalz ist Schlusslicht. In keinem anderen Bundesland ist die Wirtschaftsleistung im vergangenen Jahr so stark gesunken wie hier. Besonders die in Rheinland-Pfalz so stark vertretene energieintensive Chemiebranche schwächelt. Hohe Energiepreise führen zu mehr Produktionskosten und das bedeutet niedrigere Gewinne.
“Im vergangenen Jahr haben wir in allen Märkten Geld verdient, außer in Deutschland.”
So der damalige BASF-Chef Martin Brudermüller Anfang des Jahres. Die Folge: Der Konzern will sich in Europa verkleinern, investiert gleichzeitig Milliarden in China. In Ludwigshafen werden Tausende Arbeitsplätze abgebaut und Anlagen stillgelegt.
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Appelmann:
Ein verheerendes Signal für den Wirtschaftsstandort Rheinland-Pfalz. Können Sie Unternehmenslenker verstehen, die im Ausland ihr Geld verdienen und deswegen genau auch dort im Ausland investieren?
Fernis:
Die Entwicklung der BASF beschäftigt uns natürlich. Gleichzeitig gab es in letzter Zeit wirklich gute Nachrichten, was die Wirtschaft in Rheinland-Pfalz angeht. Lilly investiert über 2 Milliarden in Alzey, AbbVie investiert in seinen Standort in Ludwigshafen, Boehringer Ingelheim investiert. Wir haben in Mainz BioNTech mit großen Chancen. Das sind Veränderungen, die wir aktiv konstruktiv begleiten, die wir unterstützen. Und gleichzeitig nehmen wir auch die Situation der BASF sehr ernst.
Appelmann:
Aber die Investitionssumme ausländischer Unternehmen in Deutschland ist in den letzten Jahren stark gesunken. Das heißt, Sie haben gerade eben positive Beispiele genannt. Ich will Ihnen aber mal ein Beispiel nennen aus der Pfalz, das vielleicht beunruhigend ist, und zwar der Bau des Batteriezellwerks auf dem ehemaligen Opel-Gelände in Kaiserslautern liegt derzeit auf Eis. Eigentlich sollten hier schon nächstes Jahr Batterien für eAutos gebaut werden. Experten sagen, die Batterien, die hier produziert werden könnten, sind einfach zu teuer für den Markt. Ist das der Anfang vom Ende eines Hoffnungsträgers?
Fernis:
Das Unternehmen hat jetzt entschieden und Liberale zeichnen sich ja gerade dadurch aus, dass sie Vertrauen darin haben, dass Unternehmenslenker besser wissen, wo und wie ihre Marktchancen sich gerade entwickeln, dass sie eine technologische Veränderung vornehmen wollen. Ja, der Produktionsstandort ist jetzt ausgesetzt, aber wir gehen weiterhin ganz klar davon aus, dass dieser Standort kommt.
Appelmann:
Es gibt auch Fördersummen. 437 Millionen € sollen da rein fließen., allein 51 Millionen vom Land. Fließt das auch, wenn nicht gebaut wird?
Fernis:
Nein, das Geld fließt nur, wenn auch gebaut wird. Das ist ganz klar.
Appelmann:
Ist es auch gekoppelt an viele Arbeitsplätze? Die Rede ist von 2000.
Fernis:
Das sind unternehmerische Entscheidungen. Ich bin im Detail der Förderkulisse nicht drin. Aber ganz klar ist, dass wenn so ein Werk entsteht, natürlich Arbeitsplätze entstehen.
Appelmann:
Reden wir mal über die Probleme, die die Wirtschaft derzeit hat. Michael Hüther, der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, sagt:
“Deutschland verliert im Standortwettbewerb immer mehr an Boden. Bei hohen Kosten, zermürbender Bürokratie und kaputter Infrastruktur überlegen es sich ausländische Unternehmen zweimal, bevor sie einen Euro in Deutschland investieren.”
Was sagen Sie zu Michael Hüther?
Fernis:
Dass genau diese Themen angegangen werden, gerade maßgeblich auch in liberaler Verantwortung. Unsere Verkehrsministerin Daniela Schmitt in Rheinland-Pfalz investiert weiterhin ins Landesstraßennetz wie noch nie. Der Bundesverkehrsminister, unser liberaler Landesvorsitzender aus Rheinland-Pfalz, Dr. Wissing, investiert in die Modernisierung der Bahn, in die Verkehrsinfrastruktur des Bundes. Die Probleme sind erkannt, die Probleme werden angegangen. Man kann in kurzer Zeit nicht alles lösen, was ein Stück weit verschlafen wurde in der Vergangenheit von anderen Regierungen.
Appelmann:
Mitte Mai haben die Wirtschaftsweisen die Wachstumsprognose gesenkt auf 0,2 %. Das ist quasi Stagnation in Deutschland. Kann sich in dieser Situation Deutschland noch diese Ampelregierung erlauben, die anderthalb Jahre noch regiert?
Fernis:
Die Regierung geht die Dinge an. Ich habe es vorhin schon mal angesprochen Das Thema Bürokratieabbau, das Thema Infrastruktur, das, was im Moment in der Bahn passiert, ist die größte Modernisierung in ihrer Geschichte. Christian Lindner hat jetzt steuerliche Entlastungen, das wird immer wieder thematisiert, auf die Agenda gesetzt. Also ja, dieses Land braucht sogar die Liberalen in Verantwortung.
Appelmann:
Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Siegfried Russwurm, hat die Bundesregierung in einer Deutlichkeit kritisiert, wie man es lange nicht von einem Unternehmensvertreter gehört hat.
“Es waren zwei verlorene Jahre”, sagt er in Richtung Ampelregierung.
Das sind doch wirklich klare Worte.
Fernis:
Ich bedauere diese Sichtweise. Ich verstehe, wenn Unternehmen sich wünschen, dass Dinge schneller vorangehen. Und gleichzeitig sind die Aspekte ganz klar, wo insbesondere mit liberaler Handschrift die Dinge nun wirklich massiv angepackt werden.
Appelmann:
Eines der großen Themen bei der Europawahl ist auch die Asylpolitik. Das sieht man in allen Umfragen derzeit. Mit Abstand die meisten Flüchtlinge, die Europa ansteuern, kommen nach Deutschland. Warum tut sich Politik so schwer zu sagen, dass dies Deutschland einfach überfordert?
Fernis:
Wenn ich mir anschaue – und das ist ein Teil dieses Themas -, was andere Länder aufgenommen haben, gerade im Kontext jetzt zum Beispiel die unmittelbaren Nachbarländer der Ukraine, dann bleibt der Satz von Angela Merkel, dass wir das schaffen, durchaus richtig. Gleichzeitig haben wir große Aufgaben und die sind erstmalig insbesondere auf europäischer Ebene jetzt angegangen worden. Ich bin ein wirklich großer Verfechter, gerade kurz vor der Europawahl, auch der europäischen Einigung. Ich liebe das Europa der offenen Grenzen. Und wenn man dieses Europa erhalten möchte, dann muss man diese Fragen an den europäischen Außengrenzen lösen. Da gab es mit dem EU-Asylkompromiss jetzt erstmals wirklich einen Durchbruch. Wir sehen das übrigens auch daran, dass die Zuzugszahlen sinken.
Appelmann:
Sie sprechen jetzt den Asylkompromiss an, also dass an den EU-Außengrenzen geprüft wird innerhalb kürzester Zeit in sogenannten Asylzentren. Ist es nicht unredlich, das so klar in den Fokus zu nehmen? Weil Sie wissen letztlich, dass die Entlastung in den Kommunen frühestens 2026 ankommt?
Fernis:
Wir haben über 200 Millionen jetzt, 200 Millionen originäres Landesgeld, wir schleusen Gelder des Bundes weiter, über 260 Millionen zusätzlich den Kommunen zur Verfügung gestellt, um das Thema einfach finanziell besser bewältigen zu können. Das heißt, wir unterstützen seitens der Koalition die Kommunen bei der Bewältigung dieser Aufgabe. Das ist ein Kraftakt, das ist herausfordernd. Gerade angesichts dieser erschütternden Tat aus Mannheim muss man auch klar sagen, dass diejenigen, die hier unsere Rechtsordnung missachten, konsequent aus dem Land auch zurückgeführt werden müssen und gleichzeitig ist das Problem nachhaltig nur auf der Ebene des Zuzugs und damit an den europäischen Außengrenzen lösbar.
Appelmann:
Aber für Abschiebungen ist natürlich auch das Land zuständig. Das heißt, da muss mehr abgeschoben werden, nicht nur straffällige Ausländer.
Fernis:
Wir leben in einem Rechtsstaat und das ist gerade, wenn wir 75 Jahre Grundgesetz feiern, eine hohe Errungenschaft. Derjenige, der kein Bleiberecht hier hat, da muss das Recht auch durchgesetzt werden. Das heißt, diejenigen müssen in ihre Heimatländer zurückgeführt werden. Besonders dringlich ist es aber nun mal klar bei denjenigen, die unsere Rechtsordnung hier missachten.
Appelmann:
Wir wollen noch über ein Beispiel sprechen, das vielleicht zeigt, wie zögerlich manchmal gehandelt wird, das Beispiel Bezahlkarte. Im letzten Jahr war das schon Thema bei der Ministerpräsidentenkonferenz auf Bundesebene und Anfang des Jahres hat man in Rheinland-Pfalz gesagt, die Bezahlkarte kommt zeitnah. Herr Fernis, jetzt haben wir Sommer. Wann kommt sie denn und warum dauert das so lange?
Fernis:
Das ist ja ein relativ komplexes Unterfangen, wenn Sie ein Zahlungsmittel, was wir so eigentlich nicht kennen, neu einführen wollen. Wir kennen ganz normale Girocard, Kreditkarten, alle diese Dinge. Wir haben als Rheinland-Pfalz sofort gesagt: “Ja, wenn das entsprechend bundesrechtlich kommt, setzen wir das auch um, beteiligen uns an einer Ausschreibung einer Vielzahl von Ländern. Und ich gehe davon aus, zum Ende des Sommers steht jeder Kommune – letztlich ist es deren Entscheidung, der kommunalen Ausländerbehörde, die Karte aus diesem Modell zur Verfügung.
Appelmann:
Sie sagen jetzt, es ist ein ganz komplexes Thema. Das sieht der Oberbürgermeister von Pirmasens, Markus Zwick, ein bisschen anders. Er hat es nämlich innerhalb von wenigen Wochen geschafft, diese Bezahlkarte einzuführen. Und wir hören mal ganz kurz, was er zu sagen hat:
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