Sektenanführerin wegen Mordes angeklagt

Auch 35 Jahre nach dem Tod eines vierjährigen Jungen in Hanau ist die Aufarbeitung seiner Todesumstände nicht am Ende. Bereits 2020 wurde die Anführerin einer Sekte wegen des Mordes am kleinen Jan zu lebenslanger Haft verurteilt, doch jetzt muss der Prozess neu aufgerollt werden.

In diesem unscheinbaren Haus in Hanau soll Sylvia D. den vier Jahre alten Jan in einen Jutesack gesteckt und ihn dann bei glühend heißen Temperaturen im Badezimmer sich selbst überlassen haben. Das Kind starb, erstickte an seinem eigenen Erbrochenen. Im Vorfeld soll Sylvia D. den Eltern des Kindes, die Anhänger ihres Kultes waren, gesagt haben, dass Kind sei die Reinkarnation von Adolf Hitler und werde bald sterben – beides habe ihr Gott in ihren Träumen enthüllt.
Für die Staatsanwaltschaft in Frankfurt ein klarer Fall.
Miriam Haßbecker, Staatsanwaltschaft Frankfurt
„Die Anklage lautet auf Mord und zwar die Tötung eines vierjährigen Jungens aufgrund von niedrigen Beweggründen und auf eine grausame Begehungsweise.“
Das erste Urteil gegen Sylvia D. war vom Bundesgerichtshof aufgehoben worden, weil darin nicht ausreichend bewiesen war, dass die Angeklagte eine klare Tötungsabsicht hatte. Es müsse auch die Möglichkeit eines Mordes durch Unterlassung in Betracht gezogen werden, so das höchste deutsche Gericht.  Sylvia D. habe Kinder in ihrer Obhut immer wieder für einen „Mittagsschlaf“ in den Jutesack gesteckt. Dass sie Jan damit habe töten wollen, müsse eindeutig bewiesen werden.
Miriam Haßbecker, Staatsanwaltschaft Frankfurt
„Wir sind der Ansicht mit der Staatsanwaltschaft Hanau gemeinsam, dass weiterhin ein dringender Tatverdacht besteht und dass wir diesen auch mit der notwendigen Sicherheit erhärten können für eine Verurteilung.“
Ungewöhnlich an dem Fall ist, dass das vermeintliche Verbrechen inzwischen 35 Jahre zurückliegt, sodass es schwer ist, Zeugen zu dem Vorfall zu befragen. Der Tod von Jan war lange Zeit als Unfall angesehen und erst 2017 zur Anzeige gebracht worden. Die Angeklagte ist inzwischen 76 Jahre alt.
Robert Murmann, Reporter
„Vor Gericht spricht die Angeklagte zwar mit leiser Stimme, wirkt aber ansonsten gut aufgelegt. Während die Staatsanwältin die Anklage verliest, schüttelt Sylvia D. vehement mit dem Kopf und auch ihre Anhänger scheinen weiter von ihrer Unschuld überzeugt zu sein, denn nach der Verhandlung wird sie noch von Sektenmitgliedern aus dem Zuschauerraum angesprochen. Sie rufen ihr zu: ‚Wir halten zu dir und kommen dich am Montag im Gefängnis besuchen‘.“
Für die Verhandlung wurden bis August 23 Verhandlungstage angesetzt. In der kommenden Woche will sich dann auch Sylvia D. zu den Vorwürfen äußern.