Schwere Zeiten für das hessische Handwerk

Handwerk hat goldenen Boden – so heißt es ja immer. Doch momentan glänzt der etwas weniger als in früheren Zeiten, denn auch die Handwerksbetriebe haben mit den gestiegenen Preisen zu kämpfen. Und zudem sparen die Kunden: ob beim Haarschnitt oder den Brötchen vom Bäcker. Daher blickt das hessische Handwerk eher skeptisch auf das noch frische Jahr.

Die Bäckerei Roth im mittelhessischen Brechen. In der Gegend eine der letzten Anlaufstellen für Brötchen aus Meisterhand. Viele andere Bäckereien rundum haben bereits aufgegeben. Seit Jahren geht die Zahl der Bäckereien in Hessen zurück, etwa 500 sind heute noch übrig.
Momentan sorgen die gestiegenen Energiekosten für große Unsicherheit
Britta Schaaf-Roth, Verkaufsleiterin Bäckerei Roth Oberbrechen
„Im Moment halten wir die Luft an, dass wir’s übers Jahr schaffen, weil wir eine Steigerung an Energiekosten haben um das vierfache, von 600 monatlich auf 2.200, das ist etwas, was man einfach stemmen muss.“
Die Brötchen teurer machen – das reicht nicht, um die gestiegenen Kosten zu decken. Irgendwo ist auch für die Kunden die Grenze erreicht.
Mario Roth, Bäckermeister in Oberbrechen
„Wo ist die Spanne? Wie weit geht man? Das ist auch das Schwierige. Ich hab einen Kollegen, der hat 55 Cent, und die sagen dann: ‚Das ist mir zu teuer, da kauf ich nicht mehr‘, aber von irgendwas muss man ja auch leben. Das ist halt der Spagat wo man hingeht.“
Probleme, die andere Handwerksbetriebe teilen. Fast alle hatten im vergangenen Jahr mit steigenden Einkaufspreisen zu kämpfen, nur 60 Prozent der Betriebe konnten diese auch an ihre Kunden weitergeben, so der hessische Handwerkstag bei seiner Jahresbilanz.
Stefan Füll, Präsident Hessischer Handwerkstag
„Wir stehen vor herausfordernden Zeiten. Einmal Energie, einmal, Material-Lieferengpässe, also Preisentwicklungen, dass Materialien gar nicht zu liefern sind, und auch unter Fachkräftethema, was uns im Handwerk unabhängig der Krisen zusätzlich als Hauptthema beschäftigt.“
Besonders das Lebensmittelhandwerk und personenbezogene Dienstleister, wie Frisöre und Kosmetiker hätten es im letzten Jahr schwer gehabt.
Der Baubereich, üblicherweise eine sichere Bank, hält sich zwar dank traditionell gut gefüllter Auftragsbücher wacker, doch auch dort rechnen viele mit einer wirtschaftlichen Verschlechterung im kommenden Jahr. Bereits jetzt käme es vermehrt zu Stornierungen weil Inflation und Preisanstieg viele Eigenheimträume platzen lassen.
Seit Jahren rückläufig und immer noch weit unter Vor-Corona-Niveau sind die Auszubildendenzahlen im Handwerk. Immer weniger junge Menschen entschieden sich nach der Schule für eine Berufsausbildung.
Stefan Füll, Präsident Hessischer Handwerkstag
„Und da streiten sich alle drum, ob Handel, Handwerk, und jeder ist bemüht, da seine Beute rauszuziehen. Aber klar, wir stellen halt fest, jeden, den wir heute nicht ausbilden, der fehlt uns später als Facharbeiter und dann auch vielleicht als zukünftiger Nachfolger bei Betriebsübergaben.“
15.000 Fachkräfte fehlten dem Handwerk in Hessen bereits jetzt. Diese auszubilden, sei die zentrale Zukunftsaufgabe. Auch in der Bäckerei Roth ist unklar, wer den Laden eines Tages übernehmen wird. Und so steht auch diesem Betrieb eine ungewisse Zukunft bevor.