Schüler kommen zurück ins Ahrtal

Die Flutkatastrophe im Ahrtal letzten Sommer hat alle Lebensbereiche schwer getroffen. Familien haben Angehörige verloren, Menschen ihre Heimat und Geschäftsleute ihre Lebensgrundlage – alles fortgespült vom Wasser. Und vielen Kindern in der Region wurde die Chance auf eine reguläre Schulbildung genommen. Doch auch für sie kehrt die Hoffnung langsam ins Ahrtal zurück.

Die Musikinstrumente kaputt, die Tische unbrauchbar, die Klassenzimmer völlig ruiniert. Nach der Flut im Juli standen die Schüler und Lehrer des Are-Gymnasiums in Bad Neuenahr-Ahrweiler in den Trümmern ihrer Schule und hatten keine Ahnung, wie es weitergehen sollte.
Heute, fast ein halbes Jahr später, können die rund 800 Schüler und Schülerinnen endlich ihre neue Container-Schule in der Nachbargemeinde Grafschaft beziehen. Ein gutes Gefühl auch für den Sozialkunde-Stammkurs der zwölften Klasse.
Mika Schöning
„Endlich mal eine eigene Schule wieder zu haben, das ist schon mal etwas anderes. Mal geregelte Unterrichtszeiten mal wieder zu haben, einen geplanten Tagesablauf. Auch normale Stundenzeiten wieder und vor allem keinen Wechselunterricht mehr“.
Carecia Janoschka
„Ich habe es schlimmer erwartet. Aber da kommt ja auch noch viel dazu, Herr Müller meinte es ist ja noch ein Rohbau alles. Klar, die Gänge sehen schon ein bisschen aus wie im Gefängnis, aber sonst…“
Helen Giese
„Was eigenes zu haben, wo man halt wieder seinen eigenen Rhythmus hat und so, dass ist auf jeden Fall schon cool.“
Die neuen Gebäude haben insgesamt eine Grundfläche von mehr als 6.000 qm. Klassenzimmer, Lehrerzimmer und Verwaltung sind bereits fertig, Mensa, Sporthalle und Naturwissenschaftssäle sollen in Kürze folgen. Der Kreis hat rund 6,5 Millionen Euro für die Containerschule investiert. Ein notwendiger Kraftakt, denn die meisten Möbel und Gebrauchsgegenstände mussten neu angeschafft werden. Doch die Trauer um Materielles ist im Ahrtal längst in den Hintergrund gerückt.
Heribert Schieler, Schulleiter
„Es war eigentlich so, dass die Schule … Es war schlimm, dass sie kaputt ist, aber wenn sie alles andere drumherum gesehen haben und das menschliche Leid gesehen haben, dann war Ihnen die Schule, ehrlich gesagt, völlig egal. Wenn uns vor einem halben Jahr jemand gesagt hätte: ‚Ihr müsst in eine Container-Schule umziehen‘, dann hätten wir gesagt: ‚Das ist ja das allerletzte‘. Heute ist das für uns das Paradies. Die Relationen haben sich verschoben hier im Ahrtal.“
Für die Schüler der zwölften Klasse geht es jetzt darum, die Konzentration für ihr Abitur im kommenden Schuljahr zu finden. Nach Monaten der Ungewissheit, haben sie jetzt zumindest wieder einen sicheren Ort zum Lernen. Doch die psychische Verfassung ist etwas, das nicht mit Geld zu reparieren ist. Viele haben hier immer noch mit den Folgen der Flutnacht zu kämpfen. Viele waren selbst betroffen.
Sandy Leyndecker
„Bei uns stand das Erdgeschoss unter Wasser und ich wohne auch immer noch Zuhause und es geht halt alles immer noch sehr schleppend voran. Da bekommt man ja schon irgendwie Angst, dass einen das alles sehr beeinflusst, zum Beispiel bei seinen Noten und auch in seinem Verhalten im Unterricht. Ich, zum Beispiel, bin jetzt viel ruhiger geworden, weil so viel passiert ist, dass man manchmal gar nicht weiß, wo man mit dem Kopf eigentlich ist.“
Einige Schüler fürchten um ihr Abitur und damit um ihre künftigen Berufschancen. Lehrer Marco Müller verspricht seinen Schützlingen aber eine faire Abschlussprüfung.
Marco Müller, Lehrer
„Da sind wir tatsächlich in einem engen Austausch mit dem Bildungsministerium, dass wir die Ansprüche für das Abitur auf dem gleichen Level halten, aber die Themenvielfalt ein wenig einschränken, so dass wir da so ein bisschen den Druck von den Schülerinnen und Schülern nehmen, aber trotzdem die Qualität des Abiturs auf dem gleichen Level zu halten.“
Niemand kann genau sagen, wann die alte Schule wieder bezogen werden kann. Das Are-Gymnasium wird wohl noch mehr als zwei Jahre in diesen Containern bleiben. Hier also werden die Zwölftklässler ihr Abitur schreiben, einfach nur froh, wieder ein Dach über dem Kopf zu haben.