Schärfere Corona-Regeln auch in Hessen und Rheinland-Pfalz

„Ganz Deutschland ist ein einziger großer Ausbruch !“ So hat heute Lothar Wieler, der Präsident des Robert-Koch-Instituts, die derzeitige Corona-Lage beschrieben. Auch die Länderchefs und Bundeskanzlerin Angela Merkel sprachen gestern auf der Ministerpräsidentenkonferenz von einer dramatischen Situation. Nach dem Bundestag hat deshalb heute auch der Bundesrat einem neuen Infektionsschutzgesetz und verschärften Corona-Schutzmaßnahmen zugestimmt.

Die vierte Welle trifft auch Hessen und Rheinland-Pfalz mit voller Wucht. Die Krankenhäuser füllen sich, vielerorts arbeiten Ärzte und Pflegekräfte wieder mal an ihrer Belastungsgrenze und darüber hinaus.
Die Hospitalisierungsinzidenz ist deshalb jetzt das neue Maß der Dinge. Sie gibt an, wie viele Menschen pro 100.000 Einwohner innerhalb von siebenben Tagen mit Covid-19 ins Krankenhaus eingeliefert werden.
Liegt die Hospitalisierungsinzidenz über 3, gilt 2G. Das heißt, Restaurants und andere Einrichtungen dürfen nur noch Geimpfte und Genesene betreten.
Überschreitet die Inzidenz den Wert 6, müssen Geimpfte und Genesene zusätzlich einen negativen Coronatest vorlegen.
Ab einem Wert von 9 soll es zudem Kontaktbeschränkungen geben.
Volker Bouffier, CDU, Ministerpräsident Hessen
„Wenn ich gesagt habe: ‚Gestern war kein guter Tag für Deutschland‘, dann deshalb, weil wir gestern den absoluten Höchststand der Inzidenzen in Deutschland hatten seitdem die Corona-Pandemie dieses Land plagt und – wie Sie es zitiert haben – nur in einer gemeinsamen nationalen Kraftanstrengung wir dieser Herausforderung begegnen können.“
In Hessen liegt die Hospitalisierungsinzidenz bei 4,8 und Rheinland-Pfalz bei 4. Ab kommender Woche haben also auch hier bei uns nur noch Geimpfte und Genesene Zutritt zu Restaurants, Hotels, Theatern, Kinos und Sporthallen. Ausgenommen sind Kinder und Jugendliche.
Aus Sicht des Hotel- und Gaststättenverbandes ist das auch genau richtig. Dass sich Geimpfte und Genesene aber in Stufe 2 zusätzlich testen müssen, dürfe nicht sein.
Gereon Haumann, Präsident Dehoga Rheinland-Pfalz
„Ich halte das für eine fatale Fehlentscheidung der Politik, weil hier die Konsequenz die völlig Falschen trifft. Die Verursacher der vieren Welle sind nicht die Geimpften, die Verursacher der vierten Welle sind die Nicht-Geimpften. Wir müssen die Mehrheit belohnen, damit der Anreiz auch da ist für die, die sich noch nicht geimpft haben, sich impfen zu lassen.“
Mehr Sicherheit am Arbeitsplatz wollen die Länder durch das neue Infektionsschutzgesetz erreichen. Wer kann, soll Homeoffice machen. Ansonsten müssen Arbeitnehmer geimpft, genesen oder täglich getestet sein, wenn sie mit anderen in Kontakt kommen.
Die Arbeitgeber müssen allen Mitarbeitern zwei Tests pro Woche anbieten und Impf- und Testnachweise kontrollieren. Wer nicht geimpft ist, muss sich an den restlichen Arbeitstagen selbst um einen Test kümmern.
Susanne Wingertszahn, Vorsitzende DGB Rheinland-Pfalz
„Wir appellieren, dass die Beschäftigten ihren Impfstatus offenlegen, freiwillig. Wer das nicht freiwillig tun kann, ist verpflichtet, einen Selbsttest durchzuführen und den auch selbst zu bezahlen. Das ist in der aktuellen Situation unbedingt notwendig.“
Auch die Landesvereinigung der rheinland-pfälzischen Unternehmerverbände hält das für angemessen. Sie beklagt aber die unzureichende Vorbereitungszeit.
Karsten Tacke, Hauptsgeschäftsführer Landesvereinigung Unternehmerverbände Rheinland-Pfalz
„Wir haben natürlich Verständnis dafür, dass angesichts dieser fortschreitenden Infektionslage auch schnelles Handeln erforderlich ist. Allerdings ist es schon sportlich, hier die Betriebe am Freitag zu verpflichten, am Montag etwas umzusetzen und die dementsprechenden Fragen, wie sie das umsetzen wollen nicht mitzuliefern.“
Auch in Bussen und Bahnen gilt künftig 3G. Die Verkehrsbetriebe sollen das stichprobenartig kontrollieren. Wie beim Schwarzfahren sollen Bußgelder drohen.
Knut Ringat, Geschäftsführer Rhein-Main-Verkehrsverbund
„Es legt natürlich eine große Verantwortung auch unseren Fahrgästen auf. Ähnlich wie bei einem Tempolimit. Es gibt auch nicht in jeder Straße und um jede Ecke einen Blitzer, da muss ich auch mein Tempolimit einhalten. Und so muss ich auch mit 3G, darf ich nur den öffentlichen Personennahverkehr nutzen.“
Es ist ein ganzer Katalog von Maßnahmen, der uns in den nächsten Wochen fordern wird. Doch schon jetzt befürchten Experten, dass die Maßnahmen nicht ausreichen, um die vierte Welle zu brechen. Wir fragen nach beim Mainzer Virologen Bodo Plachter.
Prof. Bodo Plachter, Virologe Unimedizin Mainz
„Ja, natürlich können wir sagen, man könnte jetzt massiv alles einschränken, alle bleiben wieder zuhause, wir machen einen kompletten Lockdown – es ist übrigens umstritten, inwieweit ein kompletter Lockdown wirklich hilfreich ist, weil Menschen sich dann zuhause treffen und zuhause aufhalten. Das heißt mit anderen Worten, man muss schon gezielt jetzt vorgehen.“
Ob die Maßnahmen ausreichen, bleibt laut Plachter abzuwarten. Nach wie vor sei Impfen der wichtigste Schritt raus aus der Pandemie.
Clemens Hoch, SPD, Gesundheitsminister Rheinland-Pfalz
„Wer es jetzt noch nicht verstanden hat, wenn er auf unsere Intensivstationen blickt, dem kann man, glaube ich, nicht mehr wirklich mehr erläutern oder Anreiz schaffen. Hätten wir keine Ungeimpften auf unseren Intensivstationen, dann lägen 75% weniger Menschen dort.“
Gestern haben sich deshalb die Ministerpräsidenten der Länder auch verständigt, dass der Bund zumindest für medizinisches Personal eine Impfpflicht auf den Weg bringen soll.