Rheinland-pfälzisches Klimaschutzgesetz in der Kritik

Hohe Kosten, viel Bürokratie und Krisen, wohin man blickt: Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat einen Tiefpunkt erreicht. In Rheinland-Pfalz kommt noch etwas dazu, was den Unternehmern nicht schmeckt: das Klimaschutzgesetz, das noch in diesem Jahr im Landtag verabschiedet werden soll. Die Unternehmen sagen zwar, Klimaschutz ist wichtig, aber nicht so. Wenn man sich das Klimaschutzgesetzes mit seinen 56 Seiten durchliest, weiß man zwar, dass Rheinland-Pfalz 2040 klimaneutral sein will – fünf Jahre früher als der Bund -, der Weg dahin aber bleibt unklar.

Das übergeordnete Ziel steht bereits seit Längerem fest: Bis zum Jahr 2045 soll Deutschland klimaneutral sein. Das hat die Bundesregierung so beschlossen – und ist dabei auch auf die Unterstützung der einzelnen Bundesländer angewiesen. Dabei könnte Rheinland-Pfalz schon bald zu einer Art Musterschüler in Sachen Klimaschutz werden – indem das Land die Vorgabe sogar übererfüllt. So sieht der Entwurf zum neuen Landesklimaschutzgesetz unter anderem vor, den Ausstoß von Treibhausgasen in der Industrie schon bis zum Jahr 2040 um 96 Prozent zu verringern – bei den Gebäuden sollen die Emissionswerte bis dahin um 85 Prozent sinken. Das sei in der Tat ambitioniert, aber dennoch unbedingt erforderlich.
Katrin Eder, (Bündnis 90 / Die Grünen), Klimaschutzministerin Rheinland-Pfalz
„2024 war das wärmste Jahr. Und Rheinland-Pfalz ist einfach eines der Bundesländer, was in Deutschland besonders betroffen ist durch die Auswirkungen des Klimawandels.“
So sei etwa der Wald in Rheinland-Pfalz durch die langen Dürreperioden der vergangenen Jahre erheblich geschädigt – und auch der Grundwasserspiegel sei vielerorts bereits bedrohlich niedrig. Man dürfe keine Zeit verlieren, die Energiewende und die Transformation der Wirtschaft weiter voranzutreiben – sonst würde es am Ende für alle nur NOCH teurer.
Katrin Eder, (Bündnis 90 / Die Grünen), Klimaschutzministerin Rheinland-Pfalz
„Bei allen kurzfristigen Krisen ist die Klimakrise ja nach wie vor da. Und sie schädigt die Wirtschaft ja bereits heute. Wenn wir zum Beispiel an Rhein-Niedrigwasser denken. Was das für wirtschaftliche Schäden hervorgerufen hat, wenn über den Rhein die Güter nicht transportiert werden können. Und der volkswirtschaftliche Schaden dessen, was wir heute schon bezahlen nach jeder Hochwasser-Katastrophe. Nach jedem Starkregen.“
Die Opposition warnt davor, die rheinland-pfälzische Wirtschaft nicht durch noch strengere Vorschriften und Verbote zu belasten. Die Unternehmen seien nicht gegen Klimaschutz.
Aber sie müssten die marktwirtschaftlichen Chancen nutzen können, die sich daraus ergeben.
Gerd Schreiner (CDU), Abgeordneter Landtag Rheinland-Pfalz
„Wir brauchen Klimaschutz. Und für vernünftigen Klimaschutz braucht man Geschäftsmodelle, die den Klimaschutz voranbringen. Wir brauchen nicht neue Regeln. Wir brauchen letztendlich die Entfesselung des Marktes. Dass wir als Land der Ingenieure und Meister Geschäftsmodelle entwickeln für unseren Heimatmarkt und die Welt.“
Ob sich die Landesregierung von dieser Kritik beeindrucken lässt, ist allerdings fraglich: Noch in diesem Jahr könnte in Rheinland-Pfalz das wohl strengste Klimaschutzgesetz aller Bundesländer in Kraft treten.
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Markus Appelmann, Moderator:
Wie ist der Blick der Wirtschaft auf das neue Klimaschutzgesetz? Das fragen wir Johannes Heger, den Präsidenten der Landesvereinigung Unternehmerverbände. Sie sprechen für 115.000 Unternehmen, für 1 Million Beschäftigte in Rheinland Pfalz. Guten Abend.
Johannes Heger, Präsidenten der Landesvereinigung Unternehmerverbände Rheinland-Pfalz:
Guten Abend.
Appelmann:
Herr Heger, die Landesregierung sagt zu diesem Landesklimaschutzgesetz: “Wir haben ja gar keine konkreten Maßnahmen der Wirtschaft auferlegt.” Was treibt Sie dennoch um?
Heger:
Die Unternehmen in Rheinland-Pfalz, die Kleinen und die Großen haben sehr wohl verstanden, dass wir klimaneutral werden müssen. Wir arbeiten jeden Tag an tollen Lösungen, die es da gibt. Zum Beispiel hat Daimler Trucks gerade seinen Elektro-LKW auf die Straße gebracht, serientauglich, langstreckenfähig. Aber er kann nicht fahren, weil es das Ladenetz nicht gibt. Und das ist unsere Kritik. Wir brauchen kein neues Landesklimaschutzgesetz, wo mit dem Finger auf uns gezeigt wird, was wir zu tun haben, sondern wir möchten gerne in einem Paradigmenwechsel mit der Politik gemeinsam den Status quo festlegen und gemeinsam die Schritte festlegen. Denn es gibt ganz, ganz viele Beispiele, dass wir eben darauf angewiesen sind, dass auch das Land und der Staat seine Aufgaben erfüllt. Was nützt uns ein Elektro-LKW, wenn wir die Ladenetzinfrastruktur nicht haben?
Appelmann:
Sie geben also die Aufgabe direkt auch ans Land weiter. Es stehen ja erst mal keine konkreten Maßnahmen drin, aber diese können folgen. Das steht auch in diesem Gesetz drin. Spricht man denn mit der Wirtschaft, wie diese Maßnahmen aussehen könnten?
Heger:
Es geht uns immer um die Standortbedingungen, die wir in Rheinland Pfalz haben. Wir müssen für die Unternehmen hier schauen, dass sie sich hier gut entfalten können. Und wir verstehen deswegen nicht, warum wir, nachdem es schon ein Bundesklimaschutzgesetz gibt, jetzt das schärfste Landesklimaschutzgesetz bekommen, schärfer als in allen anderen Bundesländern, und auch früher das Ziel erreichen wollen, als die anderen Bundesländer sich das vorgegeben haben. Das ist uns unverständlich. Wir würden wirklich dafür plädieren, dass wir gemeinsam die Schritte festlegen können und uns gemeinsam auf das Ziel hinbewegen, aber eben mit machbaren Zielen. Das löst sonst nur Frustration aus, wenn es zu ambitioniert ist. Und gerade dann, wenn wir das Ziel nicht erreichen.
Appelmann:
2040 also Klimaneutralität – steht in diesem Gesetz drin. Und es steht auch klipp und klar drin, dass die Industrie die Emissionen um 96  % mindern muss. Was müsste denn alles passieren, damit man dieses Ziel 96  % schafft?
Heger:
Es ist eine unheimlich hohe Zahl und irgendwie geht einem durch den Kopf: Alles müsste elektrifiziert werden, kein Verbrennen mehr von Gas oder Öl und Kohle und so was bei der Energie. Und das soll in Rheinland-Pfalz schneller gelingen als überall woanders. Alle stürzen sich auf den Strom – der Verkehr, die Industrie, die die Häuser, die so heizen sollen. Da fehlt einfach die Zuversicht, dass uns das in kurzer Zeit gelingen kann.
Appelmann:
Was klar ist: Sie wollen dieses Ziel Klimaschutz natürlich auch unterstützen. Wie sähe denn Ihr Weg aus und wie lange würde es dauern zur Klimaneutralität mit der Wirtschaft zusammen?
Heger:
Nur im Zusammenhang mit der Politik, nur in Zusammenhang, wenn wir sehen, wie die Randbedingungen sich verändern und dann eben in machbaren Schritten, ohne aber das Ziel aus den Augen zu verlieren. Denn wir wissen schon, wo wir hin müssen.
Appelmann:
Wenn dieses Klimaschutzgesetz jetzt genauso kommt, den Landtag passiert, was bedeutet das für den Wirtschaftsstandort Rheinland-Pfalz?
Heger:
Wettbewerbsbedingungen, Standortbedingungen werden schlechter. Die mittelständischen Firmen und die großen Firmen denken heute schon darüber nach, wo sie hingehen. Das hat jetzt nicht nur mit dem Landesklimaschutzgesetz zu tun, aber es ist eben ein weiterer Baustein, der irgendwie das Arbeiten hier in Rheinland-Pfalz und in Deutschland schwieriger macht.
Appelmann:
… sagt Johannes Heger, der Präsident der Landesvereinigung Unternehmerverbände Rheinland Pfalz. Danke für den Besuch.
Heger:
Sehr gerne.