Reaktionen auf Wahlergebnisse in Sachsen und Thüringen
Was für ein politisches Erdbeben gestern in Sachsen und Thüringen: Erstmals hat die AfD eine Landtagswahl für sich entschieden. Fast jede dritte Stimme ging in Thüringen an die Höcke-Partei – Platz eins noch vor der CDU. Auch in Sachsen verzeichnet die AfD deutliche Gewinne – und landet knapp hinter der CDU auf Platz zwei. Die Ampel-Parteien SPD, FDP und Grüne wurden vom Wähler dagegen hart abgestraft. Ein Ergebnis mit Signalwirkung – nicht nur für den Berliner Politikbetrieb, sondern auch für die Politik in Hessen und Rheinland-Pfalz.
Eines ist jetzt schon klar: Seit gestern ist die politische Landschaft in Deutschland nicht mehr die, die sie vorher war. Mehr als 30 % für die AfD sowohl in Thüringen als auch in Sachsen – eine politische Zäsur. Findet auch Andreas Lichert von der Hessen-AfD und fordert die CDU auf, die selbst errichtete Brandmauer zur AfD endlich einzureißen.
Andreas Lichert (AfD), Vorstandssprecher Hessen
„Das ist ein Signal an das ganze Land. Und auch die CDU in Hessen sollte sich da zum Beispiel ihre Gedanken machen. Denn es ist die Frage: Wie geht es denn insgesamt weiter? Wie retten wir im Grunde genommen auch die politische Kultur in unserem Land? Und dazu muss die Berliner Mauer der CDU natürlich fallen.“
Nicht nur im Osten, sondern auch in Hessen und Rheinland-Pfalz will die CDU davon allerdings nach wie vor nichts wissen: Jegliche Form der Zusammenarbeit mit der AfD bleibe für die Christdemokraten tabu. Beim Gillamoos-Jahrmarkt, einem feucht-fröhlichen politischen Frühschoppen im niederbayrischen Abensberg, tritt auch Hessens Ministerpräsident Boris Rhein ans Rednerpult – und schiebt den schwarzen Peter nach Berlin.
Boris Rhein (CDU), Ministerpräsident Hessen
„Die Verantwortung für diese Lage, für dieses furchtbare Schlamassel, in dem wir politisch sind, trägt einzig und allein die Ampel und zwar mit schlimmen Folgen für unser Land. Und ich will auch das deutlich sagen: Das darf nicht so weitergehen. Deutschland hat eine bessere Regierung verdient. Es macht einen Unterschied, wer das Land regiert, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde der CSU.“
Immerhin habe die CDU ihr Ergebnis bei den Wahlen im Osten weitgehend behaupten können – und bleibe in Sachsen sogar stärkste Kraft. Dort gehe es nun darum, eine stabile demokratische Mehrheit zu finden und eine Regierung unter Führung der CDU zu bilden.
Ebenfalls beim Gillamoos mit dabei: Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer – ebenfalls mit einer Ohrfeige für „seine“ SPD im Bund.
Alexander Schweitzer (SPD), Ministerpräsident Rheinland-Pfalz
„Niemand, der Sozialdemokrat ist, kann happy sein über die Performance der Berliner Ampel. Die Leute wollen, weil sie uns gewählt haben, und viele haben das ja getan, dass wir unseren Job hinkriegen und dass wir dann reden, wenn wir Ergebnisse vorzuweisen haben und nicht schon wie in einer permanenten Selbsthilfegruppe dauernd sagen: ‚Da hat mir aber gerade einer mein Förmchen weggenommen‘, liebe Genossen. Das wird nicht funktionieren.“
Noch einen Schritt weiter geht der rheinland-pfälzische CDU-Chef Christian Baldauf. Er sieht nicht nur die Schuld für das Wahldebakel bei der Berliner Ampel, sondern fordert auch personelle Konsequenzen – und zwar ganz oben.
Christian Baldauf (CDU), Landesvorsitzender Rheinland-Pfalz
„Es gibt für mich nur einen Schluss aus den gestrigen Wahlen: Die Ampel in Berlin hat versagt – und der Bundeskanzler muss zurücktreten.“
Welche Rolle die Performance der Ampelregierung wirklich für die Wahlen in Sachsen und Thüringen gespielt hat, bleibt umstritten. Fest steht: Während die SPD den Einzug in die beiden Landtage gerade eben so noch geschafft hat, sind die Grünen in Thüringen raus – die FDP in beiden Ländern mit 0,8 bzw. 1,1 % der Wählerstimmen nur noch unter „ferner liefen“. Grund genug für den stellvertretenden Bundesvorsitzenden Wolfgang Kubicki, seiner eigenen Partei den Austritt aus der Berliner Ampel nahezulegen.
Wolfgang Kubicki
„Das Wahlergebnis zeigt: Die Ampel hat ihre Legitimation verloren. Wenn ein beträchtlicher Teil der Wählerschaft ihr in dieser Art und Weise die Zustimmung verweigert, muss das Folgen haben.“ Und: „Die Menschen haben den Eindruck, diese Koalition schadet dem Land. Und sie schadet definitiv der Freien Demokratischen Partei.“
Wundenlecken auch bei den hessischen Liberalen: Von einem Ausstieg aus der Ampelregierung will deren Generalsekretär Moritz Promny aber erst mal nichts wissen.
Moritz Promny (FDP), Generalsekretär Hessen
„Meine Haltung ist, dass wir als Freie Demokraten einen Koalitionsvertrag unterzeichnet haben, dass wir Verantwortung übernommen haben. Und auch in schwierigen Situationen darf man nicht vor der Verantwortung davonlaufen.“
Für einiges Erstaunen sorgt eine Aussage der Grünen-Vorsitzenden Ricarda Lang von gestern Abend, wonach die Wahlergebnisse in Thüringen und Sachsen nichts mit dem Thema Migration zu tun haben. Das sieht der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Markus Söder anders – und fordert:
Markus Söder
„Wir müssen das Asylrecht ändern, es ist nicht mehr zeitgemäß. Wir müssen all jene an den deutschen Grenzen zurückweisen können, die klar erkennbar keinen Anspruch auf Schutz haben.“
Mit der SPD wird das jedoch kaum zu machen sein.
Josefine Koebe (SPD), Generalsekretärin Hessen
„Die Politik ist immer sehr schnell dabei, sehr große Maßnahmen zu kommunizieren, die vielleicht nochmal eine weitere Schleife drehen sollten. Ob das jetzt tatsächlich sofort die Lösung herbeibringt, wage ich zu bezweifeln. Ich hatte jetzt auch das Gefühl, dass jetzt nach einzelnen Ereignissen wie Solingen dann schnell gekramt wird, was können wir denn für Sicherheitsmaßnahmen noch schnell aus dem Hut zaubern?“