Reaktionen auf Rücktritt der Grünen-Spitze

„Jetzt ist nicht die Zeit, um am eigenen Stuhl zu kleben.“ – mit diesen Worten sind die Bundesvorsitzenden der Grünen, der Frankfurter Omid Nouripour und Ricarda Lang, heute zurückgetreten. Nach den Niederlagen bei der Europawahl, den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen sowie den katastrophalen Umfragewerten auf Bundesebene brauche es einen Neustart. Ein überraschender Schritt – auch für die Landesverbände in Hessen und Rheinland-Pfalz.

Lange Gesichter am Sonntagabend in Brandenburg. Mit 4,1 Prozent der Stimmen fliegen die Grünen bei der Landtagswahl nicht nur aus der Regierung, sondern auch aus dem Landtag. Nach den Wahlniederlagen in Sachsen und Thüringen ist das der bisherige Endpunkt einer ganzen Reihe an katastrophalen Wahlergebnissen.
Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre, bekämen die Grünen nach einer aktuellen Umfrage nur noch 9,5 Prozent der Stimmen. Damit sind sie zum ersten Mal seit sieben Jahren nur noch einstellig.
Omid Nouripour, Bundesvorsitzender der Grünen, spricht von der tiefsten Krise seiner Partei seit mindestens zehn Jahren und zieht jetzt, gemeinsam mit dem gesamten Bundesvorstand, die Konsequenzen.
Omid Nouripour (Bündnis 90 / Die Grünen), Bundesvorsitzender
„Es braucht einen Neustart. Wir haben heute im Bundesvorstand entschieden, es ist Zeit, die Geschicke dieser großartigen Partei in neue Hände zu legen.“
Der Landesvorstand der Grünen in Hessen reagiert überrascht, zeigt aber auch Verständnis für diese Entscheidung.
Kathrin Anders (Bündnis 90 / Die Grünen), Landesvorsitzende Hessen
„Ich glaube, dass es richtig war, diesen Schritt jetzt zu gehen. Ein Neuanfang geht nur auch mit neuen Gesichtern, das ist richtig und wichtig. Für uns war’s allerdings doch jetzt überraschend.“
Auch der rheinland-pfälzische Landesvorstand hat erst heute Vormittag, kurz vor der öffentlichen Verkündung, von dem Rücktritt erfahren.
Paul Bunjes (Bündnis 90 / Die Grünen), Landesvorsitzender Rheinland-Pfalz
„Ich habe großen Respekt vor der Entscheidung des Bundesvorstands zurückzutreten. Die beiden Vorsitzenden, die Geschäftsführerin und der weitere Vorstand haben uns durch schwierige zweieinhalb Jahre geführt. Wir haben Krieg in Europa, wir hatten eine Energiekrise, wir haben eine voranschreitende Klimakrise und erstarkenden Rechtsextremismus und Rechtspopulismus. Und das war für uns als regierungstragende Partei eine herausfordernde Zeit.“
Auf die man nicht immer die richtige Antwort parat hatte, gibt die hessische Landesvorsitzende zu. Daher sei es mit personellen Veränderungen allein nicht getan.
Kathrin Anders (Bündnis 90 / Die Grünen), Landesvorsitzende Hessen
„Wir sind aber auch der Meinung, dass es sicherlich nicht nur alleine mit personellen Veränderungen getan sein wird. wir müssen auf die Themen eingehen, die die Menschen vor Ort bewegen. Wir müssen darauf eingehen, dass es eine wirtschaftliche Unsicherheit in diesen Zeiten gibt. Wir müssen auf die Migrationsfrage eine ehrliche Antwort geben.“
Und so schnell Klarheit in die Politik der Grünen bringen. Denn es ist ein Wettlauf gegen die Zeit: In einem Jahr ist Bundestagswahl – und bis dahin wollen sie die Trendwende schaffen.
Bis zum Bundesparteitag Mitte November in Wiesbaden führen Omid Nouripour und Ricarda Lang die Partei weiter. Dann wählen die Delegierten einen neuen Bundesvorstand.