Rare Disease Day: Die seltene Stoffwechselkrankheit MPS

Am 29. Februar ist der „Tag der seltenen Krankheiten“. Da es den in diesem Jahr nicht gibt, rücken viele seltene Krankheiten schon am 28. Februar, also heute, ins Licht der Öffentlichkeit, um sie bekannter zu machen und Betroffenen Halt zu geben. Wir wollen den Tag zum Anlass nehmen, um Ihnen die seltene Stoffwechselkrankheit MPS vorzustellen. Dafür haben wir eine junge Frau aus Mainz und ein junges Mädchen aus Nordhessen getroffen.

 

Heute ist ein außergewöhnlich guter Tag für die sechsjährige Judith. Mit ihren zwei großen Brüdern Hendrik und Nils spielt sie im Garten fangen. Erkundet das Trampolin. Was Geschwister eben so machen. Doch nicht jeder Tag fühlt sich so an wie der heute. 
Maria, Mutter von Judith: „Bei uns ist das größte Thema tatsächlich die Schlafstörung. Und einfach dass sie extrem hyperaktiv ist. Also länger als ein bis zwei Minuten das gleiche und dann müssen wir was anderes machen und am liebsten laufen, rennen, in Bewegung sein. Ganz, ganz viel Energie ist drin in unserem Alltag.“ 
Judith leidet unter der Stoffwechselkrankheit MukoPolySaccharidose, kurz MPS. Vereinfacht gesagt fehlt ihr ein Enzym und dadurch können bestimmte Stoffe im Körper nicht abgebaut werden. Die lagern sich stattdessen in Zellen ab, so dass verschiedene Organe ihre Aufgaben nicht mehr richtig erfüllen können.
Maria, Mutter von Judith: „Und deshalb ist die Krankheit auch leider fortschreitend, weil immer mehr Abfall einfach im Körper bleibt und dann zu immer mehr Einschränkungen führt.“
Medikamente, die die Krankheit heilen, gibt es nicht. Dadurch ist die Lebenserwartung von Kindern mit MPS gering. Bei Judith ist das Nervensystem betroffen, sie hat eine geistige Behinderung. An den Vormittagen ist sie in einer Förderschule, einige Stunden in der Woche beim Kinderhospizverein. Doch den Familienalltag bestimmen unzählige Arzttermine und eine Betreuung rund um die Uhr. Denn Judith hat kein Gefahrenbewusstsein.
Maria, Mutter von Judith: „24/7 braucht die Judith Betreuung. Es ist auch nachts nicht möglich, sie mal abzugeben. Oder mal eine Übernachtung bei den Großeltern. Die sind natürlich ganz nah an uns dran und sind auch da. Aber es funktioniert einfach nicht. Also wir müssen, einer von uns beiden muss rund um die Uhr greifbar sein.“
Ganz anders sieht der Alltag von Katharina aus. Auch sie hat MPS. Bei ihr führt die Krankheit zu körperlichen Beeinträchtigungen. Dadurch ist beispielsweise ihre Wirbelsäule gekrümmt, ihre Atemwege sind verengt und ihre Gelenke lassen sich stark überdehnen. Deshalb muss sie Schienen an den Armen tragen.
Katharina, MPS-Patientin: „Ihr Handgelenk, das liegt jetzt hier schön gerade. Würde ich meine Schiene abziehen, würde es einfach nach unten hängen.“
Und das kann schmerzhaft sein. Die Zweiundzwanzigjährige lebt bei ihren Eltern. Und ist, wie sie selbst sagt, endlich nicht mehr auf den Terminkalender ihrer Mutter angewiesen: Denn sie hat jetzt ein eigenes Auto. So kann sie selbst zu Arztterminen fahren oder in die Hochschule. Eine enorme Erleichterung für die Studentin. Katharina steht kurz vor ihrer Bachelorarbeit im Fach Angewandte Informatik.
Katharina, MPS-Patientin: „Es ist eine 1A Aussicht auf einen Schreibtischjob. Weil ich sag mal so, Handwerksberufe oder ein Sportstudium wäre jetzt nicht meins gewesen. Und ich sag mal so, am Computer, da kann man sich ja jede Hilfe holen, die man will. Also ich kann den Ton einfach auf meine Hörgeräte streamen.“
Doch wie lange Katharina ihren Beruf dann auch ausüben kann, weiß keiner. Denn durch die steigende Zahl an abgelagerten Stoffen in ihren Zellen nehmen die Beeinträchtigungen stetig zu.
Katharina, MPS-Patientin: „Bis zur zehnten Klasse zum Beispiel, da hab ich ganz normal mit Stift und Papier geschrieben. Was ich vor fünf Jahren noch konnte, davon kann ich heute vielleicht träumen, aber ich kann es nicht mehr unbedingt. Und wer weiß, was in fünf Jahren wieder ist.“
Das wissen auch Judiths Eltern nicht. Deshalb müssen sie sich über das für Eltern eigentlich Undenkbare Gedanken machen. Sie müssen sich auf die Zeit vorbereiten, in der ihre Tochter nicht mehr selbstständig schlucken oder atmen können wird.
Maria, Mutter von Judith: „Wie werden denn auch die letzten Wochen sein. Oder wie stellen wir uns auch so einen Abschied vor oder so etwas. Also auch das sind Themen, die wir jetzt auch ganz anders durchdenken können. Oder jetzt auch schon mal thematisieren können. Also wirklich schwierige Themen, aber ich glaube, in dem Moment ist es gut, dass wir uns schon mal Gedanken oder uns was dazu aufgeschrieben haben. Oder wir haben tatsächlich auch schon Pläne, wie das dann in den letzten Stunden oder Momenten sein wird. Weil wir gesagt haben, dann müssen wir uns dann nicht mit solchen schweren Themen befassen.“ (TC: 03:30 für 08s)
Bis dahin hat die Familie den großen Wunsch, dass Judith noch viele Tage bleiben – wie dieser heute. Und dass sie als Familie ihr Leben genau so gestalten können, wie es die Krankheit zulässt und es sich für alle gut anfühlt.
Ja und falls Sie mehr über die Stoffwechselkrankheit MPS erfahren möchten oder vielleicht sogar selbst Kinder kennen, die erkrankt sind, kann ich Ihnen den gemeinnützigen Verein „MPS – gemeinsam Hoffnung geben“ empfehlen. Die Ehrenamtlichen dort informieren, spenden aber auch Kraft.