Prozess um Staatsfolter in Syrien endet mit Verurteilung zu lebenslanger Haft

Im weltweit ersten Strafprozess um Staatsfolter in Syrien hat das Oberlandesgericht Koblenz heute den Angeklagten Anwar R. zu einer lebenslangen Haft verurteilt. Der 58jährige Syrer war nach seiner Flucht nach Deutschland von Folteropfern erkannt und 2019 in Berlin festgenommen worden. Nach Ansicht der Richter in Koblenz ist erwiesen, dass Anwar R. als Vernehmungschef in einem Gefängnis des Geheimdienstes in der syrischen Hauptstadt Damaskus für die Folter von mindestens 4000 Menschen verantwortlich war.

 

Jsaper Klinge, Oberstaatsanwalt: „Wir sind mit dem Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz seer zufrieden. Denn es bestätigt, dass das syrische Regime seit Frühjahr 2011 Menschlichkeitsverstreben gegen die eigene Bevölkerung begangen hat. Der Angeklagte war ein Teil des Systems – auf seine Veranlassung hin wurden tausende von Zivilisten brutal gefoltert. Zudem ist er verantwortlich für die Ermordung von mindestens 27 Personen. Das haben die von uns genannten Beweise eindeutig belegt.“
Vor dem Oberlandesgericht Koblenz protestierten heute mehrere Demonstranten gegen den syrischen Präsidenten Assad und forderten die Freilassung ihrer Angehörigen. Mehrere Folteropfer hatten im Prozess als Zeugen ausgesagt und berichteten heute nach dem Urteil bei einer Pressekonferenz über ihre Erlebnisse in syrischen Gefängnissen:
„Keine legale Repräsentation, kein Kontakt mit der Außenwelt, die Ernährungssituation ist katastrophal, keine medizinische Versorgung – all das gehört auch zur Folter. Nicht nur die aktive Folter von Elektroschocks und Hängen.“
„In einem Raum manchmal auch, der eigentlich nur für 5 Leute gerechnet ist, wurden 50 Leute reingesteckt. Das heißt niemand konnte liegen, die stehen alle. Oder auch die Sache, dass man drinnen hört, wie die anderen gefoltert werden und denkt, wann bin ich dran, wann werde ich jetzt gefoltert, wann werden auch die anderen so meine Stimme hören. Das macht viel mit einem, dass man auch darüber nicht einfach so hinweggehen kann. Ich selber hier in Deutschland habe jahrelang Therapie gemacht und ich bin immer noch davon nicht komplett weg.“
Der heute verurteilte Anwar R. kann gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz noch Revision einlegen.