Prozess um Scheinanstellung bei der AWO

Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit. Mit diesen Schlagworten beschreibt sich der Verein Arbeiterwohlfahrt selbst. Eigentlich soll hier finanziell benachteiligten Menschen geholfen werden, bei der AWO in Wiesbaden und Frankfurt scheinen die Mitarbeiter aber jahrelang eher das eigene Wohl im Blick gehabt zu haben. Es ist ein Skandal der Selbstbereicherung und des Betrugs in mehr als 100 Verdachtsfällen. Ein Wiesbadener Kommunalpolitiker soll in diesem Zusammenhang eine Scheinanstellung bei der AWO für seine Tochter eingefädelt haben. Beide müssen sich seit heute in Wiesbaden vor Gericht wegen Anstiftung und Beihilfe zur Untreue verantworten.

Er sei kein schlechter Mensch und habe noch nie gegen Recht und Ordnung verstoßen. So äußert sich heute Wolfgang G. vor dem Wiesbadener Amtsgericht zu dem Vorwurf, seiner Tochter eine Scheinanstellung bei der Arbeiterwohlfahrt verschafft zu haben.
Laut Anklage soll er seine Kontakte zur damaligen Chefin der AWO Wiesbaden, Hannelore Richter, genutzt haben, um seiner Tochter ein Studium zu ermöglichen, ohne nebenbei arbeiten zu müssen.
Meike G. soll insgesamt über 50.000 Euro als unrechtmäßiges Gehalt bezogen haben und das mit der klaren Absprache zum Nichtstun.
Jens Dallmeyer, Staatsanwaltschaft Frankfurt
„Bemerkenswert ist, dass hier tatsächlich in finanzieller Hinsicht, so wie es scheint, Günstlingswirtschaft betrieben wurde und das ist natürlich gerade im Kontext von gemeinnützigen Einrichtungen verwerflich.“
Der Lokalpolitiker und ehemalige Leiter eines Polizeireviers streitet die Absprache zur Scheinanstellung vehement ab und verweist auf sein langjähriges gesellschaftliches Engagement. „Leistung gegen Leistung“ sei seine Philosophie. Mehrfach hätten er und seine Tochter bei der AWO sowie Hannelore Richter erfolglos nach konkreten Arbeitsaufträgen gefragt. Der Verteidiger erwartet daher einen Freispruch.
Bernhard Lorenz, Verteidiger
„Mein Mandant hat, das hat der Vorsitzende eindrucksvoll ausgeführt, ja mehrfach mit Frau Richter gesprochen. Die Mitangeklagte hat mehrfach per Mail nachgefragt, zigfach telefonisch angerufen, „Gebt mir Arbeit“. Jemand, der ein Scheinarbeitsverhältnis vereinbart hat, der fragt doch nicht nach. Der weiß, ich krieg mein Geld und muss dafür nichts tun.“
Meike G. brauchte den Job für ihr Studium der sozialen Arbeit und hätte deshalb ein Eigeninteresse gehabt, auch dafür zu arbeiten. Um an der Uni zugelassen zu werden, habe die heute 36-Jährige von der AWO-Geschäftsführerin Hannelore Richter außerdem eine Bescheinigung für ein früheres Arbeitsverhältnis erhalten, das es nie gegeben hat.
Jens Dallmeyer, Staatsanwaltschaft Frankfurt
„Auf die Staatsanwaltschaft wirkt authentisch, wenn der Angeklagte jetzt hier endlich angibt, dass seine Tochter für die AWO nichts gearbeitet hat und dass ihm das auch bewusst war. Soweit er allerdings sagt, dass das nicht von Anfang an abgesprochen worden sei, trifft das bislang nicht die Überzeugung der Staatsanwaltschaft.“
Welche Strafe die Angeklagten erwartet, konnte die Staatsanwaltschaft heute noch nicht sagen. Der Fall wird in drei Wochen fortgesetzt. Mit den weiteren Vorgängen bei der AWO werden die Gerichte noch Jahre zu tun haben.