Prozess um Geheimnisverrat – Freispruch für Pfungstädter Bürgermeister

Vor zwölf Jahren werden im hessischen Babenhausen zwei Menschen erschossen, ein Nachbar wird wegen Mordes verurteilt. Doch bis heute gibt es Zweifel an der Schuld des Verurteilten. Auch für einen damaligen Ermittler der Polizei, den heutigen Pfungstädter Bürgermeister Patrick Koch. Heute musste er sich selbst vor Gericht verantworten – der schwerwiegende Vorwurf: Verrat von Dienstgeheimnissen.

April 2009: In Babenhausen wird ein Ehepaar erschossen, die geistig beeinträchtigte Tochter schwer verletzt. Hintergrund soll ein Nachbarschaftsstreit über Lärmbelästigung gewesen sein.
Schnell steht der Nachbar Andreas Darsow unter Verdacht, 2011 fällt das Landgericht Darmstadt nach einem reinen Indizienprozess das Urteil: Lebenslänglich, vorzeitige Haftentlassung ausgeschlossen. Ein vorschnelles Urteil, sagt der damalige Kriminaloberkommissar und heutige Bürgermeister Pfungstadts Patrick Koch. Und muss sich nun gegen den Vorwurf verteidigen, Interna preisgegeben zu haben.
Andreas Kondziella, Staatsanwaltschaft Darmstadt
„Die Öffentlichkeit dürfte wenig Verständnis dafür haben, dass ein Strafverfolger die Ermittlungen seiner Kollegen jetzt im Nachhinein in Zweifel zieht und dieses dann zur Strafverteidigung kommuniziert.“
Der Hintergrund: Bis heute kämpft die Ehefrau des wegen Mordes Verurteilten, Anja Darsow, für die Unschuld ihres Mannes. Im Mai 2020 lehnt das Oberlandesgericht Frankfurt eine Wiederaufnahme des Verfahrens ab. Ihr Anwalt erhält daraufhin von Bürgermeister Patrick Koch eine E-Mail: Als damaliger Ermittler hätte er „Zweifel an der Schuld Darsows“. Er schreibt von einer „Vorverurteilung“, vom hohen Druck auf die Darmstädter Ermittler, „…weil schon zuvor im Polizeipräsidium einige Morde unaufgeklärt waren.“
Im Falle einer Verurteilung wegen Geheimnisverrats wäre Kochs Amt als Bürgermeister in Gefahr. Doch das Urteil vor dem Amtsgericht Dieburg heute: Freispruch. Patrick Koch zeigt sich erleichtert nach der Anspannung der vergangenen Tage.
Patrick Koch, SPD, Bürgermeister Pfungstadt
„Es war schrecklich, anders kann ich es nicht sagen. Ich habe teilweise nachts drei T-Shirts durchgeschwitzt, es war wirklich nicht schön. Jetzt geht’s weiter, gucken wir mal. Auf jeden Fall ist man jetzt ein bisschen erleichtert.“
Gero von Pelchrzim, Verteidiger
„Er wollte lediglich eine Information mitteilen, von der er glaubte, dass die hinten runtergefallen war. Damit eben gerade nicht das Vertrauen in die Rechtspflege, in die Strafverfolgung erschüttert wird.“
Auch Anja Darsow begleitet die Verhandlung. Die Ehefrau des Verurteilten schöpft heute neuen Mut.
Anja Darsow, Frau des Verurteilten
„Ich bin auch ein bisschen erleichtert, dass das nicht so eingedämmt wird, dass jemand was sagt. Ich wäre superfroh, wenn wir auch weitere Informationen bekommen, die unserem Fall helfen würden.“
Im kommenden Jahr könnte der Fall doch noch neu aufgerollt werden: Als Vormund der überlebenden Tochter will das Land Hessen Andreas Darsow auf Schmerzensgeld verklagen. Dann könnte auch die Aussage von Bürgermeister Patrick Koch neues Gewicht bekommen.