Polizeianwärter üben im Hunsrück für Einsätze

Seit der Silvesternacht wird bei uns wieder mehr über Angriffe auf Polizeibeamte diskutiert. Bundesweit steigt die Zahl der Angriffe stetig an – an der Hochschule der Polizei in Rheinland-Pfalz werden die angehenden Polizisten auf ihren künftigen Dienst vorbereitet. Wie läuft das dreijährige Bachelorstudium ab? 1.560 Männer und Frauen studieren hier aktuell – wir waren einen Tag lang an der Hochschule im Hunsrück dabei und haben einige von ihnen begleitet.

Einsatztraining: „Variante 1. Hopp.“
Vivien Wolf übt wichtige Handgriffe für zukünftige Festnahmen. Die 23-Jährige studiert hier an der Hochschule der Polizei im Hunsrück seit 15 Monaten. Am Wochenende ist sie Zuhause in Haßloch, unter der Woche wohnt sie auf dem Campus. Es ist auch der Zusammenhalt, der ihr so gut gefällt.
Vivien Wolf, Polizeianwärterin
„Man geht zwar schon in den Beruf rein mit einem gewissen Grundvertrauen, aber je mehr man auch in seiner Studiengruppe mit seinen Kollegen arbeitet, desto größer wird das Vertrauen. Der Begriff ‚Polizeifamilie‘, den gibt es eigentlich schon ab dem ersten Tag und das Ganze wird einfach noch gesteigert im Laufe des Studiums.“
Vertrauen in den Partner – Vertrauen, das im Ernstfall entscheidend sein kann. So entscheidend wie die Wahl der richtigen Verteidigung.
Entscheidungstraining: „Schusswaffe.“ – „Stehen bleiben oder ich schieße!“
Waffe, Schlagstock oder Pfefferspray. Das richtige Einsatzmittel zücken – und das so schnell wie möglich. Denn bei einem realen Angriff, müssen sich Polizisten an eine sogenannte Stufenfolge halten.
Eva Lang, Trainerin
„Und wenn das Gegenüber dann seinen Angriff ändert, müssen wir natürlich auch unser Einsatzmittel verändern. Im Zweifelsfall hat das Gegenüber sein Messer fallen lassen, dann müssen wir auch zu einem anderen Mittel als die Schusswaffe greifen. Um das zu trainieren und festsetzen zu müssen, sind um die 1.000 Wiederholungen nötig.“
Routine verleiht Sicherheit. Für die Studenten heißt das: immer wieder üben. Und nicht nur die Praxis, sondern auch die Theorie, die dahinter steht.
Die Zahl der Bewerber ist rückläufig. Waren es 2019 vor der Corona-Pandemie noch rund 4.000 sind es jetzt nur noch rund 3.000. Und die Anforderungen sind hoch.
Dr. Markus Thielgen, Oberpsychologierat
„Es kommt darauf an, dass man in allen Bereichen Mindeststandards erfüllt. Ganz plakativ gesprochen kann man sehr gute sportliche Leistungen jetzt nicht dazu nutzen, um eine fehlende Sozialkompetenz auszugleichen.“
Wie groß die emotionalen Belastungen in diesem Beruf sein können, das mussten die Polizisten in Rheinland-Pfalz in den letzten Jahren gleich mehrfach erfahren.
Die Amokfahrt in Trier im Dezember 2020, die Flutkatastrophe im Ahrtal rund sieben Monate später und zuletzt vor fast genau einem Jahr der Mord an zwei Polizisten während einer Routinekontrolle in der Nähe von Kusel. Beide haben an der Hochschule studiert.
Direkt nach der Tat und auch noch Wochen und Monate später wurden viele Studenten hier psychologisch betreut. Frank Hallenberger ist Dozent an der Hochschule. Außerdem ist er Leiter des Kriseninterventionsteams. Er berichtet uns, dass die Psychologen, Pädagogen und Seelsorger nach den Morden in Kusel den Studierenden mittlerweile nur noch vereinzelt ihre Hilfe anbieten.
Dr. Frank Hallenberger, Psychologiedirektor der Hochschule
„Das wollten die jungen KollegInnen auch nicht mehr. Die haben gesagt: ‚So jetzt ist es aber mal gut, jetzt wollen wir uns wieder auf unseren Job konzentrieren, wollen unser Studium hier fertig machen. Es ist alles traurig, wir werden auch daran denken, aber jetzt wollen wir auch wieder arbeiten.‘ Das ist auch richtig so. Wenn man alles das, was man hört, sieht und erlebt immer mit sich rumträgt, dann ist man nicht mehr dienstfähig.“
Vivien Wolf möchte sich zu den Morden von Kusel nicht äußern. Fakt ist: In Rheinland-Pfalz ist die Zahl der Angriffe auf Polizisten gesunken – doch bundesweit steigt sie stetig an. 2019 waren noch rund 80.000 Polizisten Opfer von Gewalt, 2021 dann schon deutlich über 88.000. Deshalb wird der Umgang mit Gefahrensituationen auch immer wieder trainiert.
Einsatztraining: „Ey Mann, was wollt ihr hier? Ey Mann, was wollt ihr hier?“ – „Auf den Boden.“
Körperliche Fitness in diesem Beruf überlebenswichtig. Tägliches Training gehört für die Studenten dazu. Ob beim Zirkeltraining oder beim Hindernisparcours – hier müssen sie an ihre Grenzen gehen.
Sport, Theorie, Einsatztraining, Praktika in Polizeidienststellen – wenn man mit Vivien Wolf spricht, spürt man die Begeisterung, die die junge Frau für ihre Ausbildung und ihren Beruf empfindet. Auch trotz der gestiegenen Angriffe auf Polizeibeamte.
Vivien Wolf, Polizeianwärterin
„Die Negativpunkte überwiegen nicht in dem Beruf. Es gibt so viele schöne Situationen in dem Beruf, wo man dann auch anderen helfen kann, wo man Ratgeber ist oder auch mal Seelsorger. Man ist so alles in einem und das Vielschichtige, das macht es dann aus.“
Vor ihrem Studium hier hat Vivien Wolf schon eine Ausbildung zur medizinisch-technischen Laboratoriumsassistentin gemacht – nächstes Jahr im Oktober wird sie dann hier ihren Abschluss machen. Irgendwann in der Zukunft würde sie gerne beim Landeskriminalamt arbeiten, vorher will sie aber auf jeden Fall noch einige Jahre als Polizistin auf Streife gehen – nicht in der digitalen, sondern in der realen Welt.