Politikwissenschaftler Prof. Sarchinelli zur Kandidatur von Helge Braun für den CDU-Vorsitz

Seit Tagen gab es entsprechende Spekulationen, gestern hat es Helge Braun dann offiziell gemacht. Der Kanzleramtschef aus Hessen will CDU-Chef werden. Heute Abend wird er dann offiziell durch den Vorstand des Kreisverbands Gießen nominiert, dem Braun vorsitzt.

Unterdessen hat auch Norbert Röttgen heute seinen Hut in den Ring geworfen. Im Januar war der CDU-Außenpolitiker mit seiner ersten Kandidatur gescheitert: Auf dem Bundesparteitag unterlag er in der ersten Abstimmung Armin Laschet und Friedrich Merz. Merz hat übrigens noch nicht erklärt, ob er sich zur Wahl stellt. Am Mittwoch läuft die Bewerbungsfrist aus.
Markus Appelmann, Moderator: Darüber sprechen wir jetzt mit Prof. Ulrich Sarcinelli – Politikwissenschaftler aus Landau. Herr Sarcinelli, lange schien es bei der Laschet-Nachfolge nur Bewerber aus Nordrhein-Westfalen zu geben. Nun hat Helge Braun sicherlich viele überrascht. Ist das die letzte Hoffnung des Merkel-Lagers?
Prof. Ulrich Sarcinelli, Poliziwissenschaftler Universität Koblenz-Landau: Na ja, ich denke, da gibt es ganz unterschiedliche Motive, weshalb er sich da jetzt zur Kandidatur entschlossen hat. Zunächst einmal geht es darum, dass die Hessen-CDU auch im Bundesvorstand entsprechend stark vertreten ist. Und möglicherweise gibt es ein Nebenmotiv, was für Hessen nicht so ganz unwichtig ist, nämlich die Frage, ob er sich mit einer solchen Kandidatur nicht auch in eine Position bringt, die für die Nachfolge von Herrn Bouffier wichtig sein könnte.
Appelmann: Lassen Sie uns genau darüber kurz sprechen. Wann Ministerpräsident Volker Bouffier abtreten wird, vermag heute niemand zu sagen. Es ist aber seit Monaten Thema. Für Sie wäre Helge Braun ein möglicher Nachfolger?
Sarcinelli: Das ist schwer zu beurteilen. Dazu fehlen mir einfach die internen Kenntnisse. Bezogen auf die Hessen-CDU, aber jedenfalls wäre er bundespolitisch besonders sichtbar. Die bisher gehandelten Namen um die Bouffier-Nachfolge sind ja alles Landespolitiker, die über das Land hinaus, würde ich jetzt mal sagen, keinen besonderen Bekanntheitsgrad haben. Das trifft auf Helge Braun nicht zu. Als Kanzleramtsminister hatte er die große Bühne. Und insofern, würde ich sagen, ist diese Kandidatur für die Nachfolgefrage von großer Bedeutung.
Appelmann: Zurück zum CDU-Bundesvorsitz: Die Nähe zu Angela Merkel. Ist das ein Vorteil für Helge Braun oder ein Nachteil?
Sarcinelli: Ich bin mir da nicht sicher. Natürlich gilt er als Merkel-Vertrauter, was eigentlich auch nicht ganz anders sein kann als langjähriger Kanzleramtsminister. Aber sicherlich würde er, wenn er denn Vorsitzender würde, – wo man sicherlich mehrere Fragezeichen dran setzen könnte – seinen eigenen Kurs finden müssen. Aber es wäre kein abrupter Bruch gegenüber dem Merkel-Kurs.
Appelmann: Norbert Röttgen zählt zu den liberalen Politikern in der CDU, Friedrich Merz, der sich immer noch nicht erklärt hat, gilt als Gesicht der Konservativen bei den Christdemokraten. Wofür steht Helge Braun?
Sarcinelli: Zunächst einmal könnte man sagen: Wenn zwei sich streiten, freut sich möglicherweise der Dritte. Er ist ja bisher mit seiner Funktion als Kanzleramtsminister sehr stark auf Ausgleich zwischen Bund und Ländern in der Öffentlichkeit aufgetreten und hat natürlich die Position der Kanzlerin vertreten. Mit eigenen Positionen ist er über die Hessen-CDU hinaus eigentlich in der Öffentlichkeit wenig in Erscheinung getreten. Insofern wäre er durchaus eine Überraschung.
Appelmann: Ganz kurz zum Schluss Ihre Einschätzung, Herr Sarcinelli: Welche Chancen rechnen Sie Helge Braun aus?
Sarcinelli: Also, momentan würde ich sagen, es sind eher Außenseiterchancen, aber auch bei einem solchen Rennen kommt es nicht nur darauf an, wer letztlich gewinnt, wer als Gewinner aus dem Rennen heraus geht, sondern wie stark man verliert. Möglicherweise würde er in einem Duell ein sehr achtbares Ergebnis bekommen, was zur Folge hätte, dass man ihn in jedem Fall auf der Bundesebene, mit ihm auf der Bundesebene rechnen müsste.
Appelmann: … sagt Prof. Ulrich Sarcinelli – Politikwissenschaftler aus Landau. Danke Ihnen.
Sarcinelli: Bitte schön.