Pistorius verzichtet auf Kanzlerkandidatur

Ein Wahlkampfstart nach Maß für die SPD sieht wohl anders aus – das sagt nicht nur die Opposition, sondern auch ganz viele Menschen mit SPD-Parteibuch. Nach tagelangem Ringen um den Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl ist seit gestern Abend klar: Verteidigungsminister Boris Pistorius verzichtet, Bundeskanzler Olaf Scholz tritt erneut als Kanzlerkandidat an. Und das obwohl Pistorius der derzeit beliebteste Politiker Deutschlands ist. Viele in der SPD bei uns in Hessen und Rheinland-Pfalz setzen nun alles auf die Scholz-Karte, aber es gibt immer noch Ortsverbände, wo die Meinung vorherrscht: der Falsche hat zurückgezogen.

Er soll richten, was er seiner Partei selbst miteingefahren hat: Die SPD aus ihrem derzeitigen Umfragetief holen. Boris Pistorius setzt den Diskussionen um einen Kanzlerkandidaten gestern Abend ein Ende und stellt sich in einer Videobotschaft hinter Olaf Scholz.
Boris Pistorius (SPD), Bundesverteidigungsminister
„Wir haben mit Olaf Scholz einen hervorragenden Bundeskanzler. Er hat eine schon für normale Zeiten schwierig zu führende Koalition aus drei Parteien durch die vielleicht größte Krise der letzten Jahrzehnte geführt. Ihr werdet euch vielleicht erinnern. Ich habe schon bei meinem Amtsantritt als Verteidigungsminister im Januar letzten Jahres gesagt: Das Amt des Verteidigungsministers ist für mich kein Karrieresprungbrett.“
Kein Sprungbrett also für Pistorius in Richtung Spitzenkandidatur. Die richtige Entscheidung des Verteidigungsministers? Die Frankfurter sind da geteilter Meinung.
Peter Volker
„Ich finde es eigentlich schade, dass der Herr Pistorius kein Kanzlerkandidat ist.“
Jutta Lehner
„Ich finde es okay, weil Herr Pistorius sagt mir nicht viel. Ich kenne ihn viel zu wenig, außer dass er Verteidigungsminister ist. Und sonst ist er ja wenig in der Öffentlichkeit.“
Thomas Eckel
„Gute Idee für die CDU. Und ich glaube, damit ist der Wahlkampf entschieden, wenn nicht noch andere Themen dazukommen.“
Über Themen will nun auch die rheinland-pfälzische Landesvorsitzende, Sabine Bätzing-Lichtenthäler sprechen. Im ohnehin schon kurzen Wahlkampf sei es wichtig, dass die Personalfragen jetzt entschieden sind.
Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD), Landesvorsitzende Rheinland-Pfalz
„Es war leider eine viel zu lange Debatte. Aber wir sind auch eine Partei, die dann eben gemeinsam diesen Schritt geht. Und Olaf Scholz ist jetzt unser Kanzlerkandidat. Und jetzt heißt es Ärmel hochkrempeln und in den Wahlkampf ziehen. Wir dürfen da tatsächlich keine Zeit verlieren.“
Doch nicht alle in der SPD wirken so entschlossen. In den vergangenen Tagen hat sich der hessische Ortsverein Neu-Anspach klar hinter Boris Pistorius gestellt. Dass der es jetzt nicht macht, wird mit einem Seufzen akzeptiert.
Kevin Kulp (SPD), Vorsitzender Ortsverein Neu-Anspach
„Die Entscheidung, die er jetzt getroffen hat, ist zu respektieren. Und demgemäß werden wir jetzt einen Wahlkampf machen für Olaf Scholz wie wir ihn für Pistorius gemacht hätten.“
Andere dagegen sind nicht umzustimmen. Bürgermeister Maximilian Mumm aus der rheinland-pfälzischen Verbandsgemeinde Maifeld sagt: Olaf Scholz ist nicht mein Kanzlerkandidat.
Maximilian Mumm (SPD), Bürgermeister Verbandsgemeinde Maifeld
„Sie brauchen einfach vorne jemanden, der uns gerade in der heutigen Zeit ein bisschen Zuversicht gibt. Und uns ein bisschen mitnimmt in diesem Ganzen. Und der das Gefühl für 83 Millionen Menschen auch hat, dass er sagt, ihr müsst euch grundsätzlich keine Sorgen machen. Aber da kommt eben gar nichts. Für meine Person werde ich weder aktiv für Olaf Scholz Wahlkampf machen oder irgendwo ein Plakat aufhängen.“
Jetzt müssen die Parteispitzen in Rheinland-Pfalz und Hessen Vollgas geben, um im Wahlkampf geschlossen aufzutreten. 93 Tage haben sie dafür noch Zeit. Dann wählen die Bürger einen neuen Bundestag und es zeigt sich, ob sich die SPD mit Olaf Scholz richtig entschieden hat.