Pia Schellhammer neue Fraktionschefin der Grünen in Rheinland-Pfalz

Bei den Grünen in Rheinland-Pfalz läuft der Wechsel an der Fraktionsspitze um einiges geräuschloser ab als momentan bei der CDU. Schon lange steht fest, dass der bisherige Fraktionschef Bernhard Braun sein Amt übergibt. Heute Morgen wurde seine Nachfolgerin gewählt.

Die erste Fraktionssitzung unter ihrer Führung: Es gibt Glückwünsche, Umarmungen und Geschenke für Pia Schellhammer. Die 37-Jährige war die einzige Kandidatin für den Fraktionsvorsitz und wurde einstimmig ins neue Amt gewählt.
Pia Schellhammer, B’90 / Grüne, Fraktionsvorsitzende Rheinland-Pfalz
„Vielen, vielen Dank und ich freue mich riesig auf die Zusammenarbeit. Lasst uns anfangen!“
Wer ist die Neue an der Spitze der Fraktion?
Pia Schellhammer wurde 1985 in Mainz geboren, sie wohnt in Oppenheim. Seit 2005 ist sie Mitglied der Grünen. 2011 – mit gerade mal 26 Jahren – zieht sie in den Landtag ein – als zweitjüngste Abgeordnete.
Der Abend der Landtagswahl im März 2011 – mit ihren roten Haaren ist Pia Schellhammer auf der Wahlparty der Grünen nicht zu übersehen. Die Partei feiert ihren Erfolg. 15,4 Prozent der Wählerstimmen. Und das, nachdem sie fünf Jahre vorher mit gerade mal 4,6 Prozent aus dem Landtag geflogen war. Nun also der Wiedereinzug.
Im Interview im „17:30Sat.1live“-Studio betont Pia Schellhammer damals, dass die Grünen jetzt politische Verantwortung übernehmen wollen.
Pia Schellhammer, B’90 / Grüne, am 7.4.2011:
„Wir kommen natürlich aus der außerparlamentarischen Opposition und müssen uns jetzt erst mal finden als Fraktion – aber ich glaube, wir kriegen das ganz gut gewuppt.“
Ganz gut gewuppt: Von der außerparlamentarischen Opposition ging es für die Grünen 2011 zusammen mit der SPD direkt in Regierungsverantwortung. Seit 2016 regiert die Partei zusammen mit SPD und FDP in einer Ampelregierung, seitdem ist Pia Schellhammer parlamentarische Geschäftsführerin ihrer Fraktion. Bis heute. Denn ab jetzt führt die studierte Geschichtswissenschaftlerin die neunköpfige Landtagsfraktion an.
Pia Schellhammer, B’90 / Grüne, Fraktionsvorsitzende Rheinland-Pfalz
„Ich denke, dass es ganz wichtig ist, dass wir als Team gut aufgestellt sind, und das sind wir, das haben wir mit dem einstimmigen Wahlergebnis auch gezeigt. Wir müssen schauen, wie wir natürlich in Sachen Energiewende vorankommen, bei der Mobilitätswende vorankommen – das wollen wir in der Fraktion auch intensiv diskutieren und das sind die Punkte, die natürlich auf der Agenda für uns stehen.“
Ihr Vorgänger Bernhard Braun war sieben Jahre lang Vorsitzender der Fraktion – er hatte seinen Rückzug schon vor Monaten angekündigt, es sei Zeit für eine Verjüngung. Landtagsabgeordneter wird Braun aber bleiben.
Doch an der Spitze der Fraktion steht seit heute sie. Und welche Schwerpunkte Pia Schellhammer in ihrer neuen Funktion setzen will, darüber können wir mir ihr jetzt im Studio sprechen.
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Markus Applemann, Moderator: In der Tat, denn sie ist mein Gast. Herzlich willkommen und herzlichen Glückwunsch noch zur Wahl.
Pia Schellhammer, B’90 / Grüne, Fraktionsvorsitzende Rheinland-Pfalz_ Vielen, vielen Dank.
Appelmann: Sie sind Fraktionschefin der Grünen, einer Regierungspartei in der Ampelregierung in Rheinland Pfalz. Was können Sie denn da mehr tun als der Ministerpräsidentin Applaus zu spenden? Wo können Sie die eigene Handschrift zeigen?
Schellhammer: Es ist wichtig, die Diskussion zu führen. Natürlich diskutiert man in einer Koalition miteinander, was die Richtung, was die Entscheidungen anbelangt. Und da haben wir Grüne natürlich einen ganz klaren Fokus auf Richtung Klimaschutz, auf Energiewende. Und das führen wir natürlich in der Diskussion in der Koalition ganz intensiv miteinander, wie wir da weiterkommen.
Appelmann: Jetzt ist ein großes Thema die nächste Etappe, die Kommunalwahl in Rheinland Pfalz in 18 Monaten. Aber es gibt Gegenwind aus Berlin. Die Kohlekraftwerke zum Beispiel hat der grüne Wirtschaftsminister reaktiviert. Diese Aufgabe von urgrünen Positionen, das ist doch Gift für den Wahlkampf, oder?
Schellhammer: Wir müssen ganz klar sehen, dass der Atomausstieg beschlossene Sache ist. Daran ist nicht zu rütteln. Selbstverständlich ist diese Krisensituation, in der wir uns seit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf die Ukraine befinden, eine Herausforderung für unsere Bundesregierung, aber wir müssen auch sehen, dass mit über 100 Gesetzen jetzt auch für die Energiewende tatsächlich ein Rückenwind endlich aus Berlin kommt und das sind die entscheidenden Punkte für eine zukunftsfähige Energieversorgung.
Appelmann: Über Atomkraft wollen wir gleich noch sprechen. Lassen Sie uns zunächst noch bei diesen urgrünen Positionen bleiben, denn es sind diese Bilder, die heute durch Deutschland flimmern. In Nordrhein-Westfalen wird das Protestlager der Braunkohlegegner im Dorf Lützerath unter einem grünen Umweltminister geräumt. Der Abbau geht dann weiter. In Hessen soll ab morgen das Protestlager im Fechenheimer Wald geräumt werden, damit zeitnah gerodet werden kann. Unter einer grünen Umweltministerin.
Bedeutet das nicht langfristig für die Grünen Glaubwürdigkeitsverlust?
Schellhammer: Wir müssen uns natürlich anschauen, auf welchen Entscheidungen diese Maßnahmen auch fußen. Wenn wir jetzt gerade Lützerath anschauen, dann sind es Entscheidungen der Vorgängerregierung, die eben auch vor Gerichten bestätigt wurden.
Appelmann: Aber Sie setzen es um.
Schellhammer: Das Entscheidende ist, dass wir durch zum Beispiel eine Vereinbarung es hinbekommen haben, den Kohleausstieg auf 2030 vorzuziehen, dass fünf Dörfer im Rheinischen Revier auch erhalten bleiben. Das sind Punkte, die nur durch eine grüne Regierungsbeteiligung auch erst möglich gemacht worden sind. Und da beweisen wir unsere Glaubwürdigkeit, dass wir ganz konsequent auf Klimaschutz setzen, die Energiewende voranbringen. Und das ist entscheidend. Wir können nicht wiedergutmachen, was vorherige Regierung falsch gemacht haben. Aber es ist entscheidend, dass wir jetzt das Ruder herumreißen.
Appelmann: Ein Thema haben Sie uns gerade eben schon gegeben: Atomkraft. Der Bundesverkehrsminister Volker Wissing, der ja auch FDP-Landeschef in Rheinland Pfalz ist, er sagt: “Ich bin weiter offen für eine längere Laufzeit der Atomkraftwerke” und hat nun eine Expertenkommission gefordert. Muss dieses Thema angesichts der aktuellen Energieknappheit noch mal angedacht werden, verlängert werden?
Schellhammer: Das Thema ist entschieden und das ist wirklich eine Ablenkungsdebatte. Wir erwarten von der Bundesregierung und auch gerade von dem Verkehrsressort, dass die Klimaziele eingehalten werden, dass die Sektorziele im Verkehrsbereich eingehalten werden. Da muss der Fokus drauf liegen und nicht auf Dinge, die schon längst entschieden sind. Das ist wirklich eine Ablenkungsdebatte.
Appelmann: Also gehen Mitte April die letzten Atomkraftwerke vom Netz in Deutschland? Bleibt’s dabei?
Schellhammer: Das ist die Entscheidung der Bundesregierung.
Appelmann: Aber man muss eigentlich kein Grüner sein, um zu verstehen, dass Kohlekraft schlechter ist fürs Klima als Atomkraft. Also ist die Ideologie Ihnen da wichtiger als der Klimaschutz?
Schellhammer: Das Entscheidende ist, dass wir die Energiewende hinbekommen und das ist das Entscheidende, was auch Kohlekraft oder Atom anbelangt. Und da gehen wir jetzt eben große Schritte und darauf muss der Fokus liegen. Und wir sind klar fokussiert, dass diese Möglichkeiten auch bestehen, mit der Energiewende auch die Energieversorgung zu decken.
Appelmann: Aber in Sachen Energiewende geht es zu langsam. Die grüne Umweltministerin hat gerade aktuelle Zahlen genannt, dass letztes Jahr nur rund 30 neue Windkraftanlagen ans Netz gegangen sind. Zu wenig, um die ehrgeizigen Ziele der Ampelkoalition zu schaffen. Ist da nicht die grüne Fraktion auch gefragt, um noch mal zu sticheln, um noch mal zu schauen, dass da Fahrt aufgenommen wird?
Schellhammer: Wir müssen ja erst mal schauen, auf welcher Grundlage eben die Entwicklungen zustande gekommen sind. Und das sind immer noch Entscheidungen, die noch auf der Vorgängerregierung der Bundesregierung verursacht worden sind, nämlich da wurde die Energiewende ausgebremst. Jetzt wurde auf Bundesebene das Ruder rumgerissen, das Erneuerbare Energien-Gesetz geändert, das Wind-an-Land-Gesetz bringt uns neue Möglichkeiten. Wir haben hier in Rheinland Pfalz auch aufgrund von starken grünen Wahlergebnissen es möglich gemacht, dass die Abstandsregelung von Windkraftanlagen reduziert werden …
Appelmann: Aber in Rheinland-Pfalz sind Sie schon lange in der Regierung.
Schellhammer: Ja, das sind aber auch erst Vereinbarungen, die wir eben seit 2021 haben, die wir jetzt umsetzen. Und deswegen bin ich wirklich optimistisch, dass auch dieser Ausbau dieses Jahr Schwung aufnimmt.
Appelmann: Die neue Fraktionschefin der Grünen im rheinland-pfälzischen Landtag zu ihrem ersten Besuch als Fraktionschefin im Studio. Pia Schellhammer, danke, dass Sie da waren.
Schellhammer: Vielen Dank für die Einladung.