OB-Wahl in Kassel – Geselle will nicht zur Stichwahl antreten

Damit hatte wohl niemand gerechnet: Überraschung bei der Oberbürgermeisterwahl in Nordhessen: Christian Geselle schafft zwar den Sprung in die Stichwahl – doch er kündigt an, nicht antreten zu wollen. Er bezeichnete den Wahlkampf gegen ihn als schmutzig, jetzt wolle er seine Familie schützen – daher der Rückzieher. In der Stichwahl Ende März ist jetzt also nur noch EIN Kandidat.

 

„OB-Wahl Kassel. Ihre Stimme zählt.“ – Dass ihre Stimme wirklich zählt, das werden einige der insgesamt rund 18.600 Menschen aus Kassel, die für Christian Geselle gestimmt haben, heute wohl bezweifeln.
Denn: Geselle erhält zwar die meisten Wählerstimmen, aber in die Stichwahl zieht der 47jährige nicht ein. Er sagt, der Wahlkampf gegen ihn sei schmutzig gewesen, spricht von einer Diffamierungskampagne. Das wolle er seiner Familie nicht länger antun.
Lukas Pohl, Student: „Ich kann es aber auch verstehen, also wenn er aus persönlichen Gründen seine Familie schützen möchte, dann ist dem jetzt erstmal so.“
Klaus Weidner, Architekt: „Ich bin eigentlich traditioneller SPD-Wähler und ich fand schon das Verhalten der Partei ihm gegenüber nicht in Ordnung und ich kann jetzt auch nachvollziehen, dass er jetzt einen Schlussstrich zieht.“
Christoph Krimmer, Geschäftsführer IT-Firma: „Absolut unverantwortlich (…) Er am Samstag noch eine Wahlkampfveranstaltung gestartet. Da hätte man doch sagen können: Leute, ich weiß, dass ich das nicht machen will, ich steige aus.“

Christian Geselle ist seit 2017 Oberbürgermeister von Kassel. Der SPD-Politiker hatte sich mit seiner Partei überworfen, nachdem im Sommer vergangenen Jahres die rot-grüne Koalition im Rathaus geplatzt war. Daraufhin kündigte Geselle an, bei der Oberbürgermeister-Wahl nicht für die SPD, sondern als unabhängiger Kandidat anzutreten. Die SPD stellte eine eigene Kandidatin auf.
Amtsinhaber Geselle kommt bei der Wahl auf 31,5 Prozent der Stimmen. Sven Schoeller von den Grünen landet mit 27,8 Prozent auf Platz 2. Gefolgt von Eva Kühne-Hörmann von der CDU und Isabel Carqueville von der SPD.
Nach dem Rückzug von Christian Geselle gibt es in der Stichwahl also nur noch einen Kandidaten. Den Grünen-Politiker Sven Schoeller. Er versteht Geselles Entscheidung, und respektiert sie. Er sagt aber auch:
Sven Schoeller (Bündnis 90 / Die Grünen) Kandidat Oberbürgermeisterwahl Kassel: „Zunächst einmal finde ich es schade, für die Menschen hier in der Stadt. Für die Bürgerinnen und Bürger, weil es wäre natürlich eine tatsächliche Auswahlmöglichkeit gäbe. Im Sinne der Demokratie in der Stadt, wäre das den Menschen zu wünschen gewesen.“
Die Kandidatin der SPD, Isabel Carqueville, hätte sich gewünscht, dass Geselle seine Entscheidung früher getroffen hätte.
Isabel Carqueville (SPD), Kandidatin Oberbürgermeisterwahl Kassel: „Er hat mit diesem Schritt tatsächlich finde ich ein Drittel der Wählerstimmen verschenkt und der Demokratie damit auch einen Bärendienst erwiesen, finde ich.“
Dass jetzt wesentlich weniger Menschen zur Stichwahl gehen werden, davon ist auch Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder überzeugt. Das eigentlich Spannende sei aber etwas anders:
Prof. Wolfgang Schroeder, Politikwissenschaftler Universität Kassel: „Das wichtigste Ergebnis dieser Wahl ist natürlich dass die sozialdemokratische Partei in Kassel am Boden liegt. (…) Und es ist eine große Frage, wie diese Partei wieder zusammen finden kann. Und die Kandidatin, die für die Sozialdemokratie angetreten ist, hat das schlechteste Ergebnis in 150 Jahren in dieser Stadt erreicht.“
Fest steht: Bei der Stichwahl am 26. März steht nur EIN Name auf dem Wahlzettel: Sven Schoeller. Die rund 145.000 Wahlberechtigten haben dann nur noch die Wahl zwischen JA und NEIN. Entscheiden sich mehr als die Hälfte dafür, ihr Kreuz bei „JA“ zu machen, dann ist Sven Schoeller der erste grüne Oberbürgermeister in Kassel – wenn nicht, kommt es zu Neuwahlen.