Nino Haase gewinnt Oberbürgermeisterwahl in Mainz

Oberbürgermeisterwahlen in den größten Städten von Hessen und Rheinland-Pfalz – Frankfurt und Mainz. In Frankfurt wird die Entscheidung in drei Wochen in einer Stichwahl fallen. In Mainz fand die Stichwahl gestern statt: Der parteilose Nino Haase gewinnt klar gegen den Grünen Christian Viering. Damit ist er der erste Nicht-SPD-Oberbürgermeister seit 74 Jahren und Nachfolger von Michael Ebling, der vor fünf Monaten rheinland-pfälzischer Innenminister wurde.

Er ist der strahlende Sieger und das künftige Stadtoberhaupt von Mainz. Mit 63,6 Prozent der Stimmen gewinnt Nino Haase die Stichwahl mit großem Vorsprung – und kann es am Anfang selbst kaum glauben.
Nino Haase, parteilos, künftiger Oberbürgermeister von Mainz
„Wir haben mit einem guten Ergebnis gerechnet. Auf der anderen Seite ist es, glaube ich, das stärkste Ergebnis, was je ein OB in Mainz bekommen hat. Und das hat sofort Kraft gegeben und sofort Lust gemacht, jetzt auch wirklich sofort anzufangen zu arbeiten. Also, ich muss gestehen, das ist für mich ein ganz, ganz besonderer Abend in der Stadt, die meine Heimat geworden ist, jetzt wirklich das Vertrauen der Menschen zu spüren und zu sagen: Ja, wir gehen in diese Richtung , die wir da in den letzten Monaten vorgeschlagen haben.“
Wie schon im ersten Wahlgang vor drei Wochen wird schnell deutlich, wer das Rennen macht. 14 der 15 Stadtteile gehen an den 39-Jährigen, nur die Neustadt wählt mehrheitlich Christian Viering von den Grünen. Trotz der klaren Niederlage bekommt er viel Applaus von seinen Anhängern.
Christian Viering, Bündnis 90 / Die Grünen, unterlegener Oberbürgermeisterkandidat Mainz
„Ich glaube einfach, der Vorsprung an Bekanntheit durch die 2019er-Wahl war in der Kürze des Wahlkampfs schlicht und ergreifend nicht aufzuholen, und das hat man ja auch an vielen vielen Stellen gemerkt. Aber wir grämen uns jetzt da nicht und es geht jetzt darum konstruktiv zusammenzuarbeiten mit dem neuen Oberbürgermeister, genauso wie wir das mit dem alten gemacht haben.“
Denn die Grünen bilden im Mainzer Stadtrat gemeinsam mit SPD und FDP eine Ampelkoalition. Um seine Ideen umzusetzen wird Nino Haase also bei den Fraktionen um Mehrheiten werben müssen.
Jetzt gilt es für ihn aber erstmal die Verwaltung kennenzulernen und sich ins neue Amt einzufinden. Denn viel politische Erfahrung bringt der studierte Chemiker nicht mit. Bekannt wird Haase durch die ProSieben-Sendung „Schlag den Raab“, wo er im Jahr 2009 drei Millionen Euro gewinnt. Erstmals politisch aktiv wird er vor fünf Jahren, als er mit seiner Bürgerinitiative den Bau des geplanten Bibelturms in der Mainzer Innenstadt verhindert. 2019 tritt er zum ersten Mal bei der Wahl zum Oberbürgermeister an, damals unterstützt von der CDU. In der Stichwahl unterliegt er seinem Amtsvorgänger Michael Ebling von der SPD. Das hat ihn nicht daran gehindert, noch einmal anzutreten – mit Erfolg.
Am 22. März wird er offiziell in sein neues Amt als Oberbürgermeister der Stadt Mainz eingeführt.
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Markus Appelmann, Moderator: Und jetzt ist er bei uns im Studio, der frisch gewählte Oberbürgermeister von Mainz, Nino Haase. Guten Abend und Glückwunsch!
Nino Haase, parteilos, künftiger Oberbürgermeister von Mainz: Vielen lieben Dank.
Appelmann: Herr Haase, wir haben gerade eben “Schlag den Raab” gesehen, um mal augenzwinkernd zu starten – war es einfacher gegen Stefan Raab zu gewinnen oder gegen Christian Viering?
Haase: Fairerweise … ich meine, wir haben 2017 begonnen in Mainz mit dem Thema “Bürgerbeteiligung, Bürgerentscheid” und jetzt haben wir 2023, ich meine, es hat sechs Jahre gedauert. Das war schon deutlich schwieriger als damals gegen Stefan Raab.
Appelmann: Ein langer Kampf sozusagen. Lassen Sie uns mit Inhalten starten. Was ist denn das drängendste Thema für Mainz, wo Sie sagen: “Das muss ich jetzt wirklich direkt am 23 März angehen?”.
Haase: Das drängendste Thema, das habe ich auch im Wahlkampf genauso thematisiert, insgesamt ist es natürlich die Personalsituation in der Stadt und in Mainz, insbesondere die Personalsituation im Erziehungswesen bei den Kitas.
Appelmann: Also der Fachkräftemangel beschäftigt auch Sie.
Haase: Der Fachkräftemangel beschäftigt uns, das ist eine langfristigere Initiative, um das Problem anzugehen, also langfristige Personalprogramme, aber ganz kurzfristig geht es darum, um Springerstellen zu schaffen. Und da müssen wir tatsächlich an die Löhne ran. Das ist was, wenn Sie mich jetzt fragen: “Morgen geht es los – was machen Sie als Erstes?”, sage ich: “Das ist ein Thema”, weil wir aktuell am Punkt sind, dass teilweise die Kitas tageweise nicht mehr betreuen. Und das geht nicht.
Appelmann: Großes Thema im Wahlkampf war auch die Wohnungsnot. Bezahlbarer Wohnraum. Das interessiert unsere Zuschauer. Wie wollen Sie dieses Problem lösen? Denn Sie haben schon gesagt: Das Thema Einfamilienhaus ist es nicht mehr für Mainz.
Haase: Mainz ist nun mal eine Stadt mit sehr, sehr wenig Fläche und sehr, sehr dicht besiedelt. Natürlich müssen wir da pro Fläche mehr Wohnungen bauen. Aber der Punkt ist, wir haben jetzt die Chance, das, was in der Vergangenheit teilweise noch an Altlasten mit uns herumgeschleppt wurde – also wir haben immer noch das Problem aus dem Wohnbau-Skandal von 2009, dass wir viele Wohnungen abgeben müssen. Hier müssen wir wieder den Bestand in der Stadt aufbauen. Das heißt, wir müssen wieder Wohnungen aufbauen, kaufen, Vorkaufsrechte nutzen und in der Zukunft auch, wenn wir wieder bauen, darauf achten, dass wir wirklich bei den Förderungen uns an anderen Kommunen orientieren. 60 % macht mittlerweile Freiburg und ich glaube, das ist bei so einem Mietnotstand, wie wir es aktuell haben, auch der richtige Weg.
Appelmann: Wie viele neue Wohnungen braucht Mainz? Auf welche Zahl können wir sie da festnageln?
Haase: Sie können mich auf keine festnageln. Wir sollten aber es schaffen, dass wir die Verwaltung so aufstellen, unsere Gesellschaften, dass wir die mal avisierten 900 bis 1.000 Wohnungen pro Jahr auch wirklich packen. Aber da brauchen wir erst mal eine Stadtplanung, die auch personell wieder so aufgestellt ist, dass wir das alles bewerkstelligen können. Hängt übrigens auch mit einer Modernisierung, Digitalisierung der Verwaltung zusammen. Wenn wir da schneller die Prozesse umsetzen, dann kriegen wir auch mehr Wohnungen geplant und gebaut.
Appelmann: Ihr großes Thema im Wahlkampf war “parteilos und unabhängig”. Das heißt aber ganz schnell, wenn Sie jetzt regieren, “isoliert und einsam”. Denn Sie haben keine Mehrheit im Stadtvorstand, Sie haben keine Mehrheit im Stadtparlament. Wie wollen Sie das angehen?
Haase: Ich sehe den Oberbürgermeister tatsächlich – und wenn man sich die Gemeindeordnung anschaut, definiert es das auch fast so – nicht als parteipolitischen Posten, sondern als Posten zwischen dem Stadtrat, zwischen der Verwaltung und zwischen der Bevölkerung. Und ja, man muss um Mehrheiten kämpfen, aber das sollte man eigentlich immer. Man sollte eigentlich immer konstruktiv über einzelne Vorschläge reden und eigentlich dann zu einem Konsens kommen, wo man sagt: “Das ist gut für die Stadt”. Und ich habe es gestern schon gesehen, die Fraktionen kam vorbei, der Stadtvorstand kam größtenteils bei mir vorbei und selbstverständlich werden wir in eine konstruktive Zusammenarbeit gehen, wie das bei den annähernd … oder 35 % parteilosen Bürgermeistern in Deutschland auch schon der Fall ist.
Appelmann: Abschließende Frage: Jetzt haben die Gewerbesteuern-Neueinnahmen von BioNTech, von dem Corona-Impfmittel-Hersteller, den Stadthaushalt saniert. Viele Bürger haben aber im Wahlkampf gesagt: “Ich habe davon gar nichts gespürt”. Was sagen Sie denen?
Haase: Ich sage Ihnen: Das kann ich verstehen. Und auch das war bei mir das Gefühl jetzt auch vor dieser Kandidatur. Ich habe gehofft, nach diesem finanziellen Glücksfall, dass jetzt in der Stadt richtig eine Initiative losgeht mit viel Dynamik, Modernisierung der Verwaltung, aber auch, dass wir den Menschen was zurückgeben. Und gerade bei Bereichen wie dem ÖPNV, wo wir jetzt immer noch einen der teuersten in Deutschland haben, das darf nicht sein. Auch beim Thema Nebenkosten sollten wir schauen, dass mit unseren stadtnahen Gesellschaften wir den Menschen was zurückgeben können. Und wie ich es schon gesagt habe, beim Thema Mieten und Wohnen – hier müssen wir wieder aufbauen, dass wir als Stadt wieder einen Zugriff haben, um auf dem Mietmarkt auch dämpfend einwirken zu können.
Appelmann: Vielen Dank an den frisch gewählten Oberbürgermeister von Mainz, Nino Haase.
Haase: Vielen Dank!