Neue Pestizidrichtlinie – Winzer in Existenzsorgen

Arbeiten, wo andere Urlaub machen. So erleben in Rheinland-Pfalz viele Winzer ihren Alltag. Inmitten traumhafter Landschaften bewirtschaften sie teilweise seit Jahrhunderten ihre Weinberge. Doch jetzt bedroht eine neue EU-Richtlinie ihre Existenz. Ortstermin im größten Weinanbaugebiet Deutschlands.

Der Rote Hang in Nierstein. Er ist eine der renommiertesten Weinlagen Deutschlands, bekannt durch den namensgebenden roten Tonsandstein.
Konstantin Guntrum, Winzer am Roten Hang
„Keiner verkauft einen Rebstock am Roten Hang, weil er so stolz drauf ist, dort etwas zu haben. Mir und meinen Kollegen fällt das immer wieder auf, wenn man im Urlaub oder geschäftlich weg war und kommt nach Hause und schaut sich hier um, sagt man: ‚Bbleibt zuhause, schaut euch hier um, es ist so unbeschreiblich wunderschön‘.“
Der Rote Hang ist ein Landschaftsschutzgebiet. Eine Auszeichnung, die ihm und vor allem den Winzern, die hier leben und arbeiten nun zum Verhängnis werden könnte. Denn die EU will die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln in Landschaftsschutzgebieten bis 2030 komplett verbieten.
Konstantin Guntrum, Weingut Louis Guntrum
„Kurz zusammengefasst bedeuten die Pläne der EU das Ende der Kulturlandschaft Roter Hang, sie bedeuten das Ende des Weinbaus in Deutschland, weil 80% der Weinbaufläche in Deutschland betroffen sind. Die Pläne bedeuten unseren Ruin.“
Denn selbst die widerstandsfähigsten Rebsorten kommen aktuell nicht ohne Pflanzenschutzmittel aus, sagt auch Winzerin Ursula Müller, deren Familie in Nierstein in neunter Generation Wein anbaut.
Ursula Müller, Weingut Schneider-Müller
„Wir kennen ganz gut die Böden, wir kennen ganz gut die Gegebenheiten. Wir sind jetzt dran. Wir sind die Generation, die jetzt hier das Glück hat, hier arbeiten zu dürfen und wir wollen das möglichst gut an unsere Kinder und Enkelkinder und wer auch immer noch alles kommt weitergeben.“
Neben dem Pestizidverbot in Landschaftsschutzgebieten will die EU in den übrigen Anbaugebieten pauschal 50% weniger Pflanzenschutzmittel anordnen. So ließe sich kaum ein Betrieb noch wirtschaftlich führen, befürchtet die Branche.
Viele Schutzgebiete seien zudem nur zu solchen geworden, weil sie durch die Bewirtschaftung und Landschaftspflege an Biodiversität gewonnen haben, betont die rheinland-pfälzische Landwirtschaftsministerin Daniela Schmitt.
Daniela Schmitt, FDP, Landwirtschaftsministerin Rheinland-Pfalz
„Wir haben in Rheinland-Pfalz besonders viele Schutzgebiete. Wir haben die Besonderheit von Steillagen-Weinbau, wir haben die Besonderheit von Steinobstanbau, gerade in der Region zwischen Mainz und Bingen. Und vor allen Dingen haben wir schon viele Bemühungen der Landwirte und Winzer, freiwillige Maßnahmen zu ergreifen, um eben Umwelt und Naturschutz in Einklang zu bringen.“
Daniela Schmitt will in Brüssel deshalb für standortangepasste Lösungen werben. Doch ihr Einfluss ist begrenzt.
Und so trübt sich für Konstantin Guntrum die Hoffnung, dass sein Betrieb nach ihm auch noch in zwölfter Generation besteht.
Konstantin Guntrum, Weingut Louis Guntrum
„Der Weinbau in Deutschland ist verhältnismäßig unbedeutend. Aber er ist ein Aushängeschild für Deutschland, für qualitativ hochwertige Produkte. Der deutsche Riesling ist in der gesamten Welt geschätzt, wir exportieren in etwa 50 Länder in alle Welt und tragen da die deutsche Fahne. Und das alles soll in acht Jahren dahin sein. Das macht einen sprachlos.“
Der Weinbau und der Rote Hang – für die Niersteiner sind sie untrennbar miteinander verbunden. Doch die Pläne der EU, sie könnten hier das Ende einer jahrhundertealten Kulturregion bedeuten.