Neue documenta-Leitung vorgestellt

Alle fünf Jahre blickt die internationale Kunstwelt nach Kassel, denn dann findet die documenta statt. Sie gilt neben der Biennale in Venedig als die weltweit wichtigste Ausstellung für moderne Kunst. Bei der vergangenen documenta erschütterte ein Antisemitismusskandal die Ausstellung und sorgte quer durchs Land für ein Beben der Entrüstung. 2027 soll die nächste Schau stattfinden, wegen der Aufarbeitung des Skandals standen hinter diesem Zeitplan zunächst Fragezeichen und auch die Suche nach einer neuen künstlerischen Leitung kam ins Stocken. Heute wurde die neue Leitung in Kassel vorgestellt.

Große Spannung, große Weltkunst-Bühne: Naomi Beckwith soll die nächste documenta leiten. Die 48-jährige Amerikanerin kommt vom New Yorker Guggenheim Museum und hat für Kassel folgende Ideen im Gepäck.
Naomi Beckwith, Künstlerische Leitung documenta 16
„Ich habe gerade erst davon erfahren, dass ich die künstlerische Leitung bin. Also es gibt noch keinen Plan, das ist wie bei einem Heiratsantrag. Ich zeige momentan noch den Ring herum und jetzt müssen wir die Hochzeit planen. Ich träume von 100 Tagen, in denen Menschen zusammenkommen, miteinander sprechen, feiern und sehr eng mit den Künstlern zusammenarbeiten um zusammen wieder eine Gemeinschaft aufzubauen.“
Die Entscheidung fiel durch eine Findungskommission aus sechs internationalen Kunstexperten. Diese Gruppe musste neu zusammengestellt werden, nachdem gegen ein bisheriges Mitglied Antisemitismusvorwürfe laut wurden, woraufhin das gesamte Gremium zurücktrat. Gerade aufgrund der zurückliegenden Skandale, sei die Auswahl keine einfache gewesen.
Yilmaz Dziewior, Kunsthistoriker und Mitglied Findungskommission
„Wir haben sehr genau überlegt, wen trauen wir das zu, wer ist sensibel, achtsam genug, mit dieser spezifischen Situation umzugehen. Wir waren sehr beeindruckt, wie präzise Naomi Beckwith über die Situation in Deutschland und in Kassel informiert war, sich dazu positioniert hat und das war auch mit ein Grund, sie zu wählen.“
Rückblick: Bei der vergangenen documenta taucht kurz nach der Eröffnung ein Banner mit plump antisemitischer Bildsprache auf, das kurz darauf entfernt wird. Danach sorgen weitere Werke für scharfe Kritik bis hin zur Forderung zum Abbruch der Ausstellung.
Teilen, Solidarität, Kooperation – so damals das Konzept der Kuratoren, das indonesische Kollektiv ruangrupa. Das Teilen der Verantwortung sorgt jedoch von Anfang an für Probleme.
Infolge des Skandals wird die documenta reformiert – erhält einen wissenschaftlichen Beirat und einen Verhaltenskodex, mit einem Bekenntnis zur Menschenwürde.
Timon Gremmels (SPD), Kunstminister Hessen
„Es steht natürlich auf der Kippe oder stand auf der Kippe. Ist Deutschland, ist Kassel, ist Deutschland, ist Hessen in der Lage, eine internationale zeitgenössische Ausstellung auf den Weg zu bringen, die sich mit den Fragen der Zeit behandelt, die auf der einen Seite Kunst und Kulturfreiheit garantieren kann aber auf der anderen Seite auch die Menschenwürde Und da haben wir jetzt die notwendigen Strukturentscheidungen getroffen.“
Das Budget liege mit 42 Millionen Euro auf dem Niveau der vergangenen Ausstellung. Etwa 25 Millionen kämen dabei aus Steuermitteln. Trotz der nun verspäteten Entscheidung soll die nächste Weltkunstschau pünktlich starten.
Andreas Hoffmann Geschäftsführer der documenta und Museum Fridericianum gGmbH
„Es wird eine konzentrierte documenta sein. Eine documenta, bei der wir sehr schnell jetzt auch voranschreiten müssen, wir sind sehr zuversichtlich, dass wir das schaffen und wir haben eben kommuniziert, dass die Eröffnung der documenta 16 am 12. Juni 2027 sein wird.“
Die neue künstlerische Leiterin verspricht vorab keine unschönen Überraschungen auf den Leinwänden.
Naomi Beckwith, Künstlerische Leitung documenta 16
„Ich denke, es ist wichtig, dass sich bei der Ausstellung jeder sicher und respektiert fühlt, das gilt sowohl für die Künstler als auch für das Publikum.“
Klar ist bisher nur, auch die kommende documenta wird hier ihre Spuren hinterlassen. Gute 900 Tage hat Naomi Beckwith nun Zeit, bis wieder Kunstfans aus aller Welt nach Nordhessen strömen.