Narkosearzt wegen Totschlags verurteilt

Mehr als drei Jahre nach dem Tod eines vierjährigen Mädchens in einer Zahnarztpraxis in Kronberg im Taunus ist heute das Urteil gegen den behandelnden Narkosearzt gesprochen worden: Wegen Totschlags muss der 67 Jahre alte Anästhesist für zehneinhalb Jahre ins Gefängnis. Die Staatsanwaltschaft hatte auf Mord plädiert und lebenslange Haft gefordert.

Es ist das vorläufige Ende eines emotionalen Prozesses vor dem Frankfurter Landgericht: Während der sichtlich nervöse Angeklagte auf die Verkündung des Urteils wartet, fließen bei den Angehörigen im Zuschauerraum die Tränen. 10 Jahre und sechs Monate Haft wegen Totschlags, dreifachen versuchten Totschlags und sowie Körperverletzung mit Todesfolge für den Narkosearzt, der nach Ansicht des Gerichts erst durch sein Handeln und dann durch sein Nichthandeln den Tod der vier Jahre alten Emilia verursacht hat: Aus Sicht der Staatsanwaltschaft ein zu mildes Urteil.
Dominik Mies, Staatsanwaltschaft Frankfurt: „Wir sind nach wie vor der Auffassung, dass es ich bei dem Geschehen hinsichtlich Emilia um einen Mord handelt. Und bezüglich der anderen drei Kinder um einen versuchten Mord. Und wir werden jetzt in aller Ruhe prüfen, wie wir mit diesem Urteil umgehen.“
Das Gericht wirft dem 67 Jahre alten Narkosearzt schwere Behandlungsfehler vor: So habe dieser bei seinem Einsatz in der Kronberger Zahnarztpraxis Ende September 2021 entgegen aller Anweisungen eine Ampulle mit dem Narkosemittel Propofol sowie eine Spritze mehrfach verwendet – und das, obwohl er als erfahrener Narkosearzt gewusst habe, dass er seine Patienten damit in Lebensgefahr bringen könne. Als die kleine Emilia sowie drei weitere Kinder deutliche Anzeichen eine lebensgefährlichen Sepsis zeigten, habe er die Situation heruntergespielt und von „normalen Begleiterscheinungen der Narkose“ gesprochen, anstatt den Rettungsdienst zu alarmieren.
Dominik Mies, Staatsanwaltschaft Frankfurt: „Wir sehen das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht als erfüllt an. Dadurch, dass der Angeklagte wusste, dass er vorher schon diese Hygienemängel verursacht hat. Das wollte er nicht, dass das rauskommt. Und dementsprechend hat er nicht versucht, die Kinder in ein Krankenhaus zu bringen oder den Notarzt zu verständigen.“
Zwei weitere Kleinkinder überlebten die Narkose nur knapp – sie erlitten ebenfalls eine Blutvergiftung, konnten aber im Krankenhaus gerettet werden. Warum Dr. Gerald W. als Narkosearzt mit jahrzehntelanger Berufserfahrung so schwerwiegende Behandlungsfehler unterliefen, bleibt auch in der Gerichtsverhandlung ein Rätsel. Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig – sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung wollen prüfen, ob sie in Revision gehen.